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Dick Gaughan

Passion & Politics

Dick Gaughan wurde sechzig Jahre alt

Überzeugter Solist mit dem gelegentlichen Hang zu Kollaborationen, Sänger par excellence, gitarristisches Vorbild mindestens einer ganzen Generation, Bewahrer der Tradition und ihr eifriger Weiterentwickler, lebenslanger Sozialist und unverbesserlicher Nationalist – das alles und noch viel mehr ist Dick Gaughan. Anlässlich seines sechzigsten Geburtstags am 17. Mai dieses Jahres ist es Zeit für eine Bilanz. Oder doch eher eine persönliche Würdigung?

Von Mike Kamp

Auswahldiskografie:

Solo
No More Forever
(Trailer, 1972)
Gaughan
(Topic, 1978)
Handful Of Earth
(Topic, 1981)
Live In Edinburgh
(Celtic Music, 1985)
Sail On
(Greentrax, 1996)
Outlaws And Dreamers
(Greentrax, 2001)
Gaughan Live! At The Trades Club
(2008)

Boys of the Lough
The Boys Of The Lough
(Trailer, 1973)

Five Hand Reel:
Five Hand Reel
(Rubber, 1976)

Clan Alba
Clan Alba
(Clan Alba Productions, 1995)

Sonstige Projekte
Songs Of Ewan MacColl
(mit Dave Burland
  und Tony Capstick; Rubber, 1978)
Parallel Lines
(1982) (mit Andy Irvine;
  Folk Freak, 1982)
Fanfare For Tomorrow
(mit Ken Hyder;
  Impetus, 1985)

go! www.dickgaughan.co.uk

Seit sechzig Jahren fühlt er sich wohl zwischen diversen Stühlen: Er kommt aus Leith, dem 1920 eingemeindeten, heutigen nördlichen Stadtteil von Edinburgh, aber geboren wurde er in Glasgow. Er definiert sich eindeutig als Schotte, ist aber stolz auf seine irischen Wurzeln väterlicherseits. Er ist Künstler durch und durch, aber er ist auch ein Computerfreak allererster Güte, ein Webdesigner, seit es diese Tätigkeit gibt. Als Vorbilder bezeichnet er u. v. a. die beiden „Marx Brothers“ und meint damit die Gegensätze Karl und Groucho Marx. Dick Gaughan ist ebenfalls das, was man mit Fug und Recht als Folkikone bezeichnen kann (obwohl er selbst den Begriff wahrscheinlich strikt ablehnen würde), aber sein musikalischer Geschmack könnte Live at the Trades Club mit Rock, Free Jazz und Country nicht breiter sein. Country! Ein auch politisch – höflich formuliert – sehr konservatives Genre, dem der überzeugte Sozialist Gaughan nahe steht. Und als ich ihn 1997 anlässlich der ersten chaotischen Ausgabe dieser Zeitschrift interviewte, da ging es hauptsächlich um Politik, um schottische Politik. Auf meinen Einwurf, dass da doch eine Gefahr bestände, dass der Nationalismus („Schottlands Unabhängigkeit ist nicht aufzuhalten.“) auch Rassismus erzeugen könnte, meinte Gaughan einfach: „Diese Gefahr besteht ... Auf der anderen Seite haben wir in Schottland einfach keine rechte Geschichte. Wir waren schon immer ein links stehendes Land.“

Er lebt alle diese Gegensätze, er vereint sie, und er kann erklären, warum sie nur scheinbar sind. Dick Gaughans Welt ist eine radikale und ungewöhnliche. Er singt für und über „Outlaws And Dreamers“, wie eines seiner wunderbaren und in diesem Falle autobiografischen Lieder heißt. Seine musikalischen Hauptthemen sind Schottland, seine Menschen und der Sozialismus. Oder soziale Gerechtigkeit. Oder der generelle Kampf gegen jegliche Ungerechtigkeit. Früher etwas parolenhaft, heute eher in Parabeln. Er propagiert den schottischen Sozialismus, der sich für ihn aus der Geschichte seines Landes ableitet. Das Clansystem mag zwar den Stammesfürsten gehabt haben, aber zuvor gab es nur Gemeinbesitz [in Form eines Flächennutzungssystems namens run rig ; Anm. d. Autors ] und damit Solidarität.

Er liebt Schottland und daher hasst er alle und alles, was sein Land süß, klein und knuddelig, aber eben auch weniger ernstzunehmend macht. Klischees sind ihm zuwider und jedes Land, für das der Tourismus eine wichtige Einnahmenquelle ist, kennt davon jede Menge: Schottland z. B. das blühende Heidekraut, das Schottenkaro, die Mürbeteigplätzchen namens shortbread , während über allem Bonnie Prince Charlie schwebt – und dass der zumindest charakterlich so bonnie = „hübsch“ gar nicht war, ist mittlerweile in Schottland Allgemeinwissen. Alles das wird treffend und pointiert in „No Gods“ von Brian McNeill zusammengefasst, einem Lied, das Dick Gaughan besonders gerne und mit Inbrunst singt, auch auf der aktuellen CD .


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im Folker! 4/2008