backUNESCO-Musikpreis 2001:

Oumou Sangaré

„Ich will den Frieden zwischen Mann und Frau.“

Von Luigi Lauer

Discographie

moussolou (1991)
ko sira (1993)
worotan (1996)
laban (2001 Afrika, 2002 Rest)

Alle bei world circuit.

Mit gerade mal 33 Jahren ist Oumou Sangaré die bislang mit gutem Abstand jüngste Empfängerin des IMC UNESCO Music Prize. Und nur zwei mal ging die Auszeichnung überhaupt an afrikanische Musiker – pardon, Musikerinnen: 1993 an Miriam Makeba, im März wird sie 70, und 1998 an Cesaria Evora, jetzt auch schon 60. Von Männern keine Spur, kein Ali Farka Touré, kein Youssou N`Dour, auch nicht Manu Dibango oder Hugh Masekela – und das zu Recht. Schon ihr Gesang wäre die Auszeichnung wert, mit unglaublichem Druck in der Oumou Sangaré Stimme meistert sie selbst filigranste Verzierungen. Behutsam hat Oumou Sangaré die Melodien und Rhythmen der Jäger aus der Wassoulou-Region in Malis Süden aufgefrischt, hat sparsam elektrische Instrumente hinzugefügt und die Musik in ganz Afrika – und darüber hinaus – bekannt gemacht. Und mit ihren feinsinnigen, oft ironischen Texten hat sie unermüdlich gegen die Polygamie und die Praxis der Zwangsehe angesungen. Sich Gehör zu verschaffen, fällt der aus Bamako stammenden Sängerin leicht, die meisten Konzerte könnte sie getrost auch ohne Mikrofon bestreiten. Das Volumen ist auch sichtbar, waghalsig sieht es aus, wenn sie ihren fülligen Körper auf Oumou Sangaré Stöckelschuhen über die Bühne balanciert. Doch Oumou Sangaré hat Stehvermögen, in jeder Hinsicht, und sie hat es seit den ersten Tagen ihrer Karriere gebraucht. Das Fundament einer Gesellschaft in Frage zu stellen, einer entschieden patriarchalischen, muslimischen Gesellschaft, und das als Frau – dazu gehört schon etwas. „Ich habe mir gesagt, an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal in ein Mikrofon singe, werde ich diese Missstände anprangern.“ Sie hat Wort gehalten. Am 18. November wird ihr dafür in Aachen der UNESCO-Musikpreis verliehen. Das folgende Interview gab Oumou Sangaré kurz nach Bekanntgabe der Preisträger – exklusiv für den Folker!.

Folker!: Erst einmal herzlichen Glückwunsch! Der UNESCO-Preis gilt als eine der höchsten Musik-Auszeichnungen der Welt, und es gab 50 Nominierungen. Wie fühlt man sich in einer Reihe mit Herbert von Karajan, Miriam Makeba, Yehudi Menuhin oder dem zweiten Preisträger in diesem Jahr, Gidon Kremer?

Oumou Sangaré: Ich bin sehr, sehr stolz und erfreut, und mein ganzes Land ist stolz auf mich – vor allem die Frauen natürlich. Ich bin wirklich sehr stolz! Jetzt wird mein Engagement für die Frauen von der ganzen Welt anerkannt. Jeder in Mali weiß davon, Fernsehen und Zeitungen berichten jeden Tag, und sie freuen sich alle sehr für mich. Wir feiern hier die ganze Zeit, sind ganz enthusiastisch und gleichzeitig auch überrascht über die Auszeichnung.

Der Unesco-Musikpreis heißt amtlich IMC-UNESCO Music Prize. IMC steht für International Music Council, gegründet 1949 von der UNESCO, mit Hauptsitz in Paris. Der Preis wird seit 1975 verliehen, anfangs alle zwei Jahre, inzwischen jährlich. Ausgezeichnet werden Künstler oder Institutionen, deren Aktivitäten einen Beitrag zur Bereicherung und Entwicklung der Musik darstellen und die gleichzeitig für Frieden, Völkerverständigung und andere Ziele gemäß der Charta der Vereinten Nationen eintreten. Verliehen wird der Preis im Rathaus der Stadt Aachen. Details unter: www.unesco.org/imc.

