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FOLKPUNK OHNE PUNK

Billy Bragg

BILLY BRAGG

ÜBER MR LOVE & JUSTICE , THE IMAGINED VILLAGE, DAS INTERNET UND DIE ZEIT IN DER DDR

Berlin ist eine spannende Stadt. Das sagen heute alle. Dass Billy Bragg viele spannende Tage in Berlin erlebte, ist Fakt. Im Westen wie im Osten war der einstige Folkpunk, dem ein wenig der Punk abhanden zu kommen scheint, immer wieder, spielte viele denkwürdige Konzerte und wurde nach einem gar aus der DDR geworfen. Aber dazu später mehr. Denn auch in der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit hat Berlin für Bragg viel zu bieten. Vergangenes Jahr zum Beispiel die Popkomm. Dort wurde er im Foyer von einer („sehr jungen“) TV-Reporterin gefragt, ob er Billy-Bragg-Fan sei. „Dafür bin ich zu alt“, habe er geantwortet. „ He sings beautyfully and has an enormous ... back catalogue. “ Der jungen Journalistin war es sehr peinlich, als Bragg ihr am Ende des kurzen Interviews seinen Pass zeigte. Als er am Abend beim Konzert davon erzählte, lachte der ganze Saal, bevor Bragg wieder zur Gitarre griff. Zur elektrischen, versteht sich.

Von Helge Buttkereit

Aktuelle CDs:
Mr Love & Justice
(Cooking Vinyl, 2008)
The Imagined Village
(mit The Imagined Village;
  Real World, 2007)

Billy Bragg unterwegs:
05.07.08: Rudolstadt, Heidecksburg solo
  (TFF) 15:30
05.07.08: Rudolstadt, Heidecksburg mit
  The Imagined Village (TFF) 24:00
28.09.08: Frankfurt/Main, Batschkapp Festival
29.09.08: Köln, E-Werk
03.10.08: Bochum, Century of Song Festival
  (mit Rosanne Cash, Joe Henry & Friends)
05.10.08: Bochum, Century of Song Festival
  (mit Rosanne Cash, Joe Henry & Friends)

Im Rahmen des TFF finden sich am 5.7.2008
um 18.00 Uhr Mitglieder von The Imagined
Village zum Gespräch mit Mike Kamp auf der
Folker!-Bühne im Schminkkasten ein.

go! www.billybragg.co.uk

Auf Braggs aktuellem Album dominieren hingegen die leiseren Töne. Das sei nur logisch, denn seine „polemische Energie“ habe er anderswo verbraucht. „2004, als Billy Bragg und George Wolter Zeit für ein neues Album war, schrieb ich ein Buch über Identitäten“, erklärt Bragg. Sein Buch sei die Antwort auf die Wahl rechter Politiker in seiner Heimatstadt Barking bei London. Nach der Veröffentlichung von Mr Love & Justice , der aktuellen CD, ist er wieder nach Berlin gekommen, um mit der Presse zu reden. Die Journalisten geben sich die Klinke in die Hand, denn Braggs Name hat in der Szene Klang – auch wenn der journalistische Nachwuchs dessen Träger nicht immer gleich erkennen mag. Bragg spricht über seine neuen Songs und immer wieder über die fehlende „polemische Energie“. Wegen ihr handeln die zwölf Songs eher von der Liebe als von Politik. „Aber es gibt auch Titel, die beides zum Thema haben. ,I Keep Faith‘ ist zum Beispiel vor allem ein politischer Song und ebenfalls ein Liebeslied“, so Bragg. Er ist sichtbar stolz auf sein neues Werk und auf „I Keep Faith“, den Opener mit dem wundervollen Backgroundgesang von Robert Wyatt. Wie kam es dazu?

„Solange es George Bush gibt,
gibt es einen Gegner.“

„Bei den Aufnahmen waren wir in Lincolnshire, der Region, in der Wyatt wohnt. Ich habe mir von unserer Köchin einen Rhabarberauflauf mit Streuseln gewünscht. Dafür brauchten wir frischen Rhabarber. Ich fuhr also in die Stadt, parkte, und da saß Robert Wyatt und rauchte eine Zigarre. Er lebt dort. Das wusste ich nicht. Ich hatte ihn seit den Achtzigern nicht mehr gesehen, das war ein Wiedersehen! Wir tranken Kaffee, unterhielten uns, und er gab mir Rhabarber. Er bekam ein Demo des Songs und ein paar Tage später kam er ins Studio und lieferte diesen wunderschönen Gesang ab.“

„I Keep Faith“ ist gleich zu Beginn zweifellos der Höhepunkt eines insgesamt durchschnittlichen Albums. Es geht um die Gewissheit der eigenen Stärke, den Glauben daran, dass etwas geändert und der allgegenwärtige Zynismus besiegt werden kann. Ihn hat Bragg als den Hauptfeind ausgemacht, gegen den es zu kämpfen gilt – „zuerst in uns selbst“. Die politische Schärfe, die Braggs Texte in den Achtzigern ausgemacht hat, fehlt dabei. In Zeiten von New Labour und Globalisierung ist die politische Landschaft wohl auch für Bragg unklarer geworden, auch wenn er das nicht zugibt.


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im Folker! 4/2008