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(ohne Sampler) Wacholder
Herr Wirt, so lösche unsre Brände
(LP, 1983, Amiga) Jörg Kokott Morgen in Montreux (CD, Cooleur 1996) Scarlett O' Zum Beispiel Nilpferde (CD, John Silver Production 1998) Scarlett O' & the little big band Das muss ein Stück vom Himmel sein (CD, Duophon 2000) |
Sie waren neben den Folkländern die populärste Band der DDR-Folkszene: Wacholder. Als sie Anfang 2001 mit einer Abschiedstournee endgültig die Bühne verließen, war das für viele das Ende der liedhaften deutschsprachigen Folklore, zumindest im Osten, denn sie hatten Maßstäbe gesetzt. Da mit dem Begriff Wacholder für manchen nur der Baum des Jahres 2002 gemeint ist, soll an diese Band erinnert werden. Im Gespräch mit den Eltern von Wacholder: Scarlett O' Seeboldt, Matthias Kies Kießling und Jörg Ko Kokott
Von Reinhard Pfeffi Ständer
Was war der Hauptgrund dafür, dass sich Wacholder aufgelöst hat? Eher Persönliches oder dass diese Musik nicht mehr gefragt war?
Eigentlich weder noch. Irgendwann hat alles mal ein Ende und wir wollten nicht so lange warten, bis uns die Leute bitten, von der Bühne zu gehen. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Außerdem arbeiten wir zum Teil in neuen Projekten zusammen. Aber unsere Interessen haben sich individuell weiterentwickelt.
Ist es möglich, dass Wacholder noch einmal auferstehen kann?
Aus meiner Sicht nicht, ein 10. Comeback wird es mit mir nicht geben. Das heißt nicht, dass man zu einem Jubiläum nicht doch mal einen gemeinsamen Auftritt macht.
Zu welcher Zeit fandest du Wacholder am besten?
Wir waren zu jeder Zeit produktiv. Ab und zu gab es Mitgliederwechsel, da waren wir dann mal besser, aber auch mal nicht so gut.
Welche CD von euch findest du am gelungensten?
Auf jeder sind es einzelne Titel, die mir besonders gefallen. Unterwegs ist für mich die qualitativ beste. Das hat mit der technischen Umsetzung zu tun, auch wegen der hochkarätigen Gäste. Und schließlich ist meist das jüngste Kind das liebste.
Warum sind aktuell-politische deutsche Texte derzeit völlig out, hört man sehr viel Instrumentales, Irisches, Klezmer?
Ich glaube nicht dass sie out sind. Viele passen sich der Spaßkultur an, um in die Medien zu kommen. Das lässt sich dann leichter verkaufen, auch bei Konzerten. Mir ist sauber gespielte Klezmer-Musik aber lieber als ein Liedermacher, der die Schlagzeilen absingt.
Warum nennst du dich seit 1998 so?
Meine Mutter hat mich nach Scarlett O'Hara (Vom Winde verweht) benannt. Ich habe Scarlett O' gewählt, weil sowieso jeder, der meinen Vornamen hört, an besagte O'Hara denkt und, das ist der Hauptgrund, weil Scarlett O' überall gleich ausgesprochen wird und nicht solche Probleme bereitet wie mein bürgerlicher Name.
Dein Soloprogramm Nilpferde läuft schon seit längerer Zeit erfolgreich. Liegt das auch daran, dass es für Veranstalter erschwinglich ist?
Ja, auch. Aber, soviel Selbstbewusstsein muss sein, vor allem, weil das Programm einfach gut ist. Im Programm werden Dinge angesprochen, die auch politisch relevante Haltungen sind, aber nicht plakativ wirken, vor allem in Menschings Zwischentexten. Es werden aber auch Lieder und Schlager benutzt, die wir in einen anderen Kontext stellen, um ihnen eine andere Bedeutung zu geben.
Die Gruppe entstand 1978 an der Bau-Ingenieurschule Cottbus. In den
ersten Jahren wechselte die Besetzung häufig. Neben Scarlett Seeboldt,
Matthias Kies Kießling und Jörg Ko Kokott
gehörten damals u.a. Steffen Junghans, Rainer-Christoph Pascha
Dietrich und Erik Kross zu den wichtigsten Mitgliedern, letztere beide
gründeten 1981 die Gruppe Heureka. Wacholder begann anfangs mit dem
Nachspielen von Zupfgeigenhansel, Wader und Liederjan, profilierte sich aber
dann relativ schnell mit anspruchsvollen Titeln wie Kriegsballade.
Bereits zu Anfang der achtziger Jahre zählten sie zu den gefragtesten
Vertretern des DDR-Folk, traten beim Festival des politischen Liedes,
Werkstätten usw. auf, gaben Liederhefte heraus und 1983 ihre erste
LP.
Matthias Wegner und Almuth Walther verstärkten einige Jahre später das Gründungstrio Scarlett/Kies/Ko. Die Gruppe war Bestandteil der legendären Hammer-Rehwü (mit Wenzel/Mensching u.a.) und erhielt dabei ein kurzzeitiges Spielverbot durch Cottbuser Kulturbonzen. Mit den Konzept-Programmen Ting-Tang-Tellerlein Lieder zu Heine-Texten und Trotz alledem (1848er Lieder) beschritt Wacholder Neuland für Folkies mit großem Erfolg. Unüberhörbar waren hier, wie auch in anderen Songs, die textlichen Parallelen zwischen Obrigkeitsstaat im 19. Jahrhundert und DDR-Realität: Spießertum, Staatsgewalt, Ausreise... |
DDR-Tourneen mit Künstlerkollegen wie Dick Gaughan oder der Sands
Family folgten. 1986 stiegen Ko und Almuth aus, gründeten mit Uli Doberenz
Ko & Co.. Weitere Soloprojekte von Ko folgten. Auch Scarlett
mit einer Rockband (Scharlachrote Tour) und Kies mit Jazzmusikern wie
Huschke/Hering und u.a. Rühmkorff-Texten sowie Matthias Wegner (M.u.T.)
stellten Eigenes vor, ohne dass Wacholder sich auflöste. Um 1987
änderte sich der Stil der drei etwas, das Keyboard hielt Einzug und
die Bezeichnung Modern Folking. Die zweite LP mit den schönsten Folkballaden
erschien noch vor der Wende, von Wacholderfans bejubelt, von einigen Kritikern
aber als Zugeständnis an einen breiten Musikgeschmack mit Fragezeichen
versehen.
Nach der Wende änderte sich auch für Wacholder vieles: Zum einen die ersehnten Westkonzerte bis hin nach Irland, zum anderen fehlte es Ost-Veranstaltern an Geld für Konzerte. 1993 kam für Matthias Wegner Ko zurück in die Gruppe. Bei dieser Idealbesetzung blieb es dann acht Jahre bis zum Ende. Es wurden vier CDs produziert, neben traditionellem Material viel Eigenes. Mehrere Texte schrieb Kies, der z.B. Untertanengeist, Bundeswehreinsätze, Bürokratie oder Rechtsradikalismus thematisierte. Ab 1997 widmeten sich vor allem Scarlett und Ko zunehmend Soloprojekten. Im Jahre 2000 trat Wacholder nur noch gelegentlich auf, die Abschiedstournee Anfang 2001 stellte daher eine Art Zugabe für die treuen Anhänger dar. |
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