Die Leute von Fono sitzen auf der Budaer Seite der ungarischen Kapitale. Ein paar Straßenbahnstationen von der Freiheitsbrücke entfernt, in einer Seitenstraße liegt das Gebäude des jungen Labels. Unter einem Dach mit dem Fono-Musikklub, der zu den angesagtesten Adressen in Budapest zählt, wenn es um Konzerte mit archaischer Dorfmusik aus Transsilvanien oder Ethnojazz aus Ungarn geht. Das Fonó Budai Zeneház ist Musikklub, Cafe, Bar und Tanzhaus in einem. Und in der Sztregova utca Nummer 3 findet man auch den bestsortierten Laden für Folk- und Weltmusik in ganz Budapest. Jeden Dienstag und Donnerstag kann man im Fono-Klub zu uralten ungarischen Weisen tanzen oder einfach nur zuhören, wenn wieder ein Konzert der Reihe Ultoso Ora, The Final Hour Project, ansteht. Da spielen international bekannte Dorfkapellen wie die Szászcsávás Band, oder es kommen ein paar alte Sänger aus der Region Szék in Siebenbürgen, wo archaische ungarische Traditionen selbst das Ceausescu-Regime überdauert haben.
Von Grit Friedrich
Kontakt:
fono@fonorecords.hu |
(Auswahl):
Fono
Új Pátria Mezoségi
népzene FA 108-2 Etnofon
Lost Eden I ED-CD
009-10 |
Die meisten Musiker, die aus Rumänien, der Slowakei oder Jugoslawien nach Budapest kommen, bleiben immer gleich ein paar Tage, aber nicht etwa für weitere Konzerte, nein, sie gehen ins Fono-Studio. Dabei enstehen Aufnahmen, die seit 1997 in schöner Regelmäßigkeit in der CD-Reihe Új Pátria (neues Vaterland) bei Fono erscheinen. Unterstützt wird dieses groß angelegte Dokumentationsprogramm vom Institut für Musikwissenschaft an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Nicht immer die zweite Auflage, dafür aber einen festen Käuferstamm erreichen diese Aufnahmen traditioneller Musik zweifellos, sagt der Fono-Manager und Produzent Lázsló Sándor. Für ihn ist es allerhöchste Zeit für diese Aufnahmesessions, denn die wirklich guten alten Musiker findet man auch in Rumänien immer schwerer, und in Siebenbürgen verändert sich das Repertoire der Gypsiekapellen mit jedem neuen Tag. Gerade in den letzten Jahren sickern immer mehr türkisch-orientalisch geprägte Melodien übers Radio in die Hochzeitsprogramme der Dorfmusiker, die im Karpatenbogen zu Hause sind. Gut tanzbare Stücke in Schlagerqualität, die nichts mehr mit traditioneller Musik zu tun haben.
Fast hundert Dorfbands waren schon in den Fono-Studios, ausgewählt von Kennern der jeweiligen lokalen Musikszene, in Siebenbürgen ist das der Musikethnologe Zoltan Kallos. In der Reihe Új Pátria erschienen neben den Sängern aus der Region Szék auch CDs mit Musik aus Gyimesbükk-Hidegség in den Ostkarpaten oder aus Jód in der Maramuresch. Außerdem brachte Fono eine Reihe von Aufnahmen aus dem Archiv von Zoltan Kallos heraus, darunter archaische Volkslieder aus dem Mezöség, einer Region neben Kolozsvar/Cluj in Rumänien, und es gab eine CD, die ganz der Sängerin Kati Panek gewidmet ist, deren spröde Stimme so wunderbar zu den Morgenliedern der Gruppe Bodzafa gepasst hat. Leider singt Kati Panek nur noch selten mit ihrer alten Band, denn deren Mitglieder leben heute verstreut über halb Europa. Insofern waren das Treffen im Fono-Studio und die CD-Produktion eine unerhörte Begebenheit. Bodzafa kennt hierzulande niemand, dabei gehörten zu dieser ungarischen Folkrevivalband Musiker wie László Kelemen, István Papp und Zoltan Szalay. In den Siebzigern und Achtzigern spielten Bodzafa in den ungarischen Tanzhäusern Siebenbürgens eine ähnliche Rolle wie Muzsikás in Ungarn. Heute zählt István Papp zu den führenden Geigern in Budapest, auch er spielte bei Fono eine eigene CD ein.
Fono bedient aber nicht nur das Tanzhauspublikum, sondern bringt auch regelmäßig neue Jazz- und Weltmusikscheiben heraus, in der Künstlerkartei tauchen so bekannte Namen auf wie das Dresch-Quartett, Ghymes aus der Slowakei, Irén Lovász, die Newcomer Besh o droM oder Michel Montanaro. Vor acht Jahren ist das Label gegründet worden, damals trug es noch einen anderen Namen, aber mit der Etablierung des Fono-Musikklubs war klar, auch das Label wird Fono heißen. Und wo Fono draufsteht, ist meist auch Qualität drin. Mittlerweile bringt das Label mehr neue CDs auf den Markt als Hungaroton, die ehemalige staatliche ungarische Plattenfirma. Emil Biljarski, der bei Fono den Vertrieb organisiert, setzt darauf, dass das Interesse für osteuropäische Musik im Westen zunimmt und sich die Leute nach dem abklingenden Kuba-Boom Osteuropa zuwenden. Da ist noch eine Unmenge zu entdecken, denn es ist ein Irrtum, wenn das Publikum im Westen denkt, ungarische Musik, das sind Márta Sebestyén und Muzsikás. Auch auf der letzten WOMEX in Berlin hat Emil Biljarksi immer wieder gehört: Das ist ja großartig, was ihr da macht. Aber einen ernst zu nehmenden Vertriebspartner in Deutschland suchen die Fono-Leute bis heute. Demnächst erscheint bei Fono die neue Ghymes-CD, Message, und eine weitere CD in der Final-Hour-Reihe mit Musik aus Floresti in Rumänien. Außerdem gibt es bald eine junge Romaband zu entdecken, Szilvasi, in Budapest längst kein Gemeimtipp mehr, die ihre Debüt-CD ebenfalls bei Fono herausbringt.
Während die Fono-Macher sich zum größten osteuropäischen Label für ethnische Musik entwickeln und weiter fest an ihrem internationalen Durchbruch arbeiten, propagiert Ferenc Kiss von Etnofon neue Bescheidenheit. Er glaubt nicht, dass authentische Volksmusik jemals ein Massenpublikum anspricht, und ein gutes Konzert ist für ihn immer noch ein kleines Konzert mit Klubatmosphäre. Dabei beobachtet Kiss mit großem Respekt das Final-Hour-Programm im Hause Fono. Ob auch jede CD dieser Reihe auf dem ohnehin übersättigten Musikmarkt noch zu Kenntnis genommen werden kann, das bezweifelt der der Etnofon-Direktor allerdings. Ferenc Kiss ist auch als Labelchef in erster Linie Musiker geblieben. Mit Kolinda, Visöntö und der Odessa Klezmer Band spielt er immer wieder in Ungarn und im Ausland. Doch nicht nur die CDs dieser Bands stehen im Katalog von Etnofon. Das wäre Kiss auch zu einfach, nur seine eigene Musik herauszubringen. Als das kleine Label 1994 gegründet wurde, war es das erste unabhängige Ethno-Folklabel in Ungarn und von Beginn an setzte man dort auf eine zweigleisige Politik mit Revivalbands und Archivaufnahmen aus den fünfziger Jahren. Einen im Ausland fast unbemerkten Coup landete Etnofon im letzten Jahr mit einer Doppel-CD in der Reihe Lost Eden, die dem Romasänger Fedor Sandor Dimó gewidmet ist. Eines Tages stand Peter Eri von Muzsikás im Etnofon-Büro und fragte, ob Kiss nicht die Sammlung seines Stiefvaters György Martin herausgeben könne. Die Aufnahmen aus dem Familienerbe sind noch nirgendwo erschienen und waren eine Offenbarung für Ferenc Kiss.
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