In der Ausgabe September/Oktober 2007 findet Ihr:
|
|
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Liebe Musikfreundinnen und -freunde, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Mir passiert es oft, dass ich von der Überschrift her interessant erscheinende Zeitungsartikel aufhebe, um sie später zu lesen. Manchmal werden aus diesem „später“ Monate. So ging es mir auch mit einem Artikel, der im vergangenen Februar in der Frankfurter Rundschau zu lesen war. Unter der Überschrift „Renaissance des Folk“ ließ sich Klaus Walter darin über eine vermeintliche neue Folkwelle aus. Unter Verweis auf das britische Magazin Mojo, das im August 2006 seine Leserschaft mit der CD-Beilage The Quiet Revolution - A Summer Folk Compendium beglückte, oder den deutschen Rolling Stone, der im November mit der Geschichte „Freak Folk - Die neue Schule der Empfindsamkeit“ nachzog, fragt Walter, warum das „F-Wort“ Konjunktur habe, wenn auch „nur mit Präfix!“. Als solche werden u. a. genannt: „Urban“, „Freak“, „Digital“, „Indi“, „Nu“, „Anti“ oder „Weird“. Und nur mit solchen sei Folk fit fürs 21. Jahrhundert. Vor diesem Hintergrund kritisiert FR-Autor Walter Marketingabteilungen, „die bis gestern keinen Folk mit der Beißzange angefasst hätten“. Walters Abschlussfrage lautet: „Transportiert Folk eine Renaissance überkommener Antagonismen von privatem und öffentlichem Musikkonsum? Zum Ausgehen Techno, House und andere Verausgabungsmusiken, daheim im Kreis der Lieben - oder allein - Folk und andere Herzensangelegenheiten? Dann wäre Folk nur die Kehrseite der Vanity-Fair-Medaille: noch ein Relaunch im poshen Neo-Biedermeier. Wir bleiben dran.“ Letzteres lässt sich bezweifeln. Klaus Walters Kritik an einer Musikindustrie, die sich des Themas „Folk“ nur mit neuen Vor- oder Nachsilben annehme, läuft ins Leere angesichts der Tatsache, dass auch die Frankfurter Rundschau sich doch nur aus diesem Grund damit beschäftigt. Oder kann sich jemand daran erinnern, dass die FR jemals Folkthemen im Feuilleton im Rahmen ihrer regelmäßigen Berichterstattung behandelt hätte? Auf einen Artikel z. B. über die deutsche Liedermacherszene oder das TFF.Rudolstadt warte ich noch immer. Eigentlich hätte ich mich ja als Fan nordamerikanischer Musik freuen können, dass in diesem Jahr die USA zum Länderschwerpunkt beim TFF.Rudolstadt erkoren wurden. Doch das, was dann unter diesem Titel geboten wurde, war letztendlich irgendwie enttäuschend. Ein Blick auf den nationalen Veranstaltungs- und Festivalkalender zeigt, dass die Auswahl der meistens Acts offensichtlich weniger davon abhängig war, welche Künstler aus dem reichhaltigen musikalischen Spektrum der USA es sich als repräsentativer Querschnitt gelohnt hätte einzuladen, als von der Tatsache, wer ohnehin in diesem Sommer in Deutschland unterwegs war. Mit einem solchen Ansatz schadet man dem Anliegen des Länderschwerpunkts, die unterschiedlichen musikalischen Facetten eines Landes präsentieren zu wollen. Bleibt zu hoffen, dass Israel im kommenden Jahr nicht ein ähnliches Schicksal erleidet. Wie in jedem Jahr nach dem TFF sind auch dieses Mal zwei Seiten im Heft ausschließlich den von den Folker!-Photographen Ingo Nordhofen, Michael Pohl, Frank Szafinski, Andreas Häckel und Jörg M. Unger eingefangenen Eindrücken gewidmet. Da dies natürlich nur eine kleine Auswahl der von ihnen gemachten Schnappschüsse darstellt, gibt es mehr Bilder auf der Folker!-Website. Und noch etwas zum Stichwort Rudolstadt. Das TFF teilt in gewisser Weise das Jahr. Dieser Tage dürften demnach nicht nur die ersten Weihnachtsmänner in den Lebensmittelgeschäften zu haben sein, sondern auch die unvermeidlichen Versuche von Musikerinnen und Musikern aus aller Welt und allen Genres auftauchen, die mit Aufnahmen von Weihnachtsklassikern eine Scheibe vom zu erwartenden Kuchen abbekommen wollen. Ich kann nur sagen, verschont mich bitte mit der soundsovielsten Version von „Santa Claus Is Coming To Town“ oder „I’ll Be Home For Christmas“. Ich brauche diese Titel weder in einer Bluegrass- noch in einer HipHop-Version. Die Jahresendzeit ist allerdings auch mit erfreulichen Ereignissen verbunden, wie u. a. mit dem Liederfest der Liederbestenliste. Das vom Folker! mitpräsentierte Ereignis findet in diesem Jahr am 1. Dezember im Burghof in Lörrach statt. Für ihren Titel „Geischterbahn“ bekommen die vier Berner Herren von Stiller Has den Liederpreis 2007. Das Lied bekam im Wertungszeitraum von Mitte 2006 bis Mitte 2007 über sieben Monate die meisten Punkte der Jury und stand fünfmal auf Platz eins der Liederbestenliste. Beim Preisträgerkonzert werden neben Stiller Has zudem die Förderpreisträger der Liederbestenliste, die Band Strom & Wasser, sowie der österreichische Liedermacher und Kabarettist Leo Lukas auftreten. Ausführliche Informationen und Bandporträts zum Liederfest 2007 gibt es im nächsten Heft. Bis dahin empfehle ich Ihnen die Lektüre der vorliegenden aktuellen Folker!-Ausgabe, die Ihnen wie immer eine bunte Mischung aus aktuellen Informationen und Hintergrundberichten aus den Bereichen Folk, Lied und Weltmusik liefert, Ihr Folker!-CvD PS: Während US-Präsident Bush der Welt weiszumachen versucht, man sei im Irak, um das Licht der Demokratie in der arabischen Welt zu verbreiten, zeigt ein Blick auf die Innenpolitik, was die herrschende Klasse unter „Demokratie“ und unter „Meinungsfreiheit“ versteht. Anfang August fand in Chicago das alljährliche Lollapalooza-Festival statt. Zu den Teilnehmern gehörten u. a. Patti Smith, Ben Harper und Pearl Jam. Einer der Sponsoren des dreitätigen Festivals ist der US-Telekomkonzern AT&T, der einige Konzerte auch als Live-Webcast übertrug. Doch beim Auftritt von Pearl Jam fehlten auf einmal einige Sequenzen. Als die Band ihren Song „Daughter“ zur Melodie von Pink Floyds „Another Brick In The Wall“ anstimmte, wurden folgende Zeilen aus der Fernsehübertragung herausgeschnitten: „George Bush, leave this world alone“ und „George Bush, find yourself another home“. Darauf angesprochen hieß es bei AT&T, dass der für die Kontrolle des Inhalts verantwortliche Mitarbeiter einen Fehler gemacht habe. Trotz dieser lauwarmen und von Kritikern als unglaubwürdig angesehenen Entschuldigung zeigt dieses Beispiel als nur eines von vielen, welche Machtposition die Medienkonzerne in den USA haben, wenn es darum geht, was das Publikum zu hören und zu sehen bekommt. |