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LABELPORTRÄT
NR. 34

Mehr als ein Vierteljahrhundert Indie-Musikgeschichte

FRIEDO JOSCH UND EXIL MUSIK

Zur richtigen Zeit die richtigen Ideen am richtigen Ort

Friedo Josch
go! www.exil.de

Wer die Website von Exil besucht, muss sich als Erstes zwischen den Pfaden „Enter Dissidenten“ und „Go To Exil Musik“ entscheiden. Das hat seinen guten Grund, denn Exil Musik – Label, Verlag, Mailorder und gleichzeitig Marketing- und Promoagentur – ist aus dem Wunsch der 1981 gegründeten dreiköpfigen Ethnoband Dissidenten entstanden, die eigene Musik möglichst unabhängig und selbstbestimmt unter die Menschen zu bringen. Heute kümmert sich Exil Musik nach wie vor um die Produktion und Vermarktung der eigenen CDs, arbeitet aber hauptsächlich als deutscher Partner der Labels Putumayo World Music und Six Degrees. Hinter den Marketingaktivitäten und der Labelarbeit steckt vor allem Friedo Josch, der neben der internationalen Karriere mit den Dissidenten Exil Musik erfolgreich aufgebaut hat. Wie kommt ein Musiker dazu, sich so engagiert um die Vermarktung ausgewählter Kollegen zu kümmern?

Von Sabine Froese

„Da kam die Idee einer GmbH auf. Diese bürgerlichen Formen waren uns zunächst ein bisschen wesensfremd, aber dann haben wir gedacht, durch diese Rechtsform ist ja auch ein Schutz da, wenn man mal Mist baut.“

Angefangen hat alles in der Bundesrepublik der frühen Siebzigerjahre, als in der Folge der Achtundsechziger-Studentenproteste in vielen gesellschaftlichen Bereichen die Machtfrage gestellt wurde und kollektive Bewegungen neue unabhängige Strukturen schafften. Friedo Josch, Musiker und seit 1973 auch Manager der Jazzrockband Missus Beastly, hatte da bereits erste Erfahrungen mit der Musikindustrie gesammelt und kam schnell zu dem Schluss: „Das ist zwar am Anfang ganz lustig, wenn du ein bisschen Geld kriegst, aber dann versandet dein Projekt möglicherweise und du hast mit Leuten zu tun, mit denen du eigentlich nichts anfangen kannst.“ Es folgte die Freundschaft mit der Band Ton Steine Scherben, die ihre Musik von Anfang an auf eigenem Label herausgebracht und selbst verkauft hatte, mit Embryo, aus denen später die Dissidenten hervorgehen sollten, sowie anderen Kollegen. Mit Hilfe des Münchner Trikont-Verlags wurde schließlich am 1. April 1976 die Musikkooperative „April – Musik im Vertrieb der Musiker“ gegründet, das erste in der Bundesrepublik ausschließlich von Musikern betriebene und finanzierte unabhängige Label. Doch der Name war bereits an den kleinen, zur CBS gehörenden Musikverlag april music vergeben, und der Major drohte mit Klage – ein unkalkulierbares Risiko für das junge Projekt. So gab sich die Vertriebskooperative den garantiert noch nicht vergebenen Namen „Schneeball Records“, woraus 1983 der Independentvertrieb EFA („Energie für Alle“) entstand, von dem sich wiederum zehn Jahre später der Vertrieb Indigo abspaltete. Das System von Schneeball Records war einfach und der Name Programm: Da die Bands über das ganze Land verteilt wohnten, versorgte jeder die Läden in seinem Umkreis mit den Scheiben aller Beteiligten. Eine große Hilfe waren ausführliche Berichte in Medien wie Musikexpress oder Spiegel , die diese noch nie dagewesenen Aktivitäten und die aus der Szene ab 1976 organisierten Umsonst-und-draußen-Festivals wohlwollend begleiteten. Später dann stießen Nicht-Musiker zu diesem Netzwerk, und die Bands konnten sich von ihrer Vertretertätigkeit zurückziehen.

Es bestand also schon eine gut funktionierende Independentstruktur, als die Dissidenten 1981 mit ihrer ersten Kassette Exil 001 und 1982 mit ihrer ersten Schallplatte Germanistan an den Start gingen. 1983 entschieden sich Marlon Klein, Friedo Josch und Uve Müllrich, Exil Musik aus der Taufe zu heben: „Da kam die Idee einer GmbH auf. Diese bürgerlichen Formen waren uns zunächst ein bisschen wesensfremd, aber dann haben wir gedacht, durch diese Rechtsform ist ja auch ein Schutz da, wenn man mal Mist baut“, erzählt Friedo Josch. Gleich nach ihrer Gründung wurde EFA Vertriebspartner von Exil, 1993 dann Indigo.


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