backBéla Bartók trifft Zigeunertechno

The Transsylvanians

Sechs Jahre feuriges Musikgulasch aus Berlin

Mit klassischem Folk kann man weite Teile der Jugend nicht hinterm Ofen vorlocken, mit dem der Transsylvanians schon. Im Frühjahr feierte das ungarisch-deutsche Speedfolk-Gespann aus Berlin seinen sechsten Geburtstag, und im Sommer ist ihre lang erwartete erste Live-CD erschienen.

Mit ihrem feurigen Gulasch aus Folkpunk, ungarischen Volksweisen und neuerdings auch einer Prise Rap hat sich die Band längst in die Herzen der Fans gespielt – und das weit über die Grenzen Berlins hinaus.

Von Claudia Frenzel

Discographie
„Öröm“ (Megaphon, 1998)
„Jó“ (Megaphon, 1999)
„Denevér“ (Megaphon, 2000)
„Live in Berlin” (Megaphon, 2002)
Kontakt:
Michael Felsch, Tel/ Fax: 030/44 05 19 67
go! www.transsylvanians.de
E-Mail transsylvanians@onlinehome.de
The Transsylvanians unterwegs:
07.09.02 Perleberg, Festival
02.11.02 Dresden, Festung Königstein Halloween Party

Das Patentrezept der Berliner liegt in der Mischung klassischer ungarischer Musik von Béla Bartók mit Volksliedern, Zigeunerweisen und peitschender Tanzmusik sowie ungarischem Rap und rasender Violine. Angefangen hat alles schon weit vor 1996, dem Jahr, als sich die Band gründete. Sängerin und Kontrabassistin Szilvana und Geiger András Tiborcz, der einigen vielleicht noch als Bassist der Russian-Speedfolk-Band Apparatschik bekannt ist, machen inzwischen seit dreizehn Jahren zusammen Musik. Vor den Transsylvanians gab es bereits zwei andere gemeinsame Bandprojekte. Bei Gyufa, was im Ungarischen so viel wie Streichhölzer heißt, spielten ausschließlich Streicher zusammen. Danach trafen András und Szilvana sich in der Band Csillagok (ungar.: Sterne) wieder. Anfangs spielten die Transsylvanians Straßen- und Zigeunermusik, entwickelten sich aber allmählich in Richtung Speedfolk-Band mit stetig wachsender Fan- und Musikergemeinde. „Ich hab' vergessen, wie viele es waren, aber es waren irre viele ... so an die zwanzig“, versucht Szilvana sich an die Musiker zu erinnern, die inzwischen bei den Transsylvanians gespielt haben.

Nach einigen personellen Veränderungen in den vergangenen Jahren gehören heute neben Szilvana und András zwei weitere Musiker zur festen Besetzung – Hendrik Maass an der Gitarre und Tomás Leisner am Schlagzeug. Daneben gab es mit Sina Schein am Akkordeon zwischenzeitlich eine weitere „transsylvanische“ Schönheit in der Band. Sie hat den Hungarian Speedfolkies allerdings vor mehr als einem Jahr den Rücken gewandt. Sina hatte einst die Nachfolge von Alexandra Dimitroff angetreten. Alexandra stieg aus, als sie die Transsylvanians und ihr eigenes Bandprojekt Di Grine Kuzine, das inzwischen fast genauso bekannt ist, nicht mehr unter einen Hut brachte. „Bei Sina war es wohl der Altersunterschied“, sagt Szilvana in der Rückbetrachtung. „Sie war einfach noch zu jung: Sie wollte sich noch nicht so festlegen, sondern erst einmal verschiedene Sachen ausprobieren.“ In der Zwischenzeit griff man bei Konzerten immer wieder auf die Niederländerin Sanne Moerecke am Akkordeon zurück, aber auch sie stand der Band nur kurze Zeit zur Seite.

