backVolksmusik aufgegessen und ausgesondert

Attwenger

Das Linzer Duo ist heute eine Klasse für sich

Für viele ist der Name nach wie vor ein Rätsel. Attwenger – dass kann englisch sein, norwegisch oder letzeburgisch. „Dieser Bandname hat keine Bedeutung und das gefällt mir“, sagt Markus Binder, der zusammen mit Hans-Peter Falkner das österreichische Duo Attwenger bildet. Ihr neuestes Album heißt „Sun“, so nennt man in Oberösterreich die Sonne, und in England auch, so ein Zufall.

Von Christian Rath

go! www.attwenger.at
Discographie
„Most“ (Trikont, 1991)
„Pflug“ (Trikont, 1992)
„Luft“ (Trikont, 1993)
„Song“ (Trikont, 1997)
„Sun“ (Trikont, 2002)
Attwenger unterwegs:
Trümmer-Booking,
Tel: 0 44 21/99 65 73
01.09.02 A-Wien, Volksstimmefest
13.09.02 A-Hohenems, Transmitter
03.10.02 A-Amstetten, Johann-Pölz-Halle
09.10.02 München, Feierwerk
10.10.02 Schorndorf, Manufaktur
11.10.02 Heidelberg, Karlstorbahnhof
16.10.02 Düsseldorf, Zakk
17.10.02 Hamburg, Westwerk
18.10.02 Dortmund, fzw
19.10.02 Karlsruhe, Jubez
23.10.02 Regensburg, Alte Mälzerei
24.10.02 Wiesbaden, Alter Schlachthof

Attwenger, das ist ein Projekt in ständiger Veränderung. Immer lässig, immer durchdacht, manchmal verschwitzt. Markus Binder spielt Schlagzeug, Hans-Peter Falkner Knopf-Akkordeon, beide singen und nutzen auch moderne Elektronik. Sie begeistern das Feuilleton ebenso wie 20-Jährige in Partylaune. Als Punks der österreichischen Volksmusik wurden sie bekannt und sind heute eine Klasse für sich. Niemand macht Attwenger-Musik so konsequent wie Attwenger.

Die Anfänge vor dem Beginn

Angefangen hat alles in Linz, wo sich Binder und Falkner 1989 kennen lernten. Markus Binder, damals 26, war schon einige Jahre in der Kulturszene der österreichischen Großstadt aktiv, sang und spielte Gitarre in Dialekt-Pop-Bands wie Hermann Wurzer oder Moderne Bräuche. Für einen Sampler hatte er in Eigenregie das Lied „I bin so lästig“ aufgenommen, das auch dem österreichischen Fernsehen gefiel. Doch für den geplanten TV-Einsatz musste eine Kapelle her. Einer der Musiker war Hans-Peter Falkner, damals 22.

Die fünfköpfige Band blieb zusammen und nannte sich Urfahrer Durchbruch, nach dem Linzer Stadtteil Urfahr. Zusammen mit zwei Geigern und einer Gitarristin spielten Falkner und Binder damals österreichische Volksmusik, „relativ unironisch, soweit sich das überhaupt machen lässt“, erinnert sich Binder. Sein damaliges Instrument war die „Bassgeige“, also der Kontrabass.

Parallel dazu fingen Binder und Falkner auch mit ersten Duo-Auftritten an. Man nannte sich die Goaß (die Geiß). Falkner spielte Akkordeon, Binder die Bassgeige und inzwischen manchmal auch Tuba. Vor allem Hans-Peter Falkner verfügte über ein umfangreiches Repertoire an Ländlern im 3/4-Takt und schnellen 2/4-Polkas. Schließlich war er in einer Linzer (Hobby-)Musikanten-Familie aufgewachsen. Vom Opa hatte er die Liebe zur diatonischen Harmonika. Und die Eltern begleitete er gelegentlich bei deren Auftritten mit Volksmusik und 50er-Jahre-Schlagern.

Der erste Auftritt als Attwenger fand dann im April 1990 in der Wiener Arena statt, einem selbstverwalteten Kulturzentrum. Der experimentierfreudige Binder packte diesmal ein Schlagzeug ein, das er mal geschenkt bekommen hatte. Auf der Fahrt schlug er außerdem vor, sich diesmal nicht die Goaß zu nennen, sondern Attwenger, nach dem „Attwenger Tischler“ aus einem Volkslied.

Der erste Auftritt, die ersten CDs

Nachts um drei waren sie schließlich dran, als letzte eines langen Programms. Im Publikum waren noch rund 15 Leute, eine englische Rockband baute gerade ihre Verstärker ab, als Falkner am Akkordeon und Binder am Schlagzeug loslegten – und alle sich die Augen rieben. Österreichische Volksmusik in Punkmanier zu spielen, auf diese Idee war vorher niemand gekommen, obwohl Punk 1990 ja fast schon ein alter Hut war. „Die Leute waren fasziniert, es war einfach cool“, so Binder.

Es folgten weitere Konzerte, die Presse wurde auf das merkwürdige Projekt aufmerksam und bald nahm Attwenger die erste CD „Most“ auf. Neu war nicht nur die ungehobelte Spielweise, auch die oft dadaistischen Texte machten deutlich, dass hier was ganz Ungewöhnliches entstanden war. So plärrt Binder in einem Stück immer wieder „dauert nimmer lang“ dazwischen. Oder die beiden stoßen in dem Polka-Track „He U“ nicht mehr als diese beiden Silben aus. Herbert Achternbusch hat das Stück später in einem Film verwendet.


ATTWENGER
Sun

(Trikont US-0297)
15 Tracks; 64:45, mit Texten

Da sitzt der Reichsdeutsche und staunt, was die in der Ostmark in ihren Musikstudios erfinden. Und was die für eine Sprache sprechen, die dazu erdacht scheint, lautmalerisch über mehr oder weniger komplexe elektronische Beats gelegt zu werden. Spielt da der Sinn der Texte noch eine Rolle?

„Attwenger“ sind Markus Binder und Hans-Peter Falkner aus Linz. „Sun“ ist ihr fünftes Album, wobei der Titel zwar Sonne heißt, aber nicht englisch ausgesprochen werden darf. Bei ihnen wird nicht gejodelt und die Folklore der Ziehharmonika liefert eher Farbtupfer, als dass sie im Vordergrund stünde. Es hat mit Hubert von Goisern nichts gemein. Es pluckern elektronische Linien, über die Markus Binder reimt: „Heid duad eam goa koa fuass ned weh/drum ged a so beschwingt/i hob in kalender gschaud/heid ged da wind.“ Wär der Lou Reed ein Österreicher, er könnt bei Attwenger singen. Die gedehnte Art, der Plauderton mancher Stücke. Aber der Binder lässt viel weg, wenn er erzählt, liefert Momentaufnahmen, die sich bestenfalls erst spät zu Sinn zusammenfügen. Doch bei dem ganzen Geschwafel in der Welt sind Worte sowieso stark sinnlos.

Anders die Sprache der Musik. Attwenger lassen Gäste reden: Gitarrist Fred Frith, die deutsche Band „Couch“ und das elfköpfige Boban Markoviæ Orkestar aus Jugoslawien. Und allen geht es um murmelnde Männer und brennende Hüte. Und der Reichsdeutsche sitzt fragend vorm leeren Tisch.

Volker Dick


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im Folker! 5/2002