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Wie Sender mit der Vielfalt umgehen – und wie sie zu sichern wäre

Die Federgeister in den Rundfunkanstalten

Die Kultur ist naturgemäß dem Wildwuchs an der Basis näher als dem Regelwerk der Direktion

Von Jan Reichow

Dr. Jan Reichow
Jan Reichow, Jahrgang 1940,
Violinist, Pädagoge, Musikethnologe,
Promotion über arabische Musik,
vierzig Jahre Rundfunkarbeit, seit
1965 bis 1995 zugleich Geiger im
Collegium Aureum, seit 2005
Lehrauftrag an der Folkwang-Hochschule
in Essen, zahlreiche Veröffentlichungen,
Vorträge, Sendungen. Mitglied des
Folker!-Redaktionsbeirats.
Web:go! www.janreichow.de.

Zuerst veröffentlich in:
Musikforum 2/08,
SCHOTT MUSIC GMBH und Co. KG,
go! www.musik-forum-online.de

Die Gefahr, dass Vielfalt verloren geht, ist selten offenkundig. Denn die Aktionen, die in den Medien zur Gefährdung der Vielfalt führen, werden ja zur Rettung des Ganzen erdacht und von entsprechend markigen Worten begleitet. „Kulturradio kann nicht weiterhin als Selbstverständigungsorgan für die bildungsbürgerliche Klientel betrachtet werden. Wir öffnen uns weiteren Hörerschichten!“ Wer widersprechen will („Wir sehen uns gar nicht als ein solches Selbstverständigungsorgan, wir richten uns an jede aufgeschlossene Hörerschicht.“), ist damit vollauf beschäftigt, und die defensive Haltung sieht bekanntlich nicht besonders dynamisch aus: Da will sich jemand nicht bewegen, will nicht begreifen, dass er allein steht, wenn die Generation der heute Sechzigjährigen wegstirbt ...

Von Vielfalt ist gar nicht die Rede (möglicherweise gehört sie zu einem speziellen Good-Will-Programm). Es gibt auch niemanden, der sagt: So, jetzt beseitigen wir mal die Vielfalt. Aber nicht ganz unbegründet ist der Verdacht, dass die von der Basis abgekoppelten Führungsetagen nie gewusst haben, worin Vielfalt besteht.

Dass diese z. B. an der Basis zu Hause ist, mit ihren Verbindungen zu zahllosen freien Mitarbeitern, Zuträgern, kleinen Institutionen, Literaturzirkeln, Musikklubs, weitgereisten Gästen, Ethnologen, Exilanten und Wanderern zwischen den Welten. Man zweifelt an der Existenz solcher „Schattenwelten“, vielleicht sogar an der Realität hautnah erlebter Kultur. Man ist misstrauisch gegenüber allen Tätigkeiten, deren Gravitationszentrum nicht im Büro oder im Studio liegt. Musiksendungen entstehen, indem jemand ein wenig im Computer stöbert oder mit einem Stapel CDs ins Funkhaus geht. Man schickt einen beruhigenden Werbeslogan in die Wellness-Welt hinaus: „Pure Entspannung durch klassische Musik!“


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in den Rundfunkanstalten
im Folker! 4/2008