backBläser-Wettstreit um die „Goldene Trompete“

Festival der Blasmusik in Guca

Traditioneller musikalischer Jahrmarkt in Serbien

www.galbeno.co.yu/guca/

Mittlerweile ist auch hierzulande die Blasmusik der Zigeuner vom Balkan ausgesprochen populär, deren Vertreter aus Osteuropa wie z.B. Fanfare Ciocarlia oder das Koçani Orkestar das Publikum mit ihren rasenden Melodien und groovenden Rhythmen gnadenlos mitreißen. Vor allem die Filme von Emir Kusturica wie z.B. „Underground“ oder „Schwarzer Kater – Weiße Katze“ haben die Gypsy-Brass-Musik in den letzten Jahren weltweit bekannt gemacht. Doch neben den wenigen über die Landesgrenzen hinaus bekannten Ensembles gibt es in Südosteuropa und vor allem in Serbien hunderte andere Gruppen, die eher regional Bläserwettstreitbekannt sind und davon leben, bei Hochzeiten und anderen Festen in ihrer Region aufzutreten. Zum größten Blechbläserfestival der Welt belagern einmal im Jahr hunderttausende Menschen das serbische Städtchen Guca in der Region Dragacevo und feiern drei Tage und zwei Nächte lang die größte Party auf dem Balkan, eingeheizt von den besten Gypsy Brass Bands des Landes.

Von Tino Grasselt

Die rund 50 besten dieser Bands wetteifern jeweils am letzten Augustwochenende beim „Serbischen Trompetenfestival“ um gleich mehrere zu vergebende Titel. Dazu finden Vorausscheidungen in verschiedenen Orten in Serbien statt. Musiker jeden Alters sind vertreten, junge Burschen wetteifern mit gleicher Energie wie ältere Generationen. Ein Höhepunkt ist die Eröffnungszeremonie mit allen teilnehmenden Musikern, die gemeinsam die Festival-Hymne „Sa Ovcara I Kablara“ in die Landschaft schmettern, hörbar aus noch über 20 Kilometern Entfernung. Weitere Highlights sind die Aufführung einer traditionellen Hochzeitszeremonie sowie ein Umzug aller Bands durch das 3000-Seelen-Städtchen. Auch ein beeindruckendes Höhenfeuerwerk fehlt nicht. Nur die 20 Besten spielen schließlich beim spannenden Finale am letzten Tag vor einer Jury im Stadion von Guca, wo dann die Titel vergeben werden. Im vergangenen Jahr, bei der 41. Ausgabe des Guca-Festivals, ging der Hauptpreis, die „Goldene Trompete“, an Boban Markovic. Er und seine Band holten sich in Guca schon zahlreiche Auszeichnungen und haben mittlerweile überregionale Bekanntheit erlangt. Das 12-köpfige „Boban Markovic Orkestar“ tourt durch ganz Europa. Zur besten Brass Band wurde 2001 Milan Mladenovics Orkestar gewählt und der Preis des Publikums ging an Gvozden Rosic. Neben der Ehre, die eine Band durch solch eine Auszeichnung erhält, geht es in Guca vor allem schlicht um Aufträge. Viele Manager und Konzertveranstalter sitzen im Publikum, um die besten Gruppen unter Vertrag zu nehmen. Das Fest ist dementsprechend auch für die vielen Musiker der Höhepunkt im Jahr.

Bezahlung nach Balkanart

Aus dem ganzen Land strömen die Menschen herbei, eine endlose BläserwettstreitAutoschlange schlängelt sich langsam auf einer unwegsamen Straße durch das zentralserbische Mittelgebirge. In den vielen Bussen wird gelegentlich heftig zu lauter Blasmusik vom Band getanzt, man spürt schon die Vorfreude auf ausgelassenes Feiern bei allen ankommenden Familien, jungen und alten Leuten. In der Stadt reihen sich an den Straßen bis zum Stadtrand neben den örtlichen Kneipen und Gaststätten zusätzlich noch lange Bierzelte und unzählige Verkaufsstände. Dort gibt es neben verschiedenen Souvenirs und traditionellem Kunsthandwerk auch Tonträger zum Spottpreis, darunter viele schwarz gebrannte CDs. An einer Stelle steht ein Tanklastwagen mit der Aufschrift „pivo“ – dort wird das Bier direkt aus dem großen Tankanhänger gezapft. Zu essen gibt es traditionsgemäß vor allem Spanferkel oder Lamm, überall sieht man, wie sich die BläserwettstreitSpieße saftend über dem Feuer drehen. Aus großen Tontöpfen, auf der bloßen Glut stehend, gibt es verschiedene Eintöpfe. Auch traditionelles Handwerk gibt es zu bewundern, und ethnologische sowie geschichtliche Ausstellungen lassen serbische Folklore lebendig werden. Am Stadtrand ist ein Jahrmarkt aufgebaut. Ein uraltes Kettenkarussell dreht seine Runden und viele Leute versuchen ihr Glück mit selbstgebastelten Glücks- oder Geschicklichkeitsspielen. Auf dem großen Parkplatz dahinter verkaufen zugereiste Leute alle erdenklichen Dinge auf einem Schwarzmarkt.

Aus allen Ecken ist laute Musik zu hören, die über 50 Bands spielen überall in der ganzen Stadt. In den übermäßig großen Bierzelten stehen die Bands in nur einigen Metern Abstand zwischen den vielen langen Tafeln, zwischen denen nachts, zum wilden Höhepunkt der Party, ausgelassen getanzt wird. Für das Festival wird kein Eintritt verlangt; die Musiker werden in den Zelten von den Gästen bezahlt. Wer eine Band einige Zeit um sich haben möchte, muss nach Balkanart einen in Wein getauchten Geldschein an eine Musikerstirn heften oder an ein Instrument stecken.


Guca zum Hören:

Diverse
Golden Brass Summit/Fanfares en délire

(Network, 2001)
2-CD Box-Set mit reich illustriertem Beiheft und detailliertem Einführungstext

„Golden Brass Summit“ ist eine Retrospektive der besten von etwa 1.300 Aufnahmen aus dem Archiv des Kulturhauses von Guca, die in den letzten 40 Jahren gemacht und bislang nie veröffentlicht wurden. Die 2-CD-Anthologie wartet mit einer Auswahl verschiedenster Musikstile auf: von gefühlsbetonten Balladen mit fantastischen Soli bis zum schrägen und unwiderstehlichen Zigeunertanz cocek, der sich zu rasendem Tempo steigert. Auch die bunte Musik, die das Festival einrahmt, ist zu hören: polyphone Gesänge, ausgelassene Akkordeon-, Violin- und Flötenstücke – und junge Trompetenspieler, die hinter ihrem Instrument noch kaum sichtbar sind. Nicht nur für Kenner und Liebhaber von Blasmusik und ungewöhnlichen Balkanrhythmen eine musikalische Rarität. Mit den Orchestern von Boban Markovic, Dusan Radetic, Fejat Sejdic, Milan Nikolic, Nani Ajdinovic, Ljubisa Stamenkovic, Jovica Ajdarevic, Bakija Bakic, Slobodan Salijevic, Milovan Babic, Durmis Ismailovic, Ekrem Sajdic, Meka Ajdinoic, Sinisa Stankovic sowie Milicia Stosic, Paganke, Spasoje Jovic, Vica Choir, Vladan Baralic, Ferus Mustafov, Budimir Ilic, Aca Novkovic.


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im Folker! 3/2002