FOLKER – Editorial

EDITORIAL

Liebe Musikfreundinnen und -freunde,

SABINE FROESE * FOTO: INGO NORDHOFEN


in der historischen Mitte Berlins entsteht derzeit für viele Hundert Millionen Euro ein neues Stadtschloss. Wo einst die preußischen Könige residierten und später rund dreißig Jahre lang der Ostberliner Palast der Republik stand, soll 2019 im Neubau das Humboldtforum eröffnen, über das es viele Debatten gab und gibt. Ab Oktober soll ein Gesamtkonzept für die zukünftige Nutzung erarbeitet werden. Geplant ist laut Stiftung Preußischer Kulturbesitz, einem der drei künftigen Nutzer, nichts Geringeres als ein „einzigartiges Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung – ein international ausstrahlender Treffpunkt einer immer weiter zusammenwachsenden Weltgemeinschaft“. Großer Wert wird dabei auf einen diskursiven Ansatz gelegt, wie der Bauherr und künftige Eigentümer, die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum betont. „Das Humboldtforum will eine Auseinandersetzung wagen, die den vielschichtigen Beziehungen zwischen Deutschland und der Welt gilt. Mit unterschiedlichsten Perspektiven, Fragehaltungen und Erzählformen soll es der Vielfalt und den Werten der Weltkulturen gerecht werden.“ Dazu beitragen sollen auch die Sammlungen des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin, die von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Träger verwaltet werden und zur Zeit weitab vom Stadtkern zu sehen sind. So weit, so wohlklingend – wären nicht verschiedene Initiatoren mit der Kampagne „No Humboldt 21!“ an die Öffentlichkeit getreten, um darauf hinzuweisen, dass der größte Teil dieser Exponate zur Zeit des Kolonialismus illegal in deutsche Hände gelangt ist und deshalb „das Humboldtforum dem Anspruch eines gleichberechtigten Zusammenlebens der Migrationsgesellschaft entgegensteht“. Sie fordern einen respektvollen Dialog mit den Herkunftsgesellschaften, die selbst entscheiden sollten, was mit ihren Ausstellungsstücken geschehen soll, und ein Moratorium, das Institutionen und NGOs auf der Website www.no-humboldt21.de durch Diskussionen und Unterschriften unterstützen können. Darüber hinaus haben sie Objekte mit zweifelhaften Erwerbsgeschichten auf Plakaten veröffentlicht, die etwa auf der Website