Bühnenpräsenz für Ohren und Augen

Wer die Band bereits vor einigen Jahren, wie beim Tanz&Folkfest in Rudolstadt, erlebt hat, dem dürfte sie wohl noch als Sextett in Erinnerung sein. Neben einer festen Akkordeonistin ist auch der zweite Geiger, Andrej Soudnitsyn, inzwischen nicht mehr dabei. Zu viele andere Projekte hielten ihn von regelmäßigen Proben mit den Transsylvanians ab. Gelegentlich steht er András, Szilvana, Hendrik und Tomás aber für gemeinsame Aufnahmen zur Verfügung, wie etwa beim letzten Studio-Album „Denevér“, das vor zwei Jahren erschienen ist. Szilvana findet es spannend, wenn sich Gelegenheiten bieten, der vierköpfigen Band Gastmusiker an die Seite zu stellen. Und während der letzten zwei Jahre machte die Band ausgiebig von dieser Vorliebe Gebrauch. So konnte man für eine Vielzahl von Konzerten den Bruder von András, Denès Tiborcz, am Saxophon sowie den Griechen Antonis Aniseggos am Keyboard gewinnen. Als Dauergast am Akkordeon verdingt sich seit geraumer Zeit Christian Gerber bei dem Quartett. Szilvana: „Es macht einfach Spaß, mit anderen etwas auszuprobieren. Das gibt der Band immer wieder neue musikalische Ideen“.


THE TRANSSYLVANIANS - Live in BerlinTHE TRANSSYLVANIANS
Live in Berlin

(Megaphon 758.0072.2)
15 Tracks, 78:07; mit Texten und kurzen Erläuterungen

Endlich, das Transsylvanians-Konzert für zu Hause. Fast 80 Minuten, die man getrost und zur Freude der Nachbarn (Live-Alben eignen sich ganz schlecht zum Hören bei Zimmerlaustärke!) durch die Wohnung tanzend verbringen kann. Auf „Live in Berlin“, das Ende Juni erschienen ist, tummelt sich die feste Quartett-Besetzung der Transsylvanians um Sängerin und Kontrabassistin Szilvana mit den beiden festen Gastmusikern, Dénes Tiborcz und Antonis Anissegos, die seit mehr als einem Jahr live dabei sind. So hört man endlich auch mal ein jazzy Piano sowie Saxophon und Flöte zur groovenden Geige, dem peitschenden Schlagzeug, der Gitarre und dem markanten Kontrabass.

Aufgenommen wurden die Titel im vergangenen Jahr quasi im Heimspiel in Berlin. Im Pfefferberg, der Wabe und der Zitadelle Spandau, die über die Jahre zu festen Spielstätten der Transsylvanians wurden, fanden die Aufnahmen statt. Los geht es mit „Szerelem“, einem recht sanften Opener, der nicht erahnen lässt, dass danach nicht mehr an eine Verschnaufpause (auch nicht für die Nachbarn) zu denken ist. Denn von „A Barátok“, einem sehr groovendem und mittelalterlich anmutendem neuen Titel, dauert die Party bis „Fani“. Letzterer ist der Titel, den inzwischen alle Fans, ob des Ungarischen mächtig oder nicht, tapfer mitzusingen versuchen, was man auf der CD wunderbar hören kann. Natürlich fehlen dazwischen die Transsylvanians-Hits „Kenderesi“ oder „Várja a babáját“ ebensowenig wie „Öröme“, „Zsi te Hara“ oder „Evening In Transsylvania“, der mit seinem Piano-Intro und dem Zusatz der Flöte besonders klasse interpretiert wurde. Wer bis zu dieser CD noch nie bei einem Konzert der Berliner war, der geht nach dieser CD sicher zum nächstmöglichen Termin hin, denn Spielfreude der Musiker und Tanzwut der Fans sind dieser Scheibe deutlich anzumerken, und man ist fast versucht, die Studioalben erst mal weiter nach hinten ins Regal zu schieben.

cf

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