FOLKER – Heimspiel

HEIMSPIEL



 

Musikethnologie

Arbeiten am digitalen Gedächtnis der globalen Musik

Iran im Fokus des Centers for World Music

Wissenschaftler der Universität Hildesheim sammeln und erforschen Musik aus allen Erdteilen, seit 2013 auch solche aus der Islamischen Republik Iran. Kooperationspartner ist das Musikmuseum in Teheran. Beim Digitalisieren analoger Tonträger arbeiten Deutsche und Iraner eng zusammen.

Text: Bernd G. Schmitz

Prof. Dr. Raimund Vogels und Prof. Dr. Julio Mendívil * Foto: Isa Lange

Am 2009 gegründeten Center for World Music (CWM) der Universität Hildesheim will man das musikalische Erbe des Menschheit bewahren. Dazu gehört sowohl das wissenschaftliche Auswerten vorhandener Sammlungen als auch das Erschließen neuer Quellen. Das CWM wird von Prof. Dr. Raimund Vogels und Dr. Julio Mendívil geleitet.
Herzstück der den Hildesheimer Wissenschaftlern überlassenen Sammlungen ist das Music of Man Archive des Schweizer Musikethnologen Prof. Dr. Wolfgang Laade. Dieses umfasst eine circa 45.000 Medien umfassende Tonträgersammlung, etwa 13.000 Bücher und rund 1.000 Musikinstrumente, alles zusammengetragen zwischen 1950 und 1995. Im Jahr 2003 erwarb die Stiftung Niedersachsen Laades Sammlung und gab diese 2009 dem CWM zur wissenschaftlichen Auswertung.
go! www.uni-hildesheim.de/forschung/forschungsschwerpunkte/center-for-world-music
go! www.musicmuseum.ir
Bereits 2007 hatte Raimund Vogels, damals noch Dozent an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover, mit dem Digitalisieren der analogen Medien begonnen. „Das geschah aus dem Bewusstsein heraus, dass es sich bei den Sammlungsstücken ja im Prinzip um Museumsobjekte handelt, die nicht von möglichen Nutzern beschädigt werden sollten“, erinnert sich Vogels. „Also haben wir die Tonträger digitalisiert, um sie Interessierten zugänglich machen zu können, ohne dass diese die Originale in die Hand nehmen müssen.“

Kompetenzzentrum der Musikethnologie

Damals ging es um Musik in Westafrika. Die liegt Raimund Vogels besonders am Herzen. 1987 promovierte er mit seiner Dissertation über die Frauengesänge der Dagaaba im Nordwesten Ghanas. Vierundzwanzig Jahre später wird er Direktor des CWM in Hildesheim. Die wissenschaftliche Einrichtung „versteht sich als Kompetenzzentrum der Musikethnologie mit internationaler Ausstrahlung, regionalem Engagement und lokaler Verortung“, wie auf der Website der Universität Hildesheim zu lesen ist. Zu deren von Raimund Vogels verantworteten Schwerpunkten gehören Geschichte, Methoden- und Theoriebildung in der Musiktheorie, aber auch Musikarchive und Museen. Mit Letzterem hängt die 2013 begonnene Digitalisierung iranischer Musik zusammen.
Bei diesem Projekt kooperieren die Hildesheimer Wissenschaftler mit dem Musikmuseum Iran in Teheran. Dort ist auch Musik aus der Zeit vor der Islamischen Revolution archiviert, die aktuell im iranischen Rundfunk nicht gespielt werden darf. Dennoch arbeiten Mitarbeiter des Museums am Projekt der deutschen Forscher mit, das auch mit Mitteln des deutschen Auswärtigen Amtes finanziert wird.

