Editorial

Liebe Musikfreundinnen und -freunde,

„How can I be with the people, without agreeing with the people?“ – Wie kann ich mit den Menschen sein, ohne ihre Ansicht teilen zu müssen? Diese Frage hat Woody Guthrie vor mehr als 50 Jahren einmal gestellt. Angesichts der patriotischen Welle, die in Folge des Terroranschlags vom 11. September über die USA schwappte, ist Guthries Fragestellung von höchster Aktualität. Millionen von Zuschauern in 156 Ländern der Welt wurden bei der Benefizgala „America: A Tribute To Heroes“ Zeuge davon, wie sich auch Künstlerinnen und Künstler dem vaterländischen Pathos nicht entziehen konnten. Celine Dion schmetterte das unvermeidliche „God Bless America“. Und Willie Nelson legte mit einem heiseren „America The Beautiful“ noch einen drauf, wobei von Billy Joel über Paul Simon bis hin zu Bruce Springsteen und Mariah Carey alle beteiligten Rockstars einstimmten. Einzig Neil Young fiel etwas aus der Rolle. Steht sein Beitrag, John Lennons Song „Imagine“, doch derzeit quasi auf dem Index in den Vereinigten Staaten. Zumindest wenn man den Anweisungen von Clear Channel Communications folgt. Dieses in Texas ansässige Unternehmen, dem 1.170 Radiostationen in den USA gehören, hat eine Liste mit 150 Songs veröffentlicht, die tunlichst nicht mehr zu spielen seien. Darunter neben Lennons „Imagine“ Songs von den Beatles („Ticket To Ride“), Cat Stevens („Peace Train“), Simon & Garfunkel („Bridge Over Troubled Water“) oder Soundgarden („Blow Up The Outside World”). Der Gruppe Rage Against The Machine kam die Ehre zu, von den Clear-Channel-Saubermännern völlig aus dem Äther verbannt zu werden. Gefragt sind in den USA derzeit patriotische Klänge. Die Studios in Nashville sind voll. Jeder will seinen klingenden Beitrag leisten, wo Amerikaner jetzt zusammenstehen. Sony brachte schnell einen Sampler mit dem Titel „God Bless America“ auf den Markt, u.a. mit Celine Dion, Bruce Springsteen sowie mit Bob Dylan, Frank Sinatra und MTC. Da die Einnahmen aus dem Verkauf der CD Opfern und Helfern zugute kommen, wollte auch Pete Seeger wohl nicht abseits stehen und steuerte seine Version von Guthries „This Land Is Your Land“ bei. Kritische Stimmen zur Diskussion über die Ursachen des Terroranschlags und die Reaktion darauf aus der Musikszene sind übrigens kaum zu hören. Vielleicht sind sie auch einfach nicht wahrnehmbar angesichts des Gleichschritts der amerikanischen Medien in ihrer Berichterstattung. Sie alle haben ein Star Spangled Banner angelegt. Dabei kommen abweichende Meinungen schnell unter die Räder. Zu denen, die ein Forum für ihre Ansichten fanden, gehört Lou Reed, der im Rolling Stone darauf hinwies, dass die Amerikaner jetzt den Preis für eine Politik zu zahlen hätten, die einige ihrer Führer im Namen des Öls betrieben hätten. Es bleibt zu hoffen, dass nach einer Phase der Trauer und Besinnung – hoffentlich nicht zu spät – die Szene ihre Stimme erheben wird, um sich gegen drohende Zensurmaßnahmen und Einschränkungen von Freiheitsrechten zu wehren. Kommen wir noch einmal zu Woody Guthrie zurück. Wie formulierte er in Anspielung auf das jetzt überall so hoch im Kurs stehen Motto „America, land of the free and home of the brave“ 1953 in seinem Lied „Jinga Ling“ so schön: „The free's in jail an' th' brave in graves“.

