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Liebe Musikfreundinnen und -freunde, das Rudolstadt macht kurz vor der Eröffnung des TFF 2008 weiter Schlagzeilen. Nach den negativen Berichten über fremdenfeindliche Vorfälle im Frühjahr vermeldet die Pressestelle des Festivals dieses Mal - zumindest aus Sicht der Veranstalter - frohe Kunde: die Bundeskanzlerin übernimmt die Schirmherrschaft des diesjährigen TFF. „In Anerkennung des bemerkenswerten Engagements“, heißt es aus dem Kanzleramt zur Begründung. Wenn das der wahre Grund wäre, müsste man sich allerdings fragen, warum diese Erkenntnis den Verantwortlichen in Berlin erst jetzt gekommen ist, zu einem Zeitpunkt, wo das Festival mit Riesenschritten auf sein 20-jähriges Jubiläum zusteuert. Vermutlich ist es eher so, dass vor allem der diesjährige Länderschwerpunkt Israel vor dem Hintergrund des 60. Jahrestages der Staatsgründung Merkel bzw. ihre Ratgeber dazu bewogen hat, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Das hätte dann jedoch weniger mit dem Festival selbst als mit reinem politischen Kalkül zu tun. Was bedauerlich wäre. Fragen wird man Angela Merkel danach leider nicht können, da die Kanzlerin „aufgrund bereits längerfristig eingegangener Termine“ für einen persönlichen Besuch keine Zeit hat. Bleibt für die TFF-Macher nur zu hoffen, dass die Schirmherrschaft wenigstens mit einem dicken Scheck verbunden ist. Stichwort: Israel beim TFF. Nachdem wir Ihnen in Heft 2/2008 mit Yasmin Levy bereits eine prominente Künstlerin vorgestellt haben, die am ersten Juliwochenende im Rahmen des Länderschwerpunkts auftreten wird, zeigt Claudia Frenzel in ihrem Beitrag über weitere israelische Gäste auf, wie vielfältig die Musikszene in Israel ist. Und wie wenig sie mit gängigen Klischeevorstellungen gemein hat. In diesem Zusammenhang geht vor dem Hintergrund seines Besuchs beim jüdischen Musikfestival Jewish Culture in Krakau im vergangenen Jahr Matti Goldschmidt dem Phänomen nach, dass jüdische Kultur in weiten Bereichen von Nichtjuden für ein nichtjüdisches Publikum präsentiert wird. Wie schrieb Wolfgang Schramm in einem Leserbrief in Heft 2/2008 zu einem Editorial über den zunehmenden Qualitätsabbau bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern: „Also, Michael Kleff, nicht jammern, sondern hammern und berichten.“ Das habe ich mir zu Herzen genommen und - um das Positive in den Mittelpunkt zu stellen - Schramm, der Redakteur beim Freien Radio für Stuttgart ist, gleich gebeten, doch etwas über die Arbeit der Freien Radios zu schreiben. Seinen Bericht finden Sie im „Heimspiel“ dieser Ausgabe. Gleichzeitig gibt es schon wieder Anlass, über die ARD zu klagen. Im Mai kündigte der RBB die Einstellung von radiomultikulti zum Ende des Jahres an. Nicht nur bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stößt dieser Beschluss auf Betroffenheit. Bundesweit regt sich Protest, der im Internet unter www.multikultimussbleiben.de gebündelt wird. Vielleicht sollte man die Bundeskanzlerin bitten, auch die Schirmherrschaft dieses Portals zu übernehmen und ARD sowie ZDF daran zu erinnern, dass sie im Rahmen des Integrationsgipfels im vergangenen Jahr noch angekündigt hatten, zukünftig mehr für die Integration von Einwanderern zu tun. Da passt das Ende von multikulti so gar nicht ins Bild. Und die Begründung - Sparzwänge - klingt geradezu dürftig angesichts der Tatsache, dass laut Bericherstattung der taz bei einem Jahresetat von knapp 400 Millionen Euro radiomultikulti mit einem Honoraretat von 2,3 Millionen Euro und relativ wenigen Festangestellten die sparsamste Welle des RBB ist. Dass also ausgerechnet hier, wo nicht einmal ein Prozent des Gesamtetats verbraucht wird, der Rotstift angesetzt wird, muss einem erst einmal jemand erklären können. Diese Summe entspricht den Kosten für zwei Tatort -Produktionen. Die von mir in meinem Editorial in Heft 1/2008 beklagte Verschlechterung des Angebots in Sachen Folk, Lied und Weltmusik geht also mit Riesenschritten weiter. Ein Ende ist nicht abzusehen. Und mit diesem Thema befasst sich auch Folker! -Redaktionsbeiratsmitglied Jan Reichow. Unter der Überschrift „Die Federgeister in den Rundfunkanstalten“ geht er im „Gastspiel“ der Frage nach, wie die ARD mit dem Thema „Vielfalt“ umgeht. Beim Folker! ist Vielfalt jedenfalls auch weiterhin garantiert. Davon können Sie sich schon beim Blick in das Inhaltsverzeichnis der Ihnen vorliegenden neuen Ausgabe überzeugen. Herausgreifen möchte ich an dieser Stelle neben der Titelgeschichte über Hubert von Goiserns neue „Bootspartie“, diesmal den Rhein-Main-Donau-Kanal hinunter, zwei Beiträge. Beim diesjährigen STIMMEN-Festival in Lörrach tritt mit Leonard Cohen einer der ganz großen Meister unter den singenden Poeten auf. Ebenfalls auf Tour in Deutschland: Adam Green. Der US-amerikanische Sänger und Liederschreiber wurde von manchem Kritiker schon mit Cohen verglichen. Zu Recht? Eine mögliche Antwort finden sie in den Porträts der beiden Künstler von Michael Tiefensee und Christian Beck. Ein Wort in eigener Sache: Leider sieht sich Karl-Heinz Schmieding aus persönlichen Gründen gezwungen, die Redaktion der „Noten ohne Quoten“ wieder abzugeben. Er wird dem Folker! jedoch auch weiterhin als Rezensent erhalten bleiben. Übergangsweise hat Martin Steiner die Rubrik übernommen. Aber damit genug der Vorrede. Ich hoffe, Sie werden auch dieses Mal Interessantes und Vergnügliches im Folker! finden. Vielleicht sieht man/frau sich ja auch beim TFF in Rudolstadt! Ihr Folker!-Chefredakteur PS: Im vergangenen Heft habe ich an dieser Stelle zur Solidarität für den schwer erkrankten Utah Phillips aufgerufen. Am 23. Mai starb der Sänger, Dichter und Schriftsteller in seinem Haus in Nevada City, Kalifornien. Ken Hunt würdigt den engagierten Künstler im „Halbmast“. |