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Traditionelle Musik grenzenlos

Das Projekt Ethno Germany

Musikalische Jugendtreffen auf der Burgruine Lichtenberg

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden auf staatlicher und nicht staatlicher Ebene zahlreiche Institutionen mit dem Ziel gegründet, eine Wiederholung dieser globalen Katastrophe zu verhindern. Mit ganz speziellen Mitteln versucht das die 1945 in Brüssel aus der Taufe gehobene Jeunesses Musicales International (JMI), die weltgrößte NGO, die sich mit jungen Musikern beschäftigt und diese über alle Grenzen hinweg zusammenbringt. Mittlerweile gibt es Jeunesses Musicales in den meisten Staaten Europas, in den USA, Kanada und Grönland, in Guatemala, Venezuela, Brasilien und Uruguay, in Kamerun, Kenia, Uganda und Malawi, in China, Indien und Australien.

Text: Wolfgang König

Die deutsche Sektion der Jeunesses Musicales International ist in verschiedene Landesverbände gegliedert, der rheinland-pfälzische verantwortet das folk- und weltmusikalisch ausgerichtete Projekt Ethno Germany. Das erste Ethno-Camp fand 1990 in Schweden statt, mittlerweile hat sich das Format nicht nur quer durch Europa verbreitet, sondern besitzt auch Ableger in Übersee.

Musizieren auf der Burgruine Lichtenberg * Foto: Kai Tim Brennert

Jährliche Workshops

„Die Grundidee der Ethno-Camps besteht darin, jungen Leuten die Möglichkeit zu geben, traditionelle Musik neu zu entdecken und für junge Ohren interessanter zu machen“, erzählt Kai Tim Brennert aus Berlin.
go! www.ethnogermany.de
Ethno Germany findet vom 12. bis 20. August 2015 statt, das Abschlusskonzert am finalen Donnerstag, dem 20. August.
Er gehört zu dem über ganz Deutschland und zum Teil darüber hinaus verstreuten ehrenamtlichen Team, das seit 2013 die Camps Ethno Germany organisiert.
„Austragungsort unserer etwa einwöchigen Treffen ist die rheinland-pfälzische Burgruine Lichtenberg mit ihrer Jugendherberge im Landkreis Kusel nahe der Grenze zum Saarland. Dort gibt es genügend Platz, sich musikalisch auszuleben und in kleinen Gruppen zu proben. Teilnehmen am Camp Ethno Germany können junge Leute bis zum Alter von sechsundzwanzig Jahren. Zu den Regeln gehört, dass alle ein Musikstück – ‚Tune? genannt – mitbringen, das ihnen besonders am Herzen liegt. Während der Campwoche lernt jeder die Stücke der anderen – und zwar nicht per Notenblatt, sondern ausschließlich über das Gehör. Das senkt einerseits bei manchen die Schwelle fürs Mitmachen; andererseits ist es zum Beispiel für diejenigen, die aus der Klassik kommen, eine ganz neue Erfahrung, einfach mal draufloszuspielen und sich dabei komplett auf ihr Bauchgefühl zu verlassen. Am Ende besitzen alle auf diese Weise ein erweitertes Repertoire und haben auch etwas über den historischen und sozialen Kontext gelernt, aus dem die jeweiligen Tunes kommen.“
Die Workshopregeln machen aus allen Teilnehmern Lernende und Lehrende. Danach werden die Tunes gemeinsam arrangiert und beim Abschlusskonzert auf die Bühne gebracht. Auch dieses Konzert findet auf der Burgruine statt; es steht bei freiem Eintritt allen interessierten Besuchern offen. Außerdem wird es mitgeschnitten und bei www.ethnocloud.com ins Internet gestellt.

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Musikalischer Treff in Privatküche

Hamburger Küchensessions servieren akustische Leckerbissen

Jens Pfeifer bekocht und präsentiert Singer/Songwriter

Hamburg ist traditionell ein musikalisches Mekka aller Szenen. Ungezählte Musiker leben in dieser Stadt, durchreisen sie oder streben auf ihre Bühnen und in ihre Studios. Singer/Songwritern bietet sich eine Plattform der besonderen Art: Schon mehr als einhundertfünfzig von ihnen nahmen in der privaten Küche eines Mannes Platz, den sie vorher gar nicht kannten. Selbstverständlich auch zum Essen, aber vor allem, um zu spielen und aufgenommen zu werden.

