In der Ausgabe September/Oktober 2006 findet Ihr:
|
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Liebe Musikfreundinnen und -freunde, wenn man in den USA einem Politiker schaden will, dann heftet man ihm das Label „Liberaler“ an. In Deutschland scheint es in Bezug auf die Musik ähnlich mit dem Begriff „Folk“ zu sein. So schrieb der Stern in einem Bericht über die aktuelle Springsteen-CD (wie auch bereits in der „Szene“ der letzten Ausgabe, Folker! Heft 04/2006 festgestellt), dass es wieder „in“ sei, einfache Folksongs zur akustischen Gitarre zu singen und hier und da etwas hinzu zu arrangieren, dass die Sache etwas verfremde. Aber: „Nenne es Singer/Songwriter-Pop, meinetwegen Alternative Country, aber niemals Folk. Folk klingt nach Bob Dylans missionarischem Genöhle, Joan Baez’ rührender Betroffenheit, nach Sit-ins mit vegetarischer Mahlzeit, Friedensbewegung, Wollsocken und Yogi-Tee.“ Es ist schon beeindruckend, wie sehr die Mainstreammedien Klischees bemühen, um hip zu sein. Kein Wunder, dass Folkthemen sowohl in den Printmedien als auch im Hörfunk kaum vorkommen. Es sei denn, es handelt sich um „Antifolk“. Das ist dann sogar der Zeit eine halbe Seite im Feuilleton wert (siehe auch Rubrik „Bücher“, S. 78 im Heft). Der Folker! trägt den Untertitel „Magazin für Folk, Lied und Weltmusik“ ganz bewusst. Folkmusik lebt und wird von vielen Menschen überall in der Welt gespielt und gehört. Zwei Beispiele dafür finden sich mit den Berichten über die deutsche Gruppe Laway und das Projekt The Island Tapes aus Schottland in diesem Heft. Der Folker! gratuliert außerdem mit zwei Porträts den diesjährigen Preisträgern der Liederbestenliste: Da ist einmal Kitty Hoff mit ihrer Band Forêt-Noire, die am 1. September im Rahmen der Veranstaltung „Theaterkahn im Liederwahn“ in Dresden mit dem Förderpreis 2006 ausgezeichnet wird; und zum anderen das Duo Sonnenschirm, an die der diesjährige Liederpreis für sein Lied „Brief aus Bagdad“ geht. Der Preis - eine Originalzeichnung der Folker!-Illustratorin Imke Staats - wird am 28. Oktober beim Liederfest 2006 in Eupen, Belgien, vergeben, zu dem das deutschsprachige Programm des Belgischen Rundfunks einlädt. Als Gäste werden neben Jürgen B. Wolff und Dieter Beckert noch Stéphanie Blanchoud, eine der erfolgreichsten Vertreterinnen der jungen belgischen Chansonszene, sowie das Duo Kreisler & Stein erwartet. In unserer Rubrik Heimspiel fragen wir nach der Zukunft der Nachwuchsförderung in Deutschland, die offensichtlich an einem Scheideweg steht. Auch hier spielt die Folkmusik offensichtlich keine Rolle mehr. Aus dem einstigen Folkförderpreis wurde der Weltmusikpreis RUTH. Und auch der befindet sich angesichts des neu geschaffenen Wettbewerbs „Creole“ im Umbruch. Bei PROFOLK gibt es Überlegungen nun einen eigenen Folkpreis auszuschreiben. Es wird sich allerdings zeigen müssen, ob der Verband, der trotz vieler ehrenwerter Anläufe nach wie vor nur eine Nebenrolle in der deutschen Szene spielt, einem solchen Projekt die notwendige Aufmerksamkeit verschaffen kann. Bei gleich zwei wichtigen Musikereignissen ist der Folker! in den nächsten Wochen mit von der Partie: beim erstmals ausgetragenen Sängerkrieg-Festival in Eisenach, das vom 19. bis 23. September mit einem das ganze Spektrum von Folk, Lied und Weltmusik umfassenden Programm einlädt; und bei der gemeinsamen Tour von Arlo Guthrie und Wenzel. Sie sorgen auf der Wartburg für den Auftakt des neuen Festivals. Dies ist dann zugleich das letzte von insgesamt acht vom Folker! präsentierten Konzerten der beiden Künstler. Und damit entlasse ich Sie wieder einmal in die Lektüre einer neuen Folker!-Ausgabe, die mit der Berichterstattung über das TFF.Rudolstadt schöne Erinnerungen wecken dürfte für alle, die Anfang Juli das Festival miterlebt haben, und denen, die nicht dabei sein konnten, einen kleinen Eindruck davon verschafft, was sie verpasst haben. Ihr Folker!-CvD PS: Dass die Dixie Chicks oder Neil Young mit ihren Bush-kritischen Songs im „Land der Mutigen und der Freien“ auf Ablehnung stoßen, kann niemanden überraschen. Aber Udo Jürgens wegen Terrorverdachts festgenommen? Das muss eine Ente sein. Ist es aber nicht. Der 71-Jährige war vor einiger Zeit als Tourist nach New York geflogen, um sich einige Broadway-Musicals anzuschauen. Die Zollbeamten verweigerten jedoch zunächst die Einreise, weil sie wegen eines abgelaufenen Künstlervisums im Pass des Schlagersängers misstrauisch geworden waren. In einem Bericht des Onlinedienstes laut.de heißt es zudem, dass man die Altersangabe im Pass nicht für glaubwürdig gehalten habe. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegenüber äußerte sich Udo Jürgens, dass er zwei Stunden in einer Abschiebezelle „mit 30 Arabern, zehn Indern mit Turbanen und fünf Afrikanern“ verbringen musste: „Alles wohl Geschäftsleute, keiner sah jedenfalls verdächtig aus.“ Und ihm habe man wohl auch ansehen können, dass er „keine Kalaschnikow in der Aktentasche hatte“. Kontakt mit der Außenwelt sei ihm untersagt worden: „Don’t talk to me! Wait till you are called.“ Danach sei er ohne ein Wort der Entschuldigung frei gelassen worden. Bekannt wurde der Fall erst jetzt, weil die Plattenfirma des Künstlers das Ereignis nicht habe hochspielen wollen, wie es in einer Erklärung gegenüber dem ORF hieß. Die in einigen Medien verbreitete Aussage, er werde „nie wieder einen Fuß auf amerikanischen Boden setzen“, wies Jürgens als unwahr zurück. Jedoch brachte er gegenüber der FAZ sein Befremden über das Verhalten der US-Behörden unmissverständlich zum Ausdruck: „Was bezweckt man dort nur damit? Will man die Beziehungen zu Europa oder anderen Weltgegenden belasten? Wollen die Amerikaner zeigen, dass sie sich problemlos abkapseln können, dass sie an Verständigung und Austausch gar nicht interessiert sind? In diesem Moment, wenn man da abgesondert von allen anderen sitzen und warten muss, fühlt man sich auf eine unglaubliche Weise erniedrigt.“
|