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(Auswahl)
Live aus dem O-Zonenloch (Löwenzahn, 1993) |
unterwegs: 08.10.06: Eisleben, Theater 09.10.06: Chemnitz, Kabarett 12.10.06: Schwerin, Speicher 13.10.06: Templin, MKC 14.10.06: Lehsten, Büdnerei 25.10.06: Erfurt, Museumskeller 28.10.06: Eupen (B), Liederfest 18.11.06: Annaberg-Buchholz, Alte Brauerei |
Duo Sonnenschirm ist das Markenzeichen für mehrere Disziplinen. Man kann Dichtung darunter verstehen oder Liedersingerei, aber auch eine Form hinterhältig heiterer Bühnenarbeit oder eine Art der ernsthaften Weltbetrachtung. Denn unter dem Sonnenschirm sitzen die beiden Brachialromantiker Dieter Beckert & Jürgen B. Wolff. Was sie auf der Bühne seit 20 Jahren treiben, kann man auf verschiedenen Betriebssystemen lesen. Dem einen ist es Unterhaltung, dem anderen sinnvoller Spaß und einem abermals anderen ausgesucht gute Poesie oder gar reine Philosophie. Missverständnisse sind also nicht ausgeschlossen, vielleicht sogar erwünscht.
Von Harald Pfeifer
Öffentlich wurde das „Duo Sonnenschirm“ 1986. Zunächst nannten sich Beckert & Wolff „De Mephistos“, doch ganz dem Faustschen Gedanken wollten sie sich nicht verpflichten. So gaben sie sich den Namen Duo Sonnenschirm. Das klingt bescheidener und freundlicher. Da hat man mehr Spielraum. Ihr erstes Programm hieß „Grünes Licht ins Blaue - Weisheiten zum Schwarzärgern“. Das Publikum war überrascht. Da war alles etwas anders als gewohnt. Auf der Mitte der Bühne stand ein altes Dampfradio für Beckerts E-Gitarre, das nach dem Vorbild der Schulbands aus den 60er Jahren als Verstärker verwendet wurde. Dann lag noch allerlei Krimskrams rum, der Musikclowns vermuteten ließ. Auf den ersten Blick wirkten die beiden etwas schrullig, auf den zweiten eher unangepasst. Da war kein Platz für Mode. Es waren Ideen, Gedanken und Formulierungen, die sie gucken ließen, aber auch versteckten. Ein wichtiges Kunstprinzip in der DDR. Die einen sagen heute dazu „Sklavensprache“, die anderen Poesie.
Nun eine Runde Zugroulette |
Es ist Poesie. Und die gießt das Duo Sonnenschirm bis heute aus vollen Kannen über sein Publikum aus. Bereits 1987 gab es bei den Chansontagen in Frankfurt/Oder zwei Preise, aber für die Szene war man schon weit mehr als nur ein Geheimtipp. Vor allem wegen der poetisch-satirischen Behandlung des DDR-Alltags. Es hatte dem ostdeutschen Publikum 1986 das gegeben, wonach es verlangte. Satisfaktion für die Leiden im ideologisch geprägten Leben. Weisheiten zum Schwarzärgern und Totlachen. Das war Balsam auf die Seelen der Menschen. 1988 hatte das Duo sogar eine Langspielplatte beim DDR-Label Amiga produzieren dürfen.
„Es gibt mehr Stütze, wenn man ein’n Roman schreibt. Und wer nicht malt,
dichtet oder komponiert, soll verhungern.“ Mirko, Bennos zweiter Kumpel,
blaues Hemd, brauner Teint, modisch fließendes Hosenbein über Budapester
Schuh, kleines Tattoo, Nackenmähne, Posekettchen, wirft demonstrativ seine
Dose weg. „Ich hab’ schon so viel gemacht. Im Sonnenstudio kassiert, im
Autostudio kassiert, in der Peepshow kassiert, beim Tachorückstelldienst
kassiert. Ich bin Elend gewöhnt. Da mal’ ich eben jetzt Bilders.“ („Kulturvolk“) |
Aber wie Jürgen B. Wolff sagt, lag das daran, dass die Genossen schon resigniert hatten. Es war eh alles egal. Produziert wurde ihr Erstling in einem privaten Studio und keiner interessierte sich dafür, was für Stücke sie aussuchten. Eine Kontrolle gab es nicht. Der Amiga-Produzent kam eines Abends ins Studio nach Dresden, erinnert sich Wolff: „Da musste noch ein Kasten Bier besorgt werden, für den Produzenten, den er dann auch zu zwei Dritteln geschafft hat. Dann hörte er in drei, vier Bänder rein, ansonsten haben wir gelabert, und er ist wieder nach Berlin gefahren. Wir haben irgendwann das Band abgeliefert und das war’s. Vor allem mit der Abmischung waren wir nicht zufrieden. Aber das lag wohl daran, dass in dieser Zeit schon alles egal war.“
Ein Konzept hatten die zwei Herren unter einem Sonnenschirm nicht. Beckert sagt: „Man lernt einen Kollegen kennen, mit dem man spinnen kann, mit dem man singen kann, mit dem man Gedanken entwickeln kann, die weit über die eigene erste Idee hinausgehen, und dann macht man los. Das Konzept ergibt sich im Rückblick.“ Jürgen B. Wolff war anfangs fasziniert, dass man sich etwas ausdenken konnte, das vor Publikum tatsächlich Wirkung zeigte. Er war das nicht gewohnt, weil bei den Folkländern, bei denen er vorher spielte und die er mitgegründet hatte, sich das Wort auf der Bühne auf Ansagen beschränkt hatte, und das wurde aus dem Ärmel geschüttelt. Pleiten hat es am Anfang schon gegeben, und Wolff sagt: „Wir haben jedes Lied nach jedem Konzert wieder umgeschrieben. Die Reiseschreibmaschine war immer dabei, und wir haben gesessen und diskutiert, hier müssen wir noch mal gucken und da müssen wir noch mal ran, dritte Fassung, fünfte Fassung, siebte Fassung ... zum Beispiel die ‚Ballade von den bilapidaren Beziehungen‘.“ Beckert & Wolff hatten sich gesucht und gefunden. Sie ergänzten sich. Der eine brachte die Welt des Volksliedes ein, der andere die literarische Vielfalt von Karls Enkel. Formelhaft zusammengefasst kann man sagen: Beckert + Wolff = Brachialromantik.
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