Liebe Musikfreundinnen und -freunde,
die amerikanische Regierung ist dabei, ihre Vorstellungen für
eine neue Weltordnung unter ihrer Führung mit Gewalt durchzusetzen.
Außenpolitisch mit der völkerrechtswidrigen Invasion in den Irak,
innenpolitisch mit einer Welle von Maßnahmen, die zum Abbau der
Bürgerrechte führen. Willfährige Helfer sind an erster Stelle
die amerikanischen Massenmedien, deren Kriegsberichterstattung an Sportreportagen
erinnert und die sich in Patriotismus plattester Ausprägung gegenseitig
überbieten. Das Boulevardblatt New York Post veröffentlichte eine
Liste mit Künstlern, die sich gegen den Krieg aussprechen. Verbunden
mit der Aufforderung, deren Filme oder Platten zu boykottieren. In Leserbriefen
wird Tag für Tag kurzer Prozess mit Kritikern des Irak-Kriegs gemacht.
Bush soll die Vereinten Nationen aus dem Land hinauswerfen, und Peter Jennings,
einem Fernsehmoderator bei ABC-News, wurde empfohlen, in seine Heimat Kanada
zurückzukehren, weil er auch Kriegsgegner zu Wort kommen ließ.
Was das mit Musik und Kultur zu tun hat, fragen Sie? Eine ganze Menge. Ich
will Ihnen ein Beispiel schildern. Mitte März hatte Ani DiFranco einen
Auftritt im New Jersey Performing Arts Center. Eigner dieses Veranstaltungsorts
ist Clear Channel. Das wiederum ist eine nationale Network-Kette, der gut
1.200 Radiostationen in den USA gehören. Und Clear Channel hatte nach
dem 11. September eine Liste mit Musiktiteln veröffentlicht, die nicht
mehr gespielt werden sollten, darunter u.a. John Lennons "Imagine". Doch
zurück zu Ani DiFrancos Auftritt im NJPAC. Clear Channel schreibt jetzt
vor, dass bei öffentlichen Veranstaltungen keine politische Literatur
ausgelegt werden darf und keine politischen Äußerungen von der
Bühne herab erlaubt sind. Ani DiFranco stand kurz davor, ihr Konzert
abzusagen. Mit Rücksicht auf ihr Publikum tat sie es nicht und hielt
sich dann mit entsprechenden Kommentaren nicht zurück. Der Verstoß
gegen die "Hausordnung" von Clear Channel blieb ungestraft. Dieses Mal noch
... Eine neue McCarthy-Ära wirft ihre Schatten in den USA voraus. Diese
mehr als bedenklichen Entwicklungen haben die Redaktion veranlasst, in dieses
Heft gleich mehrere Beiträge aufzunehmen, die sich direkt oder indirekt
mit dem Thema befassen.
Nun ist es aber nicht so, als ob in der "Heimat" nur eitel Freude
herrschen würde. Schon die Neuigkeiten aus dem Funkhaus in Köln
gehört? Der WDR plant mal wieder eine Programmreform. Dieses Mal sind
WDR 3 und WDR 5 die Spielbälle der jungen smarten Leute in der
Führungsetage. Ab September wird es im größten deutschen
ARD-Sender keine Folkmusiksendungen mehr geben! Sie haben richtig gelesen:
es wird keine Folkmusiksendungen mehr im WDR geben. Und auch die "Matinee
der Liedersänger" soll begraben werden. Auf WDR 5, wo bislang die Matinee
und die Sendung "Musikwelten: Das Thema" ihr Zuhause hatten, heißt
die zukünftige Musikfarbe Jazz. Die Sendung "World 'n' Live Trends"
geht in die Verantwortung vom Funkhaus Europa. Seit Mitte der achtziger Jahre
beobachte ich die ständigen Programmreformen im WDR, die eine ständige
Abnahme von Folkmusiksendungen zur Folge hatten. In diesem Herbst steht nun
die endgültige Beerdigung dieses Genres auf der Tagesordnung. Man
könnte nun zynisch werden und sagen, dann bedarf es wenigstens keiner
Listen mehr mit Songs, die gespielt bzw. nicht mehr gespielt werden dürfen,
weil es ohnehin keinen Sendeplatz für Singer/Songwriter mehr gibt. Aber
Zynismus ist bekanntlich keine Haltung, die Kraft gibt. Stattdessen sollte
die "Gemeinde" lieber zum Stift greifen oder an den Computer gehen und den
WDR per Brief und per eMail wissen lassen, was man von den Plänen
hält. Und dann ist da ja auch noch PROFOLK ... hört mich da jemand?
Hier hätte der deutsche Interessenverband für Folk, Lied und Weltmusik
ein dankbares Betätigungsfeld. Die Festival-Saison 2003 geht auf ihren
sommerlichen Höhepunkt zu. Veranstalter und Besucher wären gut
beraten, bei den Konzerten Aktionen zu starten, die auf die Misere in der
deutschen Rundfunklandschaft hinweisen.
Damit entlasse ich Sie in die Lektüre einer neuen Ausgabe vom
Folker!.
Viel Vergnügen dabei wünscht
Ihr Folker!-CvD
Michael Kleff
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