Es war nicht immer so, dass sich das ganze Land über deinen Erfolg freute.

Als ich anfing, Polygamie und Zwangsheirat zu kritisieren, war ich sehr schlecht angesehen. Die Leute sahen das nicht gerne, schon gar nicht bei einer Frau, einem jungen Mädchen. Die Alten hatten Angst, dass ich eine Art Revolution verursachen würde, dass alle Frauen rebellieren würden. Es war wirklich sehr schwer für mich. Oumou SangaréDie Alten haben mich sehr stark kritisiert, und auch in der Presse wurde ich ständig angegriffen: „Für wen hält sie sich, dass sie gegen Polygamie und Zwangsheirat singt?!“ Aber ich habe nicht aufgegeben, habe immer weitergemacht, und die Frauen haben mich ganz stark unterstützt und ermutigt: „Mach weiter Oumou, wir stehen hinter dir, wir folgen dir.“ Das war eine große Stütze. Ich sagte mir, ich muss einfach reden, denn die Probleme existieren und niemand wagt, davon zu sprechen. Ich muss reden, auch wenn ich nicht weiß, was danach passiert. Deshalb habe ich meinen Mut zusammengenommen und Krieg geführt.

War das nicht auch gefährlich?

Es war sehr gefährlich! Wir sind hier in Afrika! Man kann mich zwar nicht gleich erschießen, aber in Afrika kann man jemanden bekämpfen und ihm Oumou Sangaré großen Schaden zufügen, auch ohne ihn zu erschießen. Und die Alten hier waren wirklich bereit, mir einiges anzutun, mich irgendwie zu beseitigen. Ich habe Dinge offengelegt, die sie nicht akzeptieren konnten. Auch meine Mutter war irgendwann sehr besorgt um mich und sagte „Oumou, hör auf damit!“ Aber ich sagte, nein, ich will weitermachen, Mama. Du hast so sehr gelitten, und viele andere Frauen leiden immer noch, und das muss angeklagt werden.

Das klingt nach persönlichen Erfahrungen.

Oh, ja. Am Anfang meines politischen Engagements stand meine eigene Geschichte, weil ich aus einer polygamen Familie komme. Meine Mutter war die erste Frau meines Vaters, bevor er noch andere Frauen heiratete. Oumou SangaréDarunter hat meine Mutter sehr gelitten. So hat alles in meiner Familie angefangen. Es ist also auch mein ganz persönliches Problem. Von mir selbst weiß ich also, dass alle Frauen leiden, und ich versuche auf meine Art, all diesen Frauen zu helfen.

Eine andere afrikanische Sängerin, Aicha Koné, sagte einmal, sie fände Polygamie gut, denn im Gegensatz zu anderen Frauen wisse sie, wo ihr Mann ist, wenn er nicht zuhause ist.

Es gibt Frauen, die die Polygamie wollen. Ich hatte große Schwierigkeiten damit. Manche sagten zu mir: „Oumou, wir finden die Polygamie gut!“ Ich sagte, um so besser. Wenn ihr die Polygamie wollt, gibt es überhaupt kein Problem. Mein einziges Anliegen ist, dass Frauen nicht leiden müssen. Ich will nicht, dass eine Frau gezwungen wird, polygam zu leben, dass sie gezwungen wird, zu heiraten, dass man sie schlecht behandelt. Aber das ist es, was bei uns sehr häufig vorkommt, und dann ist Polygamie das Härteste, was man einer Frau antun kann. Die Männer benutzen die Polygamie auf schlechte Art und Weise. Ein einziger Mann kann zwei, drei, vier Frauen heiraten. Und dann leiden die Frauen, werden schlecht behandelt und haben nichts zu sagen. Dieser Zustand macht die Frauen total fertig.


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im Folker! 6/2001