Auf dem Programm des legendären dritten Festivals Chanson, Folklore International 1966 auf Burg Waldeck war Walter Moßmann keiner der großen Namen. Der damals Vierundzwanzigjährige trieb sich viel in Frankreich herum. Er sang in Kneipen, Werkstätten und Klöstern Volkslieder und die neuesten Pariser Chansons. Seine Bewunderung galt besonders dem Mann, der eine ganze Nation zum Singen gebracht hat George Brassens. Der französische Einfluss ist auch unverkennbar in seinen ersten eigenen Liedern, und die hatte er in den Hunsrück mitgebracht. Nach seinem Auftritt stand in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: Die Entdeckung dieses Festivals ist Walter Moßmann. Neben Biermann und Degenhardt zählte ihn die internationale Presse zu den wichtigsten Vertretern der deutschen Liedermacher. Am 31. August wurde Walter Moßmann 60 Jahre alt.
Von Thomas Felder
Es war Ende der Siebziger, als ich ihn zum ersten Mal live erlebt habe. Unter Verzicht auf eine Gage war er auf Tournee und sang auch in Stuttgart, um das Startkapital für die tageszeitung zu sammeln. Was in dem Saal ablief, war kein gewöhnliches Konzert: Liebe, Politik, Lied und Mensch verschmolzen zu einem Gesamtkunstwerk, das sich unmittelbar auf die Anwesenden übertrug. Die Glut wurde zum Lauffeuer. Im Herbst 1979 reisten zwei- bis dreihunderttausend Menschen in Sonderzügen nach Bonn, um gegen die so genannte friedliche Atomwirtschaft zu demonstrieren. Eine der Kundgebungsreden hielt Walter Moßmann. Seine gewaltige Stimme klang klar und überzeugend, ohne demagogischen Unterton. Mit analytischer Schärfe entlarvte er die Drahtzieher der Atommafia und nannte die Lügner und Marionetten in der Bonner Politik beim Namen.
Walter Moßmann, Cornelius Schwehr Die Störung Tonstück und Texte zur Anti-AKW-Bewegung (2000) 80 Seiten, 1 Audio-CD
Walter Moßmann, Joschi Krüger; Sophie Lapièrre
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Er galt in dieser Zeit als Symbolfigur für den Kampf um das geplante Kernkraftwerk Whyl am Kaiserstuhl, seiner Heimat. Dieses Musterstück basisdemokratischen Widerstands hat er in einer Filmdokumentation festgehalten mit dem Titel Das Wespennest. Die Betreiber des Baus wurden von den einheimischen Weinbauern so fleißig verstochen, dass sie von ihren Plänen wieder abrücken mussten. Eine große Rolle in diesem Kampf haben die Flugblattlieder von Walter gespielt, die in keiner Wohngemeinschaft fehlen durften: teils bekannte, umgedichtete Volkslieder, teils eigene, neue Kompositionen. Die Ballade von Seveso wurde oft im Rundfunk gespielt. Heute undenkbar in den stromlinienförmig ausgerichteten Funkhäusern, aber auch aus einem schlichten rechtstechnischen Grund: Die Programmdirektion würde nämlich auf dem Plattenlabel vergeblich nach den vier Buchstaben G.E.M.A. suchen.
Walter Moßman steht auf dem Standpunkt: Es gibt kein geistiges Eigentum. Alles, was du komponierst, ist irgendwo entlehnt. Der Geist schwebt frei und kennt keine Besitzverhältnisse. Als ihn ein paar geschniegelte Fernsehleute bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises im Mainzer unterhaus darauf ansprachen, wollten sie ihn provozieren: Ein bisschen machen Sies aber doch auch wegen dem Geld, oder? Da zog Walter einen Hundertmarkschein aus seinem Geldbeutel und verbrannte ihn über einer Kerze auf dem Tisch. Erst vor zehn Jahren ist er der Urhebergesellschaft dann doch beigetreten, als ihm klar wurde, dass an meiner Stelle andere liebenswerte Zeitgenossen die Urheber-Tantiemen für meine Lieder eingesackt haben.
Im Frühling 1983 fiel in Nicaragua ein Bekannter von Walter einem Terrorüberfall zum Opfer. Ein in US-amerikanischen »Trainingslagern« ausgebildetes Killerkommando hatte einen Bus angehalten, vierzehn Leute zum Aussteigen gezwungen und auf der Stelle erschossen. Unter den vierzehn war Tonio. Bei einer spontanen Demonstration vor dem Amerikahaus hatte jemand den Namen Tonio auf die Fassade gesprüht. Der Sprüher war schon weg. Walter stand noch herum, deswegen musste er wegen Billigung einer Sachbeschädigung in Tateinheit ins Gefängnis. Darüber konnte er nicht mehr einfach wie früher zur Gitarre ein Lied singen. Der Schmerz über den Verlust des Freundes, die Wut auf die Hintermänner des Anschlags im Weißen Haus und in Bonn, aber auch die Frage: Ist euch der Gedanke so fremd, dass die Welt allen gehört? verlangte nach einem anderen Ausdrucksmittel. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten Heiner Goebbels hat er alles in einer Toncollage mit dem Titel Unruhiges Requiem meisterhaft verarbeitet.
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