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„Mich reizt, was ich nicht kann“

Hans-Eckardt Wenzel

Der „Lieder-Macher“ über fremde Texte und neue Spielweisen

go! www.wenzel-im-netz.de
Discographie
(Auswahl)

Stirb mit mir ein Stück (Amiga, 1986)
Lied am Rand - Wenzel singt Theodor Kramer
    (Buschfunk, 1997)
Schöner lügen (Conträr/Indigo, 1999)
Grünes Licht (Doppel-Live-CD; Conträr/Indigo, 2001)
Ticky Tock - Wenzel singt Woody Guthrie
    (Conträr/Indigo, 2003)
Himmelfahrt (Conträr/Indigo, 2005)
Vier Uhr früh - Wenzel singt Theodor Kramer, Vol. II
    (Conträr/Indigo, 2006)

Als Sänger, Musiker, Komponist, Autor und Clown ist er seit 1976 unterwegs. Seine DaDaeR-Programme mit Steffen Mensching wurden als subversive Attacken auf den realsozialistischen Alltag aufgefasst. Seit 1994 bekommt er regelmäßig den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Er schreibt Bücher und führt Regie. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er Wenzel gleich drei CDs plus eine Sonderedition zu seinem 50. Geburtstag. Jetzt hat er zum zweiten Mal Gedichte von Theodor Kramer vertont und geht mit Arlo Guthrie auf Tour.

Von Gerd Dehnel

Wenn am 1. September Hans-Eckardt Wenzel, Arlo Guthrie und Billy Bragg im Berliner Schillertheater auftreten, schließt sich ein Kreis. Denn bei einem Konzert von Wenzel und Bragg wurde Nora Guthrie beim Festival Musik und Politik in Berlin auf den Deutschen aufmerksam. Der erste Eindruck muss so stark gewesen sein, dass sie ihn fragte, ob er nicht das Archiv ihres Vaters Woody sichten wolle. Dort lagern an die 3.000 unveröffentlichte Liedtexte. Wenzel, der nach eigenem Bekunden Woody Guthrie wenig kannte und nicht sonderlich mochte, sagte zu. Ging nach New York und hatte fortan nicht nur mit Recherchieren zu tun, sondern auch mit Komponieren. Denn Woody Guthrie Wenzel beherrschte keine Notenschrift. So weiß bei den meisten Texten kein Mensch, wie sie hätten klingen sollen.

Erstes hörbares Ergebnis war 2003 die CD Ticky Tock - Wenzel singt Woody Guthrie. Doch die Wirkung ging tiefer. „Es ist jetzt nicht unbedingt jedem meiner Songs anzuhören, aber ich habe durch Woody Guthrie zu neuen Melodien gefunden“, beschreibt Wenzel. „Weil die englischen Texte andere Melodien möglich machen, durch andere Vokaldehnungen, durch kürzere Wörter und Sätze. Dadurch ergeben sich andere rhythmische Strukturen, größere Melodiebögen. Das verringert das Risiko, dass man beim Komponieren immer wieder dasselbe macht, das Gewohnte.“ Zudem zwinge der Umgang mit fremden Texten zu größerer Präzision beim Komponieren, fügt Wenzel hinzu. „Wenn ein eigener Text nicht recht zusammenpassen will mit der Melodie, dann bau’ ich halt den Text um. Diesen Kunstgriff kann ich bei einem Text von Woody Guthrie nicht anwenden. Meine Melodie muss sich also seinen Worten anpassen.“

Auf der Suche nach dem richtigen Ton für fremde Worte

Diese Mühe hätte sich Wenzel sicher gespart, hätten ihn die Texte nicht angesprochen. Dann wäre dem Vielbeschäftigten anderes eingefallen, als sich Wenzel beim Soundcheck in der Grand Ole Opry -
vor dem Konzert „Nashville Sings Woody“
im Februar 2003 monatelang in Woody-Guthrie-Werken zu vergraben auf der Suche nach dem richtigen Ton für fremde Worte. „Woody Guthrie hat einfach gute Texte geschrieben, das ist das für mich einzige Qualitätskriterium“, sagt Wenzel und präzisiert: „Er hatte eine besondere Art, die Welt zu umkreisen. Darin ist er mir nahe, so wie Theodor Kramer oder Bertolt Brecht. Er hat seine Songs stets für andere geschrieben, damit die etwas damit anfangen können. Nicht, um möglichst viele CDs zu verkaufen. Woody Guthrie hat keine eitlen Texte geschrieben.“

Von Kindlichkeit und Naivität spricht Wenzel außerdem, wenn er erklären soll, was ihn an Woody Guthrie reizt. „Es heißt ja ein Instrument spielen - nicht ernsten. Das Spielerische ist ihm so wichtig wie mir.“ Unüberhörbar ist die Freude an einer neuen Art zu spielen zum Beispiel bei Wenzels CD Himmelfahrt aus dem vergangenen Jahr. Auslöser war ein Geschenk, das sich Wenzel zum Abschluss seiner letzten US-Konzertreise selbst gemacht hatte: eine alte Gibson-Gitarre. Und die dominiert das Album deutlich, auf Himmelfahrt rockt Wenzel wie nie zuvor.


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im Folker! 5/2006