backStimme in Farbe

Rokia Traore

„Was sie sich in den Kopf setzt, das setzt sie auch durch.”

Eine junge Frau aus Mali tritt als Sängerin an. Das scheint keine besondere Meldung zu sein. Und doch: Es ist kein leichtes Unterfangen, denn Frauengesang ist in Mali uralte Tradition. Entsprechend eindrucksvoll darum die ausgefeilte Technik, die sprachliche Versiertheit, Rokia Traoredie reife Weiblichkeit der Stimmen. Sali Sidibe, Fanta Demba oder Kandia Kouyate sind Namen, die in Mali jedem Kind geläufig sind, und in unseren Breitengraden hat insbesondere Oumou Sangare für Aufhorchen gesorgt. Dem will sich Rokia Traore stellen – und hat auf jeden Fall den Eifer dazu mitgebracht.

Von Luigi Lauer

Aber, ach: Oumou Sangare. Wer will der Frau das Wasser reichen im sandigen Mali? Nie werde ich vergessen, wie sie bei einem Konzert die Bühne für ein instrumentales Interludium verließ. Fünf Meter stand sie entfernt von der großen Bühne, als ihr Bassist am gegenüberliegenden Ende irgendetwas machte, was ihr missfiel. Sie brüllte nur kurz. Die Lautstärke reichte aus, den 15 Meter entfernt stehenden Bassisten – durch die Lärmwand der Bühne eigentlich immun – zusammenzucken zu lassen. Ein Bild für die Götter.

Müssen Sängerinnen sowas können? Im Prinzip nicht. Die aus Mali können es aber. Alle. Auch bei Rokia Traore blitzt diese Kunst durch, aber nur ganz selten. Das ist schade, denn die Momente, in denen sie das gesamte Volumen ihrer Röhre bis runter zu den Socken einbringt, sind ihre stärksten. Möglich, dass es sie zu sehr anstrengt. Denn sollte die Rechnung „Masse = Volumen“stimmen, dann ist Rokia, na ja, eine halbe Portion. Die zarten Töne liegen ihr eindeutig mehr, und bisweilen ist es gut und nötig, dass sie ein paar Chorsängerinnen hinter sich hat.

Rokias Stern begann zu leuchten, als sie vom französischen Radiosender RFI 1997 den begehrten „Découvertes Afrique“erhielt, eine Auszeichnung für den meistversprechenden Neuling. Aufgefallen war sie nur wenige Monate vorher beim Festival Musiques Métisses in Angoulême. In Mali – sie ist in Bamako geboren – hatte sie sich da schon einen Namen zusammen gesungen, obwohl gerade mal 23 zu der Zeit. Im folgenden Jahr wurde ihre erste CD, „Mouneissa”, aufgenommen, die sich inzwischen mehr als 20.000 Mal verkaufte und ihr Auftritte in aller Welt einbrachte. Sie hat also keinen Grund, zu bereuen, dass sie ihr Studium der Sozialwissenschaften hinwarf, kaum, dass sie es begonnen hatte. Die Reaktion der Eltern war die übliche: Entsetzen. In nichts sind sich Eltern weltweit so einig wie in der Ablehnung des Berufswunsches „Musiker”; vermutlich ist sie nur noch durch den pädophoben Satz „So lange du deine Füße unter meinen Tisch ...“zu schlagen. Viel Arbeit hat sie investiert, um ihre nicht eben dem Mainstream – auch nicht dem in Mali – zuzuordnenden Ideen umzusetzen. Kein Wort fällt im Gespräch darum so oft wie das der „harten Arbeit”. Das muss wohl auch einige der Musiker abgeschreckt haben, sie hat sie oft gewechselt.

Zwischen ihrem ersten Album „Mouneissa“und ihrer neuen CD „Wanita“ist der Unterschied nicht allzu groß geraten. Rokia betont, der Zuwachs an Erfahrung sei das wichtigste für sie, in der Musik wie in den Texten. Etwas lebendiger ist sie vielleicht geworden, weniger balladesk. Doch das gewagte Zusammenbringen von Balafon (ein Xylophon) und N´goni, einer Banjo-ähnlichen Gitarre, hat sich bewährt – jedenfalls nach vielen Umbesetzungen. Daran will sie festhalten. Ein Bass hat als einziges elektrisches Instrument Zugangsberechtigung, der Rest sind Selbsttöner. Der Klang bleibt entsprechend transparent, ist aber längst nicht immer der „Mali-typische“– wenn es den denn gibt. Ein Blick in die biographische Datenbank könnte das erklären. Rokia ist Tochter eines – inzwischen pensionierten – Diplomaten und als solche viel in der Welt herum gekommen, in Mali sowieso, aber auch Algerien, Saudi-Arabien, Frankreich und Belgien haben sich in ihrem Reisepass niedergeschlagen.


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Mehr über Rokia Traore im Folker! 4/2000