Gretsch-Blues à l’AfriqueROKIA TRAORÉDie Songwriterin aus Mali abseits weltmusikalischer Klischees |
Diskografie: Mouneissa (Label Bleu/Rough Trade, 1998) Wanita (Label Bleu/EFA, 2000) Bowmboï (Label Bleu/Indigo, 2003) Tchamantché (Out Here/Indigo, 2008) www.rokiatraore.net |
Weltmusikliebhaber verbinden mit Afrika traditionelle Perkussionsakrobatik, sie schwärmen vom Afropop eines Youssou N’Dour, Salif Keita oder der kürzlich verstorbenen Miriam Makeba. Rokia Traoré bricht mit diesen gängigen Erwartungen, denn wie kaum eine andere verkörpert die selbstbewusste Malierin eine neue Generation afrikanischer Musiker. Immer auf der Suche nach der künstlerischen Herausforderung, experimentiert sie mit allen möglichen Stilarten und hat sich doch ein feines Gespür für die kulturellen Schätze des Schwarzen Kontinents bewahrt. Mit ihrem brandneuen Album Tchamantché präsentiert sie einen vollkommen ungewohnten Klangkosmos à l’Afrique und beweist eindrucksvoll, dass Afrika viele Gesichter hat. Modernität und Traditionsbewusstsein müssen eben kein Widerspruch sein.
Von Suzanne Cords
Eine ausdrucksvolle Stimme und die elektrische Gretsch-Gitarre, mit der schon Generationen von Musikern Erfolge feierten, spielen die Hauptrolle auf Rokia Traorés neuem Album Tchamantché . Elvis Presley hielt das legendäre Instrument ebenso im Arm wie Chet Atkins oder Beatle George Harrison. Jetzt hat es unter Traorés Ägide die Reise nach Afrika angetreten. Auf den Klang des Balafons, des afrikanischen Xylofons, und der Kora-Laute habe sie diesmal bewusst verzichtet, sagt sie, nur die Bogenharfe N’Goni sei noch im Spiel. „Zehn Jahre lang habe ich in meiner Musik afrikanische Instrumente benutzt und den rein akustischen Klang in den Vordergrund gestellt. In dieser Zeit wollte ich meine musikalischen Wurzeln ergründen, und das hat mir viel Spaß gemacht. Aber jetzt wollte ich einfach mal etwas Neues auf die Beine stellen.“
Und dann kam Rokia Traoré die zündende Idee: „Die Gitarre war mein erstes Instrument, aber ich hatte sie fast zehn Jahre lang beiseite gelegt. Ich fand es an der Zeit, sie endlich wieder aus der Versenkung zu holen. Aber ich hatte keine Lust auf einen reinen Folkklang, und als ich dann im Radio eine Gretsch-Gitarre hörte, wusste ich: Das ist es, was du gesucht hast. Mir schwebte so ein rockig-bluesiger E-Gitarren-Klang vor.“ Immer noch am Niger und nicht am Mississippi zu Hause ist dieser neue Traoré-Sound, aber so viel ist klar: Die Musikerin ist gereift, sie weiß genau, was sie will, und sie geht ihren Weg konsequent weiter. Rokia Traorés bisherige drei Scheiben Mouneïssa , Wanita und Bowmboï klangen schon nicht so, wie man sich landläufig afrikanische Musik vorstellt. Die Kombination von afrikanischer Rhythmik mit europäischem Songwriting ist ihr Markenzeichen. Ob sie mit den amerikanischen Streichern des Kronos Quartet zusammenarbeitet, mit Dianne Reeves auf einer US-Tour der Jazzikone Billie Holiday huldigt oder an einem Projekt des amerikanischen Regisseurs Peter Sellars zum 250. Geburtstag von Mozart mitwirkt: Rokia Traoré liebt es, kulturelle Gegensätze zu überwinden und neue Horizonte zu entdecken. „Das ist keine Fusion“, erklärt sie selbstbewusst, „im Gegenteil. Zusammen schaffen wir etwas völlig Neues. Diese Symbiose unterschiedlichster Klänge empfinde ich als sehr bereichernd für die musikalische Landschaft.“
ROKIA TRAORÉ
(Out Here Records/Indigo, www.outhere.de)
Diese Frau geht ihren Weg (siehe auch Folker! 4/2000), und das ist gut so – mag sie auch mit ihrem musikalischen Konzept polarisieren. Wie „authentisch“ ist ihr Schaffen, wie stark ist es der Tradition ihrer malischen Heimat „verpflichtet“, wie „verankert“ ist sie, die ihren Lebensmittelpunkt in Paris hat, in der afrikanischen Szene „vor Ort“? Spielt das eine Rolle? Solchen Fragen waren einst auch Youssou N’Dour oder Angélique Kidjo ausgesetzt. Fakt ist: Traoré schreibt bemerkenswerte, spannende Songs, die sie selbst – gerade in den Textinhalten – nicht nur, aber eben auch nach Afrika „verortet“. „Tounka“ zum Beispiel beschäftigt sich mit der illegalen Einwanderung nach Europa, „Dounia“ beschwört im Gegenzug die stolze Geschichte des Manding-Reiches. Die musikalische Basis dieser Songs ist die Symbiose heimischer Musikstile mit „westlichen“ (von Blues und Rock bis Rockabilly und HipHop) – und wo haben diese ihre Wurzeln? Traoré hat keineswegs ihr „afrikanisches Erbe“ über Bord geworfen: Dafür sorgen die ausgefeilten Arrangements, mit ihrer begnadeten Stimme und Mamah Diabatés N’Goni-Spiel im Zentrum. Ein kraftvolles, facettenreiches, nicht von ungefähr Ali Farka Touré gewidmetes Album. Roland Schmitt |
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Dies hier ist nur ein Auszug des Original-Artikels der Print-Ausgabe! |
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