backÜber das Bluegrass-Revival, alternative Countrymusik und die Krise von Nashville –
und ein neues Buch von Bill C. Malone

Back to the Country

Es war keine Schallplatte, sondern das Kino, das der Bluegrass-Musik zu ihrem aktuellen Revival verhalf. Die Musik-CD zum Film „O Brother, Where Art Thou?“ der Gebrüder Coen schlug alle Rekorde und verkaufte sich mehr als vier Millionen Mal. Neben Blues-Nummern, Worksongs und Gospel-Liedern machten Bluegrass-Titel den Löwenanteil des Soundtracks aus, gesungen von Stars des Genres wie Alison Krauss, Gillian Welch und Emmylou Harris. Selbst ein Veteran wie Ralph Stanley war mit von der Partie und sorgte für Autorität und die direkte Verbindung zur Tradition.

Dieser Erfolg war überraschend, und seine Dimension verwunderte um so mehr, als seit Jahren die Opposition gegen Nashville gewachsen war. Je mehr sich die Countrymusik dem Pop-Mainstream anglich, desto lauter und vielfältiger wurde der Chor der Gegenstimmen. Einer der schärfsten Kritiker der Nashville-Industrie ist Professor Bill C. Malone, Nestor der amerikanischen Countrymusik-Geschichtsschreibung und einer der besten Kenner der Materie. „Die Countrymusik von heute ist nichts anderes als ein billiger Abklatsch der Rockmusik der achziger Jahre“, bringt er seine Einwände auf den Punkt. „Fortwährend werden Lippenbekenntnisse zur Tradition abgelegt. Doch was heute aus Nashville kommt, würde Hank Williams nicht mehr als Country erkennen.“

Von Christoph Wagner

Malone steht nicht allein. Gegen die Banalisierung und Entleerung des Genres hat sich in den neunziger Jahren eine breite Gegenbewegung formiert, die inzwischen auf zahlreichen CDs eine Alternative zum Nashville-Sound präsentiert. Dutzende unabhängiger Plattenlabels entstanden, dazu eine Zeitschrift namens „No Depression“, die als Plattform für die heterogene Gegenkultur fungiert. Die Definitionsmacht, was Countrymusik heute eigentlich bedeutet, scheint Nashville mehr und mehr zu entgleiten. Bill Malone hegt große Sympathien für die Dissidenten. „Unter den Musikern hat die Suche nach einem Klang begonnen, der mehr Vitalität und einen stärkeren Sinn für Traditionen besitzt. Manche beleben den Bluegrass-Stil, andere experimentieren mit alternativen Formen.“

Für Bill Malone offenbart sich im Bluegrass-Revival nicht nur der Unmut am Nashville-Sound, sondern ein tieferes gesellschaftliches Unbehagen: „Unsere moderne Gesellschaft ist ein so überorganisiertes, hyperkomplexes Gebilde, dass viele Menschen eine Sehnsucht nach einfacheren Formen verspüren. Bluegrass scheint diese Qualität zu besitzen. Man kann das einfache Leben vielleicht nicht leben, aber man kann es in drei Minuten erfahren, indem man sich einen Song der Stanley Brothers anhört.“

Old Time Music im zeitgenössischen Sound

Seit seiner Emeritierung von der Tulane Universität in New Orleans lebt Bill Malone in Madison, Wisconsin, wo er jeden Mittwochmorgen eine dreistündige Sendung im Campus-Radio moderiert mit dem programmatischen Titel: Back to the Country! Dort sind rare Old-Time-Aufnahmen zu hören, kommen die alten „Outlaws“ wie Willie Nelson, Waylon Jennings und Johnny Cash zu Wort und werden die neuesten Platten der jungen und nicht mehr so jungen Desperados vorgestellt, von John Prine und Lucinda Williams über Steve Earle und Jimmie Dale Gilmore bis zu den Original Harmony Creek Ridge Dippers und der Handsome Family. „Inzwischen gibt es Musiker, denen es gelingt, mit zeitgenössischen Sounds das Gefühl der Old Time Music auferstehen zu lassen. Die Musik dieser Künstler besitzt dieselbe rohe und direkte Qualität wie früher und die Lieder handeln von Inhalten, die einst zum Themenkatalog der Countrymusik gehörten, die man aber inzwischen in den Country-Charts vergeblich sucht.“


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