Liebe Musikfreundinnen und -freunde,
auch ein Chef vom Dienst muss einmal Urlaub machen. Eine Woche Paris
habe ich hinter mir. Wobei mir der Sinn nach drei Tagen Tanz&Folkfest
Rudolstadt weniger nach Musik stand. Das Angebot war ohnehin eher mager.
Der eine oder andere Weltmusik-Act stand auf dem Programm. Der amerikanische
Countrymusiker Guy Clark gab sich die Ehre, und Sängerin und Choreographin
Meredith Monk aus Brooklyn erhob im Park eines Kulturzentrums ihre Stimme.
Ihr Konzert war wahrlich ein Genuss, der meinen (erfolglosen) Versuch
bestätigte, sie vor einigen Jahren für das Stimmen-Magie-Konzert
in Rudolstadt vorzuschlagen. Kultureller Höhepunkt war neben gutem Essen
und Trinken ein Besuch im Erik-Satie-Museum in dem französischen
Küstenstädtchen Honfleur. Eine absolute Empfehlung für
Satie-Begeisterte.
Nun ist der Alltag wieder eingekehrt. Es heißt, Post aufzuarbeiten.
So fand sich unter den Briefen ein Fragebogen des Westdeutschen Rundfunks
in Köln. Unter dem Kennwort "Musikpublikationen" will die Abteilung
Öffentlichkeitsarbeit beispielsweise wissen, welche Musikrichtungen
man denn so bevorzugt. Sie ahnen es schon, zwar ist "Weltmusik" ein Stichwort,
dass man ankreuzen kann, doch "Folk" und "Lied" sind im Vokabular des WDR
offensichtlich nicht bekannt. Ob die für diese Bereiche zuständige
Abteilung "Musikwelten" den Fragebogen vor dem Druck wohl zur Kenntnis bekommen
hat? Die Kolleginnen und Kollegen von PROFOLK sind hier einmal mehr aufgerufen,
tätig zu werden.
Ich hätte noch ein anderes Betätigungsfeld für den
deutschen Interessenverband für Folk, Lied und Weltmusik anzubieten.
Wie wäre es, eine Kampagne für einen Besuchsboykott der USA ins
Leben zu rufen? Was sich Washington derzeit bei der Bearbeitung von
Visa-Anträgen von Musikern leistet, die im Land der Hüter der
Demokratie auftreten wollen, ist mittlerweile unerträglich geworden.
Es war schon vor den Ereignissen vom 11. September kaum nachvollziehbar,
dass eine von Kultur unbeleckte Behörde wie der Immigration and
Naturalization Service (INS) darüber zu entscheiden hat, ob ein
Künstler eine ausreichende Bekanntheit vorweisen kann, um eine Einreise-
und Arbeitserlaubnis zu erhalten. Mitte Juli verpasste der in Paris lebende
serbische Pianist Aleksander Serdar einen Auftritt beim berühmten Carmel
Bach Festival in Kalifornien. Begründung der sein Arbeitsvisum verweigernden
Behörde: Serdar habe seine internationale Bedeutung in der Musikwelt
nicht belegen können. Wenig Glück hatte auch die britische Rockband
Cousteau. Als die Musiker zum Auftritt in Joe's Pub in New York erschienen,
fehlte Songwriter, Keyboarder und Trompeter Davey Ray Moor. Der Grund: Er
ist in Beirut geboren. Weitere Beispiele belegen die völlig absurde
Praxis der amerikanischen Einwanderungsbehörde. So haben vor allem
kubanische Künstler derzeit Schwierigkeiten, in den USA aufzutreten.
Schließlich hat Bush Kuba auf die Liste der Länder gesetzt, die
sich dem von Washington diktierten Kampf gegen den Terrorismus entziehen.
Traurig ist allerdings auch die Reaktion der Musikwelt auf die zunehmenden
Repressionen der US-Regierung. In vielen Kommentaren werden die Maßnahmen
zwar als "absurd" kritisiert, ansonsten reichen die Vorschläge jedoch
nur von dem Hinweis, Briefe an Abgeordnete zu schreiben, über den, die
INS-Direktiven penibel zu beachten, bis hin zur Aufforderung, dafür
zu beten, dass man durch diese Zeit des Wahnsinns hindurchkommt. Von politischen
Aktivitäten ist bislang kaum etwas zu hören. Daher meine Idee,
das Problem vielleicht einmal von außerhalb der USA anzupacken.
Bevor ich Sie jetzt in die Lektüre der neuen Ausgabe unserer
Zeitschrift entlasse, will ich noch kurz vom Folker!-Empfang beim
Tanz&Folkfest Rudolstadt berichten. Verleger und Herausgeber nutzten
die Tatsache, dass die Zeitschrift mittlerweile im fünften Jahrgang
erscheint, um darauf mit Musikern, Promotern, Journalisten und Labelvertretern
im gemütlichen Schminkkasten anzustoßen. Das Ereignis war ein
voller Erfolg. Als Gast konnte auch Sängerin Cara Dillon begrüßt
werden, die das letzte Folker!-Titelblatt zierte. Bürgermeister Hartmut
Franz und Kulturdezernentin Petra Rottschalk ließen es sich ebenfalls
nicht nehmen, zum "Jubiläum" persönlich zu gratulieren.
In diesem Sinne wünscht viel Spaß beim Lesen
Ihr CvD
Michael Kleff
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