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Liebe Musikfreundinnen und -freunde, mit dem neuen Folker! gehen wir in den 12. Jahrgang unseres Magazins. Gar nicht so schlecht, wenn man einen Blick auf die aktuelle Medienlandschaft wirft. Nach dem Ende der seit 1995 erschienenen Americana-Zeitschrift No Depression Mitte vergangenen Jahres hat jetzt auch das US-Weltmusikmagazin Rhythm sein Erscheinen als Printmedium nach 17 Jahren eingestellt. Und trotz landesweiter Proteste kam am 31. Dezember das Aus von Radiomultikulti beim Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB). Da wollten die Verantwortlichen des Hessischen Rundfunks offensichtlich nicht zurückstehen. Nachdem man bereits im Jahr 2004 der Sendung „Schwarz Weiss – Musik in Farbe“ den Garaus gemacht hatte, stellte der HR zum Jahresende Klaus Walters „Der Ball ist rund“ ein, eine Sendung, die Leser der Musikzeitschrift Spex über viele Jahre hinweg in den Jahresumfragen zur besten Radiosendung wählten. Auch Volker Rebells Sendung „Rebell“ gibt es nicht mehr. Im Newsletter seiner Konzertagentur meint Berthold Seliger angesichts dieser jüngsten Entwicklung: „Für Popmusik ist Byte.FM, sieht man mal von einigen Inseln etwa in Berlin oder München ab, längst der bessere öffentlich-rechtliche Sender. Man sollte nun endgültig mit einem Boykott der Rundfunkgebühren ernst machen!“ Gleich für das erste Heft im neuen Jahr haben wir uns etwas Neues einfallen lassen. In der Reihe „5 Minuten mit ...“ wollen wir in Zukunft in jeder Ausgabe schlaglichtartig einige Künstlerinnen und Künstler mit einer neuen CD oder einem aktuellen Projekt vorstellen. Den Anfang machen Scarlett O’ & Jürgen Ehle, Emirsian, Nitin Sawhney, Wortfront sowie Pistol Pete & The Dixieland Highgrass Band. Diese Liste zeigt, dass „5 Minuten mit ...“ eine bunte Mischung von bereits bekannten sowie neuen Interpreten bietet. Wobei auch hier immer das gesamte Spektrum von Folk, Lied und Weltmusik gemäß dem redaktionellen Selbstverständnis des Folker! Berücksichtigung findet. Am 20. Januar tritt Barack Obama sein Amt als neuer US-Präsident an. Die Erwartungshaltung an den 44., den ersten schwarzen Präsidenten in der Geschichte des Landes ist extrem hoch. Erste Personalentscheidungen und politische Grundsatzerklärungen – wie zum Beispiel die Ankündigung, am Embargo gegen Kuba festzuhalten – haben die Begeisterung über Obamas Wahl merklich abklingen lassen. Es wird sich jetzt zeigen müssen, ob die sozialen Bewegungen, denen Obama zu großen Teilen den Wahlerfolg zu verdanken hat, seine Politik beeinflussen können oder ob sie selbst unter die Kontrolle der Macht in Washington geraten. Dabei werden Musikerinnen und Musiker, darunter auch die, die im „Gastspiel spezial“ in der letzten Ausgabe des vergangenen Jahres ihre Einschätzung zur Lage und zur Zukunft ihres Landes zum Ausdruck gebracht haben, eine wichtige Rolle spielen müssen. Die Folker! -Redaktion wird diese Entwicklung beobachten. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl in diesem Jahr werden wir uns jedoch auch intensiv mit der Situation im eigenen Land befassen und fragen, welche Rolle deutsche Musikerinnen und Musiker in der politischen Debatte bei uns spielen. Eine „Bewegung“ mit dem Ziel, es auch in Deutschland mit etwas „Wandel“ zu versuchen, ist trotz der in allen gesellschaftlichen Bereichen herrschenden Krisensituation nicht zu sehen bzw. zu „hören“. Daran dürfte auch Heinz Rudolf Kunzes in diesen Tagen erscheinende neue CD Protest wenig ändern. Wie tief die Unterhaltungsindustrie