backIm Osten was Neues

Lagash

Neue irakische Musik aus Mesopotamien

Die Gruppe Lagash hat sich erst um die Jahreswende 2001/2 gegründet, ihr musikalisches Konzept ist so spannend, dass es Aufmerksamkeit verdient. Die Musiker von Lagash stammen mit einer Ausnahme aus dem Irak, wo sie alle an der Bagdader Musikakademie der Universität studiert haben. Sie haben sich im deutschen Exil zusammengefunden und mit dem indischen Perkussionisten Arup Sen Gupta eine Formation jenseits aller Klischees von Ostwest-Begegnung gegründet. Die Musik von Lagash baut auf der klassischen irakischen Maqam-Musik auf, bricht diese Traditionen jedoch auf und integriert westliche Musikelemente. Mit diesem Konzept betritt sie musikalisches Neuland.

Karin Pütt und Wolfgang Hamm haben sich für den Folker! mit dem Pianisten und musikalischen Kopf von Lagash, Saad Thamir, über die traditionelle irakische Musik, ihre Begrenztheit und die Rolle der Künstler in der Gesellschaft des Irak unterhalten.

Von Karin Pütt und Wolfgang Hamm

Wie kommt es, dass die Musiker von Lagash in Deutschland und nicht im Irak leben und Musik machen?

Jeder von uns hat natürlich seine privaten Gründe. Dennoch gibt es gemeinsame politische Gründe, die für uns alle so gravierend waren, dass wir uns entschlossen, den Irak zu verlassen. Diese setzen bereits unterhalb der Schwelle politischer Freiheit ein, die im Irak sowieso nicht vorhanden ist. Als Künstler oder Musiker Lagashhaben wir das Bedürfnis, uns zu artikulieren. Da der Staat jedoch das gesamte kulturelle Leben beherrscht, ist es unmöglich, sich in eine Nische zurückziehen. Sobald man öffentlich auftreten möchte, muss man sich bereit finden zur Propaganda für das Regime Saddam Husseins, eines der menschenverachtendsten Systeme der Welt. Die Künstler werden vom Staat funktionalisert, um so Einfluss auf die breite Bevölkerung zu nehmen. Dazu waren und sind wir nicht bereit.

Welche Rolle spielt heute die Musik im Irak?

Obwohl sich das arabische - und natürlich auch das irakische - Publikum durch Gesang zu großer Emotionaliät hinreißen lässt, respektiert es seine Musiker nicht wirklich. Nach wie vor haftet ihnen etwas Zwiespältiges an. Das Volk deckt und beschützt die Künstler nicht, betrachtet sie nicht als "seine" Künstler. Wäre es so, könnten die Künstler nicht von den Herrschenden vereinnahmt werden. Traditionell sind Künstler eher den Mächtigen verpflichtet, und erst wenn sie von diesen bestätigt werden, akzeptiert sie auch das breite Publikum. Musiker, die sich der Anbiederung verweigern, finden keine Zuhörer. Die, die versuchen, ehrlich zu sein und ihren eigenen Weg zu verfolgen, ernten Ignoranz, Verfolgung oder Verbannung. Es gibt keinerlei freie Medien im Irak, alles ist staatlich kontrolliert: Fernsehen, Radio, Printmedien, öffentliche Räume.

Was willst du mit deiner Musik ausdrücken?

Die gegenwärtig verbreitete Musik im Irak ist die im gesamten arabischen Raum übliche populäre Musik - eine eher oberflächliche, kitschige und billige Musik. Vor allem ist sie beliebig. Diese Musik drückt nicht die Wirklichkeit des Irak aus. Ich will dem etwas "Wahres" entgegensetzen und bin deshalb zu den Wurzeln unserer Musik zurückgekehrt, zum Maqam. Da die Maqam-Musik jedoch Jahrhunderte alt ist und sich kaum weiterentwickelt hat, ist sie zu einer erstarrten Form geworden. Sie drückt nicht den Geist der heutigen Zeit aus. Deshalb nehme ich den Maqam als Ausgangsmaterial, als Basis, auf der ich Neues entwickle. Ich sehe den Maqam als ein stehen gebliebenes Rad, das ich anschiebe und zum Laufen bringe. Mein Ziel ist es, eine Musik zu schaffen, die speziell irakisch klingt und sich vom arabischen Einheitsbrei absetzt.


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Mehr über Lagash
im Folker! 5/2002