Und damit entlasse ich Sie in die Lektüre einer neuen Ausgabe von Folker!, dem Magazin für Folk, Lied und Weltmusik

Ihr Folker!-CvD
Michael Kleff

P.S.: Ein Opfer der Folgen der Ereignisse vom vergangenen September ist die wöchentliche Musiksendung „World Beat“ auf dem Nachrichtenkanal CNN geworden. Auf zunächst unabsehbare Zeit sei das seit drei Jahren ausgestrahlte Programm in Sachen Weltmusik eingestellt worden. Das Geld werde jetzt für die aktuelle politische Berichterstattung benötigt, hieß es zur Begründung bei CNN. An die zeitliche Begrenzung der Maßnahme wollen die vier Produzenten von „World Beat“ allerdings nicht glauben. Sie alle haben CNN verlassen und sind auf der Suche nach einer anderen Station, um ihr Programm wieder auf Sendung zu bringen.

In der Ausgabe November/Dezember 2001 findet Ihr:
„Brot und Rosen“ nicht nur für schwere Jungs
go!
Mimi Fariña gestorben
Neue Maßstäbe in der amerikanischen Folkmusik gesetzt

Von Michael Kleff
Zwischen Dorfkapellen und neuen Sounds
go!
Fono & Etnofon
Zwei ungarische Label im Portrait

Von Grit Friedrich
UNESCO-Musikpreis 2001:
go! Oumou Sangaré
„Ich will den Frieden zwischen Mann und Frau.“

Von Luigi Lauer

Abgeschminkt
SWR-Liederpreisträger 2001:
go! Hans-Eckardt Wenzel
Musiker, Autor, Schauspieler, Regisseur

Von Lutz Kirchenwitz
There's no Business like Folk-Business
go! Teil 2: Die CD-Produktion
Je höher die Verkaufserwartung, um so länger kann die Band im Studio bleiben / Es wird immer schwieriger, mit CDs Geld zu verdienen

Von Christian Rath
“It´s a pretty good life”
go! The Carthy Chronicles
Martin Carthy zum 60sten!

Von Mike Kamp
Musikalische „Border Confusion“
go! Das Sandy Lopicic Orkestar
Diese Bigband will mehr sein als eine ex-jugoslawische Versöhnungskapelle

Von Christian Rath
Verfechter kultureller Integrität
go! Mory Kante
Hitparaden-taugliche Kora-Klänge aus Westafrika

Von Karen Pfundt
Auf der Burg Waldeck entdeckt
go! Walter Moßmann
Liebe, Politik, Lied und Mensch als Gesamtkunstwerk

Von Thomas Felder
„Schimpf, Schande über den, der singen kann wie du“
go! Zum 20. Todestag von George Brassens
Statt eines Nachrufs

Von Walter Liederschmitt
Bahnvorsteher der Station namens Hoffnung
go! Manu Chao
Fröhlicher Moralist & Zeigefinder der Schwarzen Hand

Von Caíta Azpiri
rezensionen
--> Charts 
editorial
--> Ferner liefen...
--> Impressum


eFolks!

--> www.folker.de: Die erste Adresse im Internet. Steht in keinem Verhältnis zur Relation, gibt keinen Grund zur Veranlassung und ist der Kaviar unter den Stör-Rogen. Jede Ausgabe 50% lustiger!

--> www.brueger.com: Nicht schlecht gestaunt habe ich über diese Site! Wolfgang Brüger, Aktiver beim Folkclub Würzburg, trägt hier aktuell alle für Folk, Lied und Weltmusik relevanten Radio- und Fernsehsendungen ein. Absolute Fleißarbeit, erstklassige Recherche, könnte glatt vom Folker! stammen.

--> www.bap.de: Die offizielle Homepage der altgedienten Mundartrocker um Wolle Niedecken.

--> www.afrik.com: Etliche Artikel und andere Informationen rund um afrikanische Musiken. Nur in Französisch.

--> www.tutl.com: Wer die gesangslastige Musik der Färöer mag und bisher Probleme hatte, sich damit einzudecken, der findet hier eine vor Ort angesiedelte Plattenfirma. Ein erbetenes Exemplar war nach drei Tagen da!


Wir lesen uns wieder beim nächsten Folker! ?!!