Text: Imke Staats

Ein etwa sechsjähriger Junge mit Pausbacken und Brille ist vor einer Kachelwand zu sehen, ein Schriftzug umgibt das kreisrunde Bild: Hamburger Küchensessions.
Jens Pfeifer
Das ist das Logo von Jens Pfeifers Projekt. Es klebt als Sticker an den Tresen der Hamburger Clubs, bedeckt die Vorderseite von Flyern in Plattenläden oder prangt riesig an Litfaßsäulen. Der jetzt zweiundvierzigjährige gebürtige Oldenburger hat einen Hang zu handgemachter Musik mit folkig-rockigem Touch und guter, heimatlicher Hausmannskost. In Friesland, wo er aufgewachsen ist, hat er nicht nur das Kochen von Grünkohl mit Pinkel gelernt und neun Jahre für einen Hersteller von Raumtrennungselementen gearbeitet, sondern auch seine Leidenschaft für akustische Musik entdeckt. Mit dreiundzwanzig Jahren lernte er selbst Gitarrespielen. Die Akustikversion von Neil Youngs „Rockin’ In The Free World“ inspirierte ihn nachhaltig. So beschloss er mit dreißig, seinem Leben eine neue Richtung zu geben und zog nach Hamburg, um Toningenieur zu werden. Er hat viele Freunde, die meisten haben etwas mit Musik zu tun. Seit vier Jahren lädt er regelmäßig Menschen mit Instrumenten in seine relativ kleine Altbauküche ein, lässt sie dort ein paar Lieder spielen und nimmt sie in Ton und Bild auf. Dann und wann serviert er auch ein leckeres Grünkohlgericht dazu, aber vor allem gibt es hinterher eine erstklassige Tonaufnahme und ein Video auf seiner Website.

Von der Küche ins Netz

go! www.kuechensessions.de
Autoreninfo:
Imke Staats ist Illustratorin und Folker-Mitarbeiterin. Zum Zeichnen von Musikern hat sie schon lange eine besondere Affinität, machte von 2004 bis 2007 auch Illustrationen zu Folker-Beiträgen. Bei der ersten Samplerausgabe der Küchensessions fertigte sie kleine Porträts in (Küchen-)Kacheln der beteiligten Musiker an, welche dann auf dem Cover und auf diversen Merchandisingartikeln auftauchten.
Alles fing an, als er 2010 ein paar seiner Freunde zu sich zum Essen einlud und dann nach Tisch ein wenig aufgespielt wurde. Sein Freund Tomas Engel, Hamburger Singer/Songwriter, kam als erster in den Genuss von Speis und Präsentation. Ein technischer Profi wie Pfeifer hatte sowohl Mikrofon als auch Kamera parat. Ein kleines Konzertvideo vor leeren Tellern und gemusterten Kachelbändern entstand und wurde online gestellt, ein weiteres folgte. Drei- bis viermal monatlich lassen Pfeifer und seine Freundin nun „fremde“ Menschen in ihre Wohnung. Die Stimmung ist dabei immer freundlich. Neben den Machern wohnt manchmal noch ein kleines Publikum den Aufnahmen bei.
Das Konzept „von der Küche ins Netz“ kommt bestens an, und inzwischen liest sich die Liste der Gäste wie das Who’s who der Singer/Songwriter-Szene: Von Gisbert zu Knyphausen, Olli Schulz über Tom Liwa und Enno Bunger bis zu Moritz Krämer oder Dota Kehr folgte fast jeder der Einladung oder lud sich selbst ein. Die Küchensessions sind längst über die Landesgrenzen bekannt, und so waren auch schon Gäste aus den USA, Kanada, Australien und Skandinavien in der Hamburger Klangküche wie zum Beispiel der Isländer Svavar Knútur. Bis jetzt sind über einhundertfünfzig rund vierminütige Akustiksets abrufbar, die nächsten zehn Auftritte bis Juni fest gebucht.

