Liebe Musikfreundinnen und -freunde,
wahrscheinlich ziemlich unbeachtet von der Folk-, Lied- und Weltmusikszene
ging in Los Angeles die 44. Verleihung der Grammy-Awards über die
Bühne. Das ist angesichts der Produkte der Plattenindustrie,
die dort alljährlich in der Regel geehrt werden, nicht überraschend.
Doch in diesem Jahr war alles anders. Nicht die usual suspects wie U2 oder
Britney Spears bekamen in diesem Jahr den begehrtesten Preis, den in der
Kategorie Album des Jahres. Vielmehr stand eine Produktion mit
Musik aus dem ländlichen Süden der USA völlig überraschend
im Rampenlicht. Gleich fünf Grammys konnte der Soundtrack von O
Brother, Where Art Thou für sich verbuchen. Das hatte es noch
nie gegeben, dass Bluegrass und Old-Time-Musik das Bild bei einer
Grammy-Verleihung bestimmten. Einer der Preise in der Kategorie
Best Country Vocal Collaboration ging sogar an eine Gruppe,
die als solche gar nicht existiert. Denn die Stimmen der Soggy Mountain Boys
im Film der Coen-Brüder werden von einer Sessionband aus Nashville
gedoubelt, darunter mit Dan Tyminski und Pat Entright einige
Namen, die auch schon in CD-Rezensionen im Folker! erwähnt worden sind.
Dolly Parton, Banjo-Virtuose Bela Fleck, die Country-Legenden Ralph Stanley
und Earl Scruggs sowie Alison Krauss sind weitere große GewinnerInnen
der Grammy-Veranstaltung 2002 im weiten Feld der sogenannten roots music.
Der 78-jährige Scruggs meinte auf die Frage nach den Ursachen für
diesen unerwarteten Erfolg, dass es sich einfach um gute Musik handele und
dass die Menschen in den USA nach den Ereignissen vom 11. September
offensichtlich auf der Suche nach den Wurzeln ihrer Kultur seien. Emmylou
Harris, die ebenfalls auf dem O Brother-Soundtrack vertreten
ist, zeigte sich in Los Angeles überrascht davon, dass das Album
überhaupt nominiert worden war. Irgendetwas ist hier im Gange.
Ich weiß nur nicht, was, lautete ihre Reaktion. Auf jeden Fall
ist es ermutigend zu sehen, dass zumindest ein kleiner Trend weg vom Mainstream
im Musikgeschäft zu beobachten ist. Dass eher traditionelle und
unabhängige MusikerInnen einen größeren Zuspruch
finden.
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In eigener Sache möchte ich besonders auf eine Zuschrift verweisen,
die in diesem Heft unter der Überschrift Zur Diskussion
gestellt abgedruckt ist. Vordergründig geht es dabei um den neuen
Namen für den ehemaligen Deutschen Folkförderpreis (s. letztes
Heft). Doch dahinter steht mehr. Es geht nämlich nicht um die alte und
müßige Frage, was ist Folk, sondern um ein darüber hinausgehendes
grundsätzliches Problem der musikalischen und kulturpolitischen Einordnung
der diversen Musikgenres, mit denen wir uns beschäftigen.
Hinweisen möchte ich auch noch auf zwei weitere Themen in diesem
Heft. Immer wieder erreichen uns Zuschriften, in denen die
regelmäßige Vorstellung von Instrumenten verlangt wird. Nun ist
der Folker! keine Zeitschrift, die sich in erster Linie an aktive MusikerInnen
richtet. Wir wollen dennoch dem Anliegen in gewisser Weise entsprechen, in
dem wir zukünftig in unregelmäßiger Folge eher
ungewöhnliche Instrumente vorstellen werden. Den Anfang macht in dieser
Ausgabe die altgriechische Doppelschalmei, mit der der eine oder die andere
unter Ihnen vielleicht im Rahmen des Instrumentenbauzentrums beim
letztjährigen Tanz&Folkfest Rudolstadt schon Bekanntschaft gemacht
hat. In der nächsten Ausgabe steht dann das Instrument des Jahres des
diesjährigen TFF auf dem Programm: die Kniegeige. Aufbauend auf unserer
Reihe There's no Business like Folk-Business beginnen wir in
diesem Heft eine Reihe mit Label-Porträts aus aller Welt. Dieses Mal
gehen wir zu Brambus Records in die Schweiz.
Und damit wünscht wieder einmal viel Vergnügen bei der
Lektüre einer neuen Ausgabe des Folker!
Ihr Folker!-CvD
Michael Kleff
P.S.: Die letzte Ausgabe des PROFOLK-Adressbuchs ist mittlerweile
einige Jahre alt. In einer gemeinsamen Aktion arbeiten PROFOLK und der Folker!
jetzt an einer Neuauflage. In welchem Bereich von Folk, Lied und Weltmusik
auch immer Sie engagiert sind ob als VeranstalterIn, als KünstlerIn,
als JournalistIn und, und, und ... Sie können dazu beitragen,
dieses wichtige Nachschlagewerk für die Szene zu aktualisieren, wenn
Sie den beigelegten Fragebogen ausfüllen. Und wer jetzt wissen will,
wo eigentlich die zu Jahresbeginn angekündigte LeserInnen-Umfrage bleibt
.... Nun, sie kommt. In Heft 4/2002.
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