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Folker! präsentiert:
Die Arlo-Guthrie-und-Wenzel-Tour

Ohne Spaß ist es nichts wert

Arlo Guthrie

Ein Interview über die Rückkehr des politischen Liedes, das Tourprojekt mit Wenzel, das Internet als Verbündeter der Gegenkultur und das neue Folkrevival

go! www.risingsonrecords.com
Discographie
(Auswahl)

(zu beziehen über Conträr Musik,
go! www.contraermusik.de):
Running Down the Road
(1969)
Washington County
(1970)
Hobo’s Lullaby
(1972)
Last Of The Brooklyn Cowboys
(1973)
Arlo Guthrie
(1974)
Alice’s Restaurant - The Massacre Revisited
(1996)
Mystic Journey
(1996)
Live In Sydney
(Doppel-CD; 2005)

Zwei Filme gelten als Symbole der Hippieära der späten 60er Jahre, die ihre Hauptdarsteller über Nacht zu Ikonen der Gegenkultur machten: Easy Rider mit Dennis Hopper und Peter Fonda und Alice’s Restaurant mit Arlo Guthrie. Der letztgenannte Film - von Regisseur Arthur Penn [u. a. auch Bonny und Clyde; Anm. d. Red.] -, der im Woodstock-Jahr 1969 in die Kinos kam und dessen zentraler Ort eine Kirche bildete, war aus einem Musiktitel gleichen Namens hervorgegangen, den Arlo Guthrie 1967 auf seinem Debütalbum veröffentlicht hatte: ein satirischer Blues im Sprechgesang von 18 Minuten Länge, der bis auf Platz 17 der amerikanischen LP-Charts vordrang und durch den Film zu einer der Hymnen der Zeitenwende wurde, ein stiller Protest gegen den Vietnamkrieg und die Vorurteile der amerikanischen Gesellschaft gegenüber der Hippiekultur. Der Film hatte seine Premiere am 20. August 1969. Nur ein paar Tage zuvor war Arlo Guthrie beim Woodstock-Festival vor einer halben Million junger Arlo Guthrie Menschen aufgetreten. Drei Jahre später glückte ihm mit dem Song „The City Of New Orleans“ ein weiterer Hitparadenerfolg.

Von Christoph Wagner

Arlo Guthrie, Sohn des berühmten Politsängers Woody Guthrie, wuchs in einer musikalischen Umgebung auf. Leadbelly, Pete Seeger und Cisco Houston gehörten zum Freundeskreis. Mit sechs Jahren fing Arlo mit dem Gitarrenspiel an, mit 17 trat er schon in den Folkcafés im New Yorker Greenwich Village auf. Das erste Folkrevival war voll im Gange. Mit dem Ende der Hippiezeit verschwand aber auch Arlo Guthrie vom Radar der Popszene, was nicht bedeutete, dass er nicht mehr musikalisch aktiv war. Im Gegenteil: Er war weiterhin zehn Monate im Jahr auf Tour und brachte in regelmäßigen Abständen neue Schallplatten heraus, die weiterhin politisch brisante Themen aufgriffen. In den 80er Jahren schließlich gründete Guthrie sein eigenes Label, Rising Son Records, wo seither alle sein Platten erschienen sind, in jüngster Zeit auch die einiger seiner Kinder, die musikalisch in seine Fußstapfen traten.

Nashville sings Woody

1991 erwarb er die Kirche aus dem Film und machte daraus eine interreligiöse Begegnungsstätte. Arlo Guthrie begreift sich auch heute noch als sozialverantwortlicher Künstler. So hat er erst letztes Jahr eine Aufsehen erregende Wohltätigkeitstournee absolviert, um der Musikszene in New Orleans nach den Verwüstungen durch Hurrikan Katrina wieder auf die Beine zu helfen. Entlang der Strecke des Zuges „The City of New Orleans“ trat die erweiterte Guthrie-Familie an mehreren Bahnstationen zwischen Chicago und New Orleans bei Benefizkonzerten auf, mit Unterstützung von befreundeten Musikern wie Cyril Neville von den Neville Brothers, der Country-Legende Willie Nelson und den Folk- und Bluessängern Ramsay Midwood, Ramblin’ Jack Elliott und Guy Davis. Eine vor einem Jahr anvisierte Zusammenarbeit mit dem Berliner Künstler Hans-Eckardt Wenzel wird im September mit einer gemeinsamen Tour Realität werden. Wenzel war vor drei Jahren mit der CD Ticky Tock - Wenzel singt Woody Guthrie hervorgetreten, für die er unveröffentlichte Texte von Woody Guthrie ins Deutsche übertragen und anschließend in Lieder gegossen hatte. Das Album wurde mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Beim Eröffnungskonzert der Tour am 1. September in Berlin wird sich zudem Billy Bragg dazu gesellen, der ebenfalls bereits Texte aus dem Nachlass Woody Guthries in einem gemeinsamen Projekt mit der Gruppe Wilco neu vertonte. Und in München gibt sich Konstantin Wecker als Gast die Ehre.

