backPhilosoph, Rebell und Poet

Gilberto Gil

Brasilianische Ikone auf den Spuren Bob Marleys

Eine Ikone setzt einer anderen Ikone ein Denkmal. Der brasilianische Sänger, Musiker, Komponist und Grammy-Preisträger Gilberto Gil präsentiert mit seinem neuesten Album "Kaya N'Gan Daya" seine ganz persönliche Hommage an den King des Reggae Bob Marley.

go! www.gilbertogil.com.br
Discographie
(Auswahl):

"Realce" (LP WEA, 1979)
"Um Banda Um" (WEA, 1982)
"Extra" (WEA, 1983)
"Raça Humana" (WEA, 1984)
"Dia Dorim Noite Neon" (WEA, 1985)
"Parabolicamará" (WEA, 1992)
"Tropicália" (Polygram, 1993)
"Quanta" (WEA, 1997)
"Quanta gente veio ver" (WEA, 1998)
"O sol de Oslo" (Pau Brasil, 1998)
"Gilberto Gil e as canções de Eu,tu,eles" (WEA, 2000)
"Gil & Milton" (WEA, 2000)
"São João Vivo" (WEA, 2001)
"Kaya N'Gan Daya" (WEA, 2002)

"Reggae, das ist doch längst ausgetretenes Terrain" oder "Das ist nicht Gil, sondern Marley", rümpfte mancher Kritiker nach dem Erscheinen des mittlerweile 67 (!) Albums die Nase. Aber wer Gil kennt, der weiß, dass er ein Meister der Adaption ist und dass brasilianische Klänge bei jedem Werk mit von der Partie sind. Selbst wenn bei diesem Album fast alle Stücke aus Marleys Feder stammen, selbst wenn Gil die Lieder fast alle auf Englisch singt: Gil bleibt doch immer Gil und ist einfach unverwechselbar.

Von Suzanne Cords

Die Wiege des Poeten und Barden steht in Salvador, der Hauptstadt des Bundesstaates Bahia im Nordosten Brasiliens und dem musikalischen Herzen des südamerikanischen Gilberto GilLandes. Hier haben sich afrikanische Kultgesänge für die Orishas, die Götter, mit europäischen Klängen vermischt und ein ganz neues musikalisches Universum erschlossen. Hier wurde die Samba zum Leben erweckt und der Forró, ein vom Akkordeon dominierter Stil aus irisch-schottischen Folkelementen, portugiesischem Fado und brasilianischer Lebensfreude erfunden. Hier tanzt man Afroxé, Baião und Xote, hier ist die Trommel ein Gott.

Und hier, in seiner musikalischen Heimat , versuchte sich Gilberto Gil schon als Dreijähriger an der Trommel. Mit zehn spielte er Trompete und Akkordeon, bis er als Teenager dem Bossa Nova des unvergessenen Samba-Komponisten João Gilberto verfiel und dessen Instrument, die violão, die Gitarre, auch zu seiner Wegbegleiterin erkor. Doch der Bossa Nova war nicht die einzige Inspiration, die das Jungtalent in seine Songs einfließen ließ. Jazzlegende Miles Davis und Baião-König Luiz Gonzaga hinterließen ebenso tiefe Spuren auf dem Weg des Vollblutmusikers.

Meister der Verführung

Immer offen für neue Wege kreierte Gilberto Gil in den 60er Jahren zusammen mit seinem Freund Caetano Veloso eine neue Musikrichtung, den Tropicalismo, um die starren Traditionen brasilianischer Musik aufzulockern. Alle Spielarten brasilianischer populärer Musik bildeten plötzlich eine Symbiose mit E-Gitarre und Rockmusik. Ein einzigartiges Stilgemisch mit ein paar Spritzern Salsa, Jazz und Reggae: Der musikalische Cocktail war perfekt. Und danach war nichts mehr wie zuvor. Alle paar Jahre erfand Gilberto Gil seine Musik neu. Er flirtete mit Discomusik, Rap, Jazz und Pop, arbeitete mit den unterschiedlichsten Musikern, u.a. mit Stevie Wonder, Sting, Elton John, Fela Kuti, Jimmy Cliff oder Ernie Watts, reiste rund um den Erdball und spielte auf allen Top Jazz und World Festivals von Los Angeles über Montreux bis Lagos in Nigeria. Immer im Gepäck hat er seine außergewöhnliche, helle Stimme, die er virtuos in ihrer ganzen Bandbreite ausschöpft. Gilberto singt mit dem Herzen, mit fast erotischer Hingabe und Gilberto Gilbeneidenswerter Leichtigkeit. Man spürt, wie sehr er das Leben liebt, und vielleicht ist er deswegen ein Meister der Verführung, dem die Fans seit über 30 Jahren zu Füßen liegen.

Meilensteine für die brasilianische Musik

Auch wenn die Perkussionseskapaden von Olodum oder die elektronischen Spielweisen der Rockband Paralamas do Sucesso weit entfernt scheinen von Gils musikalischer Poesie, ohne seinen Einfluss wären sie undenkbar. Gilberto Gil setzte Meilensteine, auf denen heute die junge brasilianische Musikergeneration aufbaut. Und der Meister lehnt sich entspannt zurück und erklärt, warum er sein neuestes Album "Kaya N'Gan Daya" dem 1981 an Krebs verstorbenen Bob Marley gewidmet hat und sich dabei sehr am Stil der alten Wailers-Aufnahmen orientiert: "Ich hatte das schon viele Jahre vor. Ich mag Bob sehr, seine Arbeit ist wirklich ungewöhnlich und originell. Er hat eine ganze neue Stilrichtung erschaffen. Sein Name verdient einen Platz unter den ganz Großen. So wie wir alle die Musik Gershwins, Kurt Weills oder Tom Jobims anerkennen und schätzen, sollten auch Bob Marleys Lieder zum weltweiten Repertoire gehören. Genau darum habe ich diese CD gemacht."

Kennengelernt hat Gilberto Gil den Reggae in den 70er Jahren in London, wohin er vor den brasilianischen Militärs ins Exil geflohen war. Und er war auf Anhieb ein Fan: "Der Klang, der Rhythmus, der Dialog zwischen Bass und Schlagzeug, die Gitarre im Mittelpunkt als wäre sie ein Percussionsinstrument, seine außergewöhnliche Gilberto GilStimme, das Aufgreifen afrikanischer Stammesgesänge: Das alles fasziniert mich bis heute ungemein", betont der Brasilianer. "Natürlich hat Bob Marley auch sehr aggressive Texte verfasst, er war ein Rebell und Poet zugleich. Seine Botschaft war unmissverständlich. Die internationale Kritik hat deshalb auch immer den kämpferischen Aspekt in den Vordergrund gestellt, die Tatsache also, dass er mit seiner Musik soziale und politische Veränderungen anstrebte. Für mich als Musiker ist das etwas anders. Natürlich sind alle diese Aussagen wichtig, aber ich habe seine Stücke nach einem anderen Kriterium ausgewählt: wie sehr sie musikalisch mein Herz berühren."


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im Folker! 5/2002