hingegen noch sinken kann, zeigt das Beispiel der Hamburger Band Kendric. Ausgerechnet mit einem Jingle für den wegen seiner arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeindlichen Haltung immer wieder in der Kritik stehenden Discounter Lidl machen die Musiker für sich Werbung. „Jetzt ist es nur eine Frage kürzester Zeit, wann Kendric die Charts im Sturm erobern und Deutschlands next very big thing werden“, heißt es in einer Pressemeldung der Band. Dass es auch anders geht, zeigen Künstler, die wir Ihnen alle zwei Monate im Folker! vorstellen. Wie dieses Mal zum Beispiel Blackfire. Drei junge Navajo-Geschwister, die mit ihrer Musik nicht nur unterhalten, sondern auch gegen Ungerechtigkeit und für die kulturelle Identität der nordamerikanischen Ureinwohner antreten. Oder Linard Bardill und Pippo Pollina, die „mit militantem Humanismus“ feinfühlige Geschichten über die Heimat in der Fremde und das Fremdsein in der Heimat spinnen. Das und noch einiges andere mehr finden Sie in dieser ersten Ausgabe des noch jungen Jahres. Ich wünsche Ihnen eine angeregte Lektüre und informative Unterhaltung sowie einen guten Start 2009. Ihr Folker!-Chefredakteur PS: Pete Seeger: The Power of Song heißt eine im vergangenen Jahr erschienene Filmdokumentation über Leben und Werk des Musikers und politischen Aktivisten Pete Seeger. Im Mai begeht der engagierte Künstler seinen 90. Geburtstag. Ende November stand er gemeinsam mit Arlo Guthrie beim traditionellen Thanksgiving-Konzert in der Carnegie Hall in New York auf der Bühne und brachte in gewohnter Weise das Publikum zum Mitsingen. Seine vor Kurzem erschienene CD At 89 ist für einen Grammy in der Kategorie Best Traditional Folk Album nominiert. Mehr als ausreichende Gründe für die Veranstalter des Festivals Musik und Politik, Seeger im Rahmen der diesjährigen Veranstaltung mit dem Zeigen von The Power of Song zu würdigen. Und angesichts der Tatsache, dass ihn mit dem Festival eine persönliche Geschichte verbindet – trat er doch schon zu DDR-Zeiten beim Festival des politischen Liedes auf und schrieb ein Grußwort für das Programmheft im vergangenen Jahr -, sollte das ja eigentlich kein Problem sein. Sollte man meinen. Doch da haben die Veranstalter die Rechnung ohne den berühmten Wirt gemacht. In diesem Fall heißt der The Weinstein Company. Das Filmunternehmen mit Sitz in New York vertreibt unter anderem den Film Dixie Chicks: Shut Up & Sing , der die Zeit nach der umstrittenen Äußerung Natalie Maines’ am 10. März 2003 in London über George W. Bush als Reaktion auf den amerikanischen Einmarsch im Irak bis in das Jahr 2006 dokumentiert. The Weinstein Company vertreibt auch Pete Seeger: The Power of Song . Bei den Verhandlungen über die Genehmigung, den Film beim Festival Musik und Politik zu zeigen, äußerte der für den internationalen Vertrieb zuständige Mitarbeiter von Weinstein Bedenken. Ob es sich bei dem Festival und seinem Publikum um eine sozialistische Veranstaltung handele, wollte er wissen. Damit wolle man nämlich nicht in Verbindung gebracht werden. Zur Verdeutlichung: Da vertreibt ein Unternehmen einen Film über einen Altlinken wie Pete Seeger und möchte aber nicht, dass er bei einer Veranstaltung von Linken gezeigt wird. Erfreulicherweise gelang es dem Filmemacher Jim Brown – der The Power of Song drehte und dessen Dokumentation Isn’t this a Time über Seegers Manager, den Konzertveranstalter Harold Leventhal, beim Festival 2007 gezeigt wurde – die Verantwortlichen bei Weinstein noch zum Umdenken zu bewegen. |