Eine gemeinsame Tournee mit dem Berliner Musiker Wenzel steht an. Wie kam das Projekt zustande?

Meine Schwester Nora, die das Woody-Guthrie-Archiv in New York leitet, fädelte das ein. Sie arbeitete zusammen mit Wenzel an einem Projekt, bei dem er Texte meines Vaters ins Deutsche übersetzte und daraus neue Lieder formte. Sie meinte, wir würden wunderbar zusammenpassen, woraufhin wir uns bei einem Konzert zu Ehren meines Vaters vor drei Jahren in Nashville Arlo Guthrie und Pete Seeger trafen. Dort wurde die Idee einer gemeinsamen Tour geboren.

Kanntest du Wenzels Musik? Was denkst du darüber?

Bis zu unserem Zusammentreffen in Nashville hatte ich noch nichts vom ihm gehört. Ich verlasse mich normalerweise auf das Urteil meiner Schwester, merkte aber sofort, als ich ihn traf, was für ein guter Musiker er ist. Ich dachte, es könnte interessant sein, mit jemandem zu kooperieren, dessen Musik ziemlich anders als meine eigene ist und der einen völlig anderen Background besitzt.

Wenzel singt normalerweise auf Deutsch, du auf Englisch. Wie werdet ihr das Programm gestalten? Werdet ihr auch Titel gemeinsam singen?

Das wissen wir im Moment noch nicht. Wir werden uns ein paar Tage davor treffen, zusammensitzen und uns kennen lernen. Dabei werden wir uns darüber verständigen, wie es ablaufen soll, wer was im Programm macht, und wo die Musiker auf der Bühne stehen werden. All diese Dinge müssen im Voraus geklärt werden. Ich bin mir sicher, dass es klappen wird. Ich bin in Deutschland schon viele Male aufgetreten und hatte immer ein tolles Publikum. Es wird also auf jeden Fall interessant werden. Es gibt Gemeinsamkeiten. Wir haben uns beide mit Texten meines Vaters beschäftigt Arlo Guthrie und daraus neue Songs geschaffen. Dieses Interesse verbindet uns. Dabei hilft, dass Musik eine Sprache ist, die man nicht übersetzen muss, die überall verstanden wird. Wir werden die Sache gelassen auf uns zukommen lassen und sehen, was dabei herauskommt.

Es gibt im Moment eine Renaissance des politischen Liedes, vor allem in Amerika. Neil Youngs neues Album gehört in die Sparte. Bruce Springsteen hat eine CD mit Songs aus dem Repertoire von Pete Seeger veröffentlicht. Und das ist nur die prominente Spitze eines Eisbergs. Wie beurteilst du die Situation?

Ich denke, dass die Zeit, die wir gerade - vor allem - in den USA durchleben, jedem, der so alt ist wie ich, sehr bekannt vorkommt. Manchmal habe ich das Gefühl, als ob man den Uhrzeiger einfach 40 Jahre zurückgedreht hätte. Deshalb ist es eine gute Zeit für Folksänger. Wenn die Regierung in den Händen von Extremisten ist und die Politik verrückt spielt, ist es Zeit für alle Bürger mit gesundem Menschenverstand, dagegen Stellung zu beziehen. Die meiste Musik, die mir in letzter Zeit gefallen hat, wurde von Leuten mit gesundem Menschenverstand gemacht. Es hat wenig mit politisch Links oder Rechts zu tun, sondern damit, dass es jedem normalen Menschen dämmert, dass es sich hier um Verrückte an der Macht handelt. Das bezieht sich nicht nur auf Amerika, auch im Nahen Osten scheint die Lage ähnlich zu sein. Deshalb ist es so wichtig, dass die normalen Bürger sich Gehör verschaffen. Das Revival des politischen Lieds gibt den normalen Leuten eine Stimme. Das machte Folkmusik schon immer: Sie war das Sprachrohr der einfachen Leute, drückte deren Sorgen und Nöte aus.


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im Folker! 5/2006