backMusikerinnen und Musiker gegen den Krieg

Protestsongs made in USA

„Die USA sind keine wahre Demokratie.“

Déjà-vus sind angesagt. Wenn man die Bilder vom Irakkrieg über die des jüngst angelaufenen Films „The Quiet American“ (mit Michael Caine, Brendan Fraser, Do Hai Yen) legt, verlieren sich Zeit und Raum. Dan BernOb im Film in Vietnam in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts oder in den Fernsehnachrichten im Irak dieser Tage, eins wird deutlich: Wenn es wie damals gegen die „Commies“ oder wie heute gegen die „Achse des Bösen“ geht, dann ist der herrschenden Klasse in den USA jedes Mittel Recht, um ihre Interessen durchzusetzen. Internationales Recht und moralische Grundsätze spielen für den seiner Ansicht nach von Gott zur Rettung der Welt auserwählten amerikanischen Präsidenten keine Rolle. „We'll spit through the streets of the cities we wreck / And we'll find you a leader that you can elect / Those treaties we signed were a pain in the neck // We own half the world, oh say you can see / And the name for our profits is democracy / So like it or not you will habe to be free / 'Cause we're the cops of the world, boys, we're the cops of the world“, heißt es in dem Song „Cops Of The World“. Besser lässt sich die Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt gar nicht beschreiben. Heute wie gestern. 1966 hat Phil Ochs dieses Lied als Protest gegen die Vietnampolitik der USA geschrieben

Hörtipps:

Steve Earle: „Jerusalem“ (Artemis Records, 2002, go! www.artemisrecords.com)

Stephan Smith: „The Bell“ (Universal Hobo Records, 2003, go! www.synchronicrecords.com)

Dan Bern: „The Swastika E.P.“ (Cooking Vinyl, 2003)

Phil Ochs: „There But For Fortune“ (Elektra, 1989, Sampler mit „Cops Of The World“)

Buchtipp:

Danny Goldberg, Victor Goldberg, Robert Greenwald (Hrs.):

It's A Free Country – Personal Freedom In America After September 11. New York 2002, RDV Books/Akashic Books, go! www.akashicbooks.com (mit Beiträgen u.a. von Paul Simon, Ani DiFranco, Steve Earle, Michael Moore)

Von Michael Kleff

In „Ball Of Confusion (That's What The World Is Today)“, ihrem apokalyptischen Hit von 1970, sangen die Temptations gegen Krieg, Rassismus, steigende Arbeitslosigkeit und eine gleichgültige Regierung an. Genau 33 Jahre später hat auch dieser Song nichts von seiner Aktualität verloren. Geradezu erschütternd ist die Tatsache, dass dieser Song den traurigen Zustand der amerikanischen Nation treffender beschreibt als alles andere, was man derzeit auf MTV, in den Billboard-Charts oder im kommerziellen Radio hören kann.

Wo sind die neuen Protestsongs? Angesichts von Millionen Menschen, die – wenn auch vergeblich – gegen die Invasion des Irak auf die Straße gegangen sind, gibt es doch ein Publikum dafür. Und auch sonst bieten die gesellschaftlichen und sozialen Verhältnisse des Landes ausreichend Stoff für kreative und engagierte Singer/Songwriter. Haben doch Bush und seine Mitstreiter, allen voran Vize Cheney und Justizminister Ashcroft, auch in der „Heimat“ einen Kreuzzug gegen das Böse begonnen. Im Namen der Freiheit werden Bürgerrechte ebenso geopfert wie Umweltschutzregelungen, Arbeitsschutzbestimmungen und Maßnahmen gegen die Rassendiskriminierung. Ganz abgesehen von der katastrophalen wirtschaftlichen Lage, wo Konzernmanager abkassieren und die Arbeiter auf der Straße stehen – ohne Arbeitslosen- und Krankenversicherung versteht sich. Wie gesagt, reichlich Stoff für neue Lieder.

Unverblümte Gewaltandrohung von selbsternannten Patrioten

Doch weit gefehlt. Vielmehr wurde der Markt nach dem 11. September erst einmal von chauvinistischen und nationalistischen Tönen überschwemmt. „Wer sich mit den USA anlegt, dem wird es Leid tun. Sheryl CrowDem werden wir einen Tritt in den Hintern geben. Das ist die amerikanische Art.“ Mit unverblümter Gewaltandrohung bringen Musiker wie der Country-Star Toby Keith ihren Patriotismus zum Ausdruck. Und selbst Neil Young meinte in seinem wenige Monate nach den Terroranschlägen in den USA erschienenen Album „Are You Passionate“ vaterländischen Pflichten nachkommen zu müssen. „Let's roll for freedom / Let's roll for love / We're going after Satan / On the wings of a dove”, tönt der Musiker lauthals, der während der Proteste gegen den Vietnamkrieg mit seinen Kumpanen Crosby, Stills und Nash in „Ohio“ noch den von Mitgliedern der Nationalgarde an Studenten auf einem Universitäts-Campus begangenen Mord angeprangert hatte. Und Shania Twains „I'm Gonna Getcha Good“ plärrte aus den Lautsprechern, als das Pentagon Pläne veröffentlichte, wonach man sich auch einen nuklearen Präventivschlag gegen den Irak vorstellen könnte. Natürlich kann man sich kaum vorstellen, dass Twain eine Single veröffentlicht, auf der sie US-Präsident Bush als Kriegsverbrecher anprangert. Aber ein bisschen mehr Tiefgang aus dem Lager der bekannteren Pop-, Rock- und Rapstars hätte man schon erwarten können.

„No Boom Boom“

Zwar haben auch so unterschiedliche Künstler wie David Byrne, Dave Matthews, Lucinda Williams, Lou Reed und Missy Elliott Ende Februar den Aufruf von Musicians United to Win Without War (go! www.moveon.org) unterschrieben, doch neue Songs zu diesem Thema sind von diesen Künstlern noch nicht erschienen. Sheryl Crow trug bei der Grammy-Verleihung in New York ihren Protest still, Steve Earleaber deutlich sichtbar vor: mit einem großen Friedenszeichen um den Hals und den Worten „No War“ am Gitarrengurt. John Mellencamp hat mit „From Washington“ einen Antikriegssong für sein nächstes Album aufgenommen. Chuck D von Public Enemy verwandelte John Lee Hookers „Boom Boom“ in einen eindringlichen Song gegen den Krieg: „No Boom Boom“.

Allerdings dürften Songs wie diese – von wenigen Ausnahmen abgesehen – von den kommerziellen Radiostationen des Landes kaum gespielt werden. Dieser Markt ist fest im Griff von wenigen nationalen Networks. Marktführer Clear Channel, dem allein knapp 1.200 Stationen gehören, hat ja bereits direkt nach den Anschlägen im September 2001 per Rundschreiben deutlich gemacht, dass kritische Töne nicht erwünscht sind. Auf der „schwarzen Liste“ stand u.a. auch John Lennons „Imagine“.

Als Natalie Maines von den Dixie Chicks Mitte März bei einem Konzert in London sagte, sie „schäme“ sich, dass der Präsident aus ihrem Heimatstaat Texas komme, gab es nicht nur einen Sturm der Entrüstung unter den mehrheitlich, um es vorsichtig auszudrücken, konservativen Fans des Trios, sondern 15 von 148 bei Billboard gelisteten Country-Radiostationen spielten keine Dixie-Chicks-Songs mehr in ihren Sendungen. Bis sich Maines entschuldigte.

„Bush ist nicht Präsident“

Vor allem die usual suspects unter den amerikanischen Künstlern lassen sich jedoch nicht davon abhalten, mit ihren Songs kritische Fragen zu stellen. Auch wenn so etwas in den amerikanischen Mainstream-Medien nicht gerne gesehen wird. Davon kann selbst ein so bekannter Künstler wie Michael Franti von der Gruppe Spearhead ein Lied singen. Sein Song „Bomb Da World“ wurde aus einer Fernsehsendung gestrichen wegen der Zeile „You can bomb the world to pieces, but you can't bomb it into peace“.


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im Folker! 3/2003