HEIMSPIEL
Wissenschaftler der Universität Hildesheim sammeln und erforschen Musik aus allen Erdteilen, seit 2013 auch solche aus der Islamischen Republik Iran. Kooperationspartner ist das Musikmuseum in Teheran. Beim Digitalisieren analoger Tonträger arbeiten Deutsche und Iraner eng zusammen. Text: Bernd G. Schmitz
Am 2009 gegründeten Center for World Music (CWM) der Universität Hildesheim will man das musikalische Erbe des Menschheit bewahren. Dazu gehört sowohl das wissenschaftliche Auswerten vorhandener Sammlungen als auch das Erschließen neuer Quellen. Das CWM wird von Prof. Dr. Raimund Vogels und Dr. Julio Mendívil geleitet.
Kompetenzzentrum der Musikethnologie Damals ging es um Musik in Westafrika. Die liegt Raimund Vogels besonders am Herzen. 1987 promovierte er mit seiner Dissertation über die Frauengesänge der Dagaaba im Nordwesten Ghanas. Vierundzwanzig Jahre später wird er Direktor des CWM in Hildesheim. Die wissenschaftliche Einrichtung versteht sich als Kompetenzzentrum der Musikethnologie mit internationaler Ausstrahlung, regionalem Engagement und lokaler Verortung, wie auf der Website der Universität Hildesheim zu lesen ist. Zu deren von Raimund Vogels verantworteten Schwerpunkten gehören Geschichte, Methoden- und Theoriebildung in der Musiktheorie, aber auch Musikarchive und Museen. Mit Letzterem hängt die 2013 begonnene Digitalisierung iranischer Musik zusammen. Bei diesem Projekt kooperieren die Hildesheimer Wissenschaftler mit dem Musikmuseum Iran in Teheran. Dort ist auch Musik aus der Zeit vor der Islamischen Revolution archiviert, die aktuell im iranischen Rundfunk nicht gespielt werden darf. Dennoch arbeiten Mitarbeiter des Museums am Projekt der deutschen Forscher mit, das auch mit Mitteln des deutschen Auswärtigen Amtes finanziert wird. ... mehr im Heft
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf staatlicher und nicht staatlicher Ebene zahlreiche Institutionen mit dem Ziel gegründet, eine Wiederholung dieser globalen Katastrophe zu verhindern. Mit ganz speziellen Mitteln versucht das die 1945 in Brüssel aus der Taufe gehobene Jeunesses Musicales International (JMI), die weltgrößte NGO, die sich mit jungen Musikern beschäftigt und diese über alle Grenzen hinweg zusammenbringt. Mittlerweile gibt es Jeunesses Musicales in den meisten Staaten Europas, in den USA, Kanada und Grönland, in Guatemala, Venezuela, Brasilien und Uruguay, in Kamerun, Kenia, Uganda und Malawi, in China, Indien und Australien. Text: Wolfgang König
Die deutsche Sektion der Jeunesses Musicales International ist in verschiedene Landesverbände gegliedert, der rheinland-pfälzische verantwortet das folk- und weltmusikalisch ausgerichtete Projekt Ethno Germany. Das erste Ethno-Camp fand 1990 in Schweden statt, mittlerweile hat sich das Format nicht nur quer durch Europa verbreitet, sondern besitzt auch Ableger in Übersee.
Jährliche Workshops Die Grundidee der Ethno-Camps besteht darin, jungen Leuten die Möglichkeit zu geben, traditionelle Musik neu zu entdecken und für junge Ohren interessanter zu machen, erzählt Kai Tim Brennert aus Berlin.
Austragungsort unserer etwa einwöchigen Treffen ist die rheinland-pfälzische Burgruine Lichtenberg mit ihrer Jugendherberge im Landkreis Kusel nahe der Grenze zum Saarland. Dort gibt es genügend Platz, sich musikalisch auszuleben und in kleinen Gruppen zu proben. Teilnehmen am Camp Ethno Germany können junge Leute bis zum Alter von sechsundzwanzig Jahren. Zu den Regeln gehört, dass alle ein Musikstück Tune? genannt mitbringen, das ihnen besonders am Herzen liegt. Während der Campwoche lernt jeder die Stücke der anderen und zwar nicht per Notenblatt, sondern ausschließlich über das Gehör. Das senkt einerseits bei manchen die Schwelle fürs Mitmachen; andererseits ist es zum Beispiel für diejenigen, die aus der Klassik kommen, eine ganz neue Erfahrung, einfach mal draufloszuspielen und sich dabei komplett auf ihr Bauchgefühl zu verlassen. Am Ende besitzen alle auf diese Weise ein erweitertes Repertoire und haben auch etwas über den historischen und sozialen Kontext gelernt, aus dem die jeweiligen Tunes kommen. Die Workshopregeln machen aus allen Teilnehmern Lernende und Lehrende. Danach werden die Tunes gemeinsam arrangiert und beim Abschlusskonzert auf die Bühne gebracht. Auch dieses Konzert findet auf der Burgruine statt; es steht bei freiem Eintritt allen interessierten Besuchern offen. Außerdem wird es mitgeschnitten und bei www.ethnocloud.com ins Internet gestellt. ... mehr im Heft
Hamburg ist traditionell ein musikalisches Mekka aller Szenen. Ungezählte Musiker leben in dieser Stadt, durchreisen sie oder streben auf ihre Bühnen und in ihre Studios. Singer/Songwritern bietet sich eine Plattform der besonderen Art: Schon mehr als einhundertfünfzig von ihnen nahmen in der privaten Küche eines Mannes Platz, den sie vorher gar nicht kannten. Selbstverständlich auch zum Essen, aber vor allem, um zu spielen und aufgenommen zu werden. Text: Imke Staats Ein etwa sechsjähriger Junge mit Pausbacken und Brille ist vor einer Kachelwand zu sehen, ein Schriftzug umgibt das kreisrunde Bild: Hamburger Küchensessions.
Von der Küche ins Netz
Das Konzept von der Küche ins Netz kommt bestens an, und inzwischen liest sich die Liste der Gäste wie das Whos who der Singer/Songwriter-Szene: Von Gisbert zu Knyphausen, Olli Schulz über Tom Liwa und Enno Bunger bis zu Moritz Krämer oder Dota Kehr folgte fast jeder der Einladung oder lud sich selbst ein. Die Küchensessions sind längst über die Landesgrenzen bekannt, und so waren auch schon Gäste aus den USA, Kanada, Australien und Skandinavien in der Hamburger Klangküche wie zum Beispiel der Isländer Svavar Knútur. Bis jetzt sind über einhundertfünfzig rund vierminütige Akustiksets abrufbar, die nächsten zehn Auftritte bis Juni fest gebucht. ... mehr im Heft
Paco de Lucía, Ramón de Algeciras, das Duo Flamenco und die Katona Twins gehörten zu seinem Kundenkreis. Vierundzwanzig Jahre lang baute der gelernte Zupfinstrumentenbauer Dragan Musulin in Taunusstein in Eigenregie neben Mandolinen, Vihuelas, Theorben und Lauten seine berühmten klassischen und spanischen Musulin-Gitarren, bis er 2004 seine Werkstatt aus gesundheitlichen Gründen schließen musste. Der gebürtige Serbe, Mitentwickler der frei schwingenden Decke, beherrschte die alte Handwerkskunst perfekt und war auch als Restaurator international weit bekannt. Anlässlich seines fünfundsiebzigsten Geburtstages besuchte ihn der Folker und lauschte der Geschichte seines Lebens. Text: Nadine G. Frank Mit einem herzlichen Lachen begrüßt uns Dragan Musulin in seiner Wohnung. An der Wand hängt ein Foto von ihm mit Paco de Lucía. Mit strahlenden Augen erzählt er von seiner ersten Begegnung mit dem Flamencogitarristen bei einem Konzert 1992 in Aachen. Eichenwälder und Ochsen Dragan Musulin wuchs auf einem Bauernhof in der serbischen Krajina in Kroatien auf. Als Junge zog er durch die Wälder und machte sich mit allerlei Hölzern vertraut. Oft begleitete er seinen großen Bruder, einen Schreiner, und half ihm bei der Arbeit. Abends spielte er volkstümliche Stücke auf der Mandoline, dem einzigen Instrument im Haus. Sein Schwager, ein Instrumentenbauer, war ein weiterer Lehrmeister in seinem Leben. Im Alter von zwölf Jahren baute Musulin sein erstes Saiteninstrument. Dazu benutzte er eine Wäscheleine, Buchenäste, Fensterschrauben und eine Glasscheibe zum Schleifen. Das Glas stammte vom Haus meiner Tante. Ich musste dafür leider eine Fensterscheibe einschlagen, gibt er schmunzelnd zu. Material zur Herstellung von Plektren fand er im Stall. Mit einem Messer schnitt er den Ochsen Stücke ihrer Hörner ab sehr zum Leidwesen seines Vaters, der die Tiere so nicht mehr zum erhofften Preis verkaufen konnte. Den Umgang mit Schellack, einem Sekret der asiatischen Lackschildlaus, lernte er von einer alten Lackiererin, die mit ihrer Ausrüstung von Tischler zu Tischler zog. Zu dieser Zeit war das Lackieren noch Frauenarbeit. ... mehr im Heft |
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