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Von der perfekten Schwingung

Gitarrenbauer Dragan Musulin feierte fünfundsiebzigsten Geburtstag

Mitentwickler der „frei schwingenden Decke“

Paco de Lucía, Ramón de Algeciras, das Duo Flamenco und die Katona Twins gehörten zu seinem Kundenkreis. Vierundzwanzig Jahre lang baute der gelernte Zupfinstrumentenbauer Dragan Musulin in Taunusstein in Eigenregie neben Mandolinen, Vihuelas, Theorben und Lauten seine berühmten klassischen und spanischen Musulin-Gitarren, bis er 2004 seine Werkstatt aus gesundheitlichen Gründen schließen musste. Der gebürtige Serbe, Mitentwickler der „frei schwingenden Decke“, beherrschte die alte Handwerkskunst perfekt und war auch als Restaurator international weit bekannt. Anlässlich seines fünfundsiebzigsten Geburtstages besuchte ihn der Folker und lauschte der Geschichte seines Lebens.

Text: Nadine G. Frank

Mit einem herzlichen Lachen begrüßt uns Dragan Musulin in seiner Wohnung. An der Wand hängt ein Foto von ihm mit Paco de Lucía. Mit strahlenden Augen erzählt er von seiner ersten Begegnung mit dem Flamencogitarristen bei einem Konzert 1992 in Aachen.
Dragan Musulin * Foto: Albert Peter
Er traf ihn, um ihm die „Flamenca Negra“, eine aus Palisander gefertigte Flamencogitarre, und die komplett aus Zypressenholz hergestellte „Flamenca Blanca“ vorzustellen. „Nur der alte Reyes hat so eine Gitarre gebaut“, schwärmte der Musiker und nahm gleich beide, begeistert von den luftigen und zugleich mächtigen Instrumenten, ihrer spontanen Tonentwicklung, einem Klang und einer Lautstärke, die für alle großen Konzertsäle geeignet sind, dem auffälligen Glanz, einer Reinheit bis in den höchsten Bund und die tiefen Register. Ein Dutzend dieser hochwertigen Gitarren produzierte Dragan Musulin jährlich in seinem Betrieb. „Ich würde heute noch arbeiten, wenn meine Augen und mein Herz mitmachen würden“, sagt er ein wenig traurig. Sein Wissen hat der ehemalige Mitarbeiter des kroatischen Konzertgitarrenbaumeisters Ernest Köröskènyi bei Hopf Instrumentenbau an acht Auszubildende weitergegeben, zu denen unter anderem Christian Stoll, Kaspar Schneeberger und Antonius Müller gehören.

Eichenwälder und Ochsen

Dragan Musulin wuchs auf einem Bauernhof in der serbischen Krajina in Kroatien auf. Als Junge zog er durch die Wälder und machte sich mit allerlei Hölzern vertraut. Oft begleitete er seinen großen Bruder, einen Schreiner, und half ihm bei der Arbeit. Abends spielte er volkstümliche Stücke auf der Mandoline, dem einzigen Instrument im Haus. Sein Schwager, ein Instrumentenbauer, war ein weiterer Lehrmeister in seinem Leben. Im Alter von zwölf Jahren baute Musulin sein erstes Saiteninstrument. Dazu benutzte er eine Wäscheleine, Buchenäste, Fensterschrauben und eine Glasscheibe zum Schleifen. „Das Glas stammte vom Haus meiner Tante. Ich musste dafür leider eine Fensterscheibe einschlagen“, gibt er schmunzelnd zu. Material zur Herstellung von Plektren fand er im Stall. Mit einem Messer schnitt er den Ochsen Stücke ihrer Hörner ab – sehr zum Leidwesen seines Vaters, der die Tiere so nicht mehr zum erhofften Preis verkaufen konnte. Den Umgang mit Schellack, einem Sekret der asiatischen Lackschildlaus, lernte er von einer alten Lackiererin, die mit ihrer Ausrüstung von Tischler zu Tischler zog. Zu dieser Zeit war das Lackieren noch Frauenarbeit.

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Update vom
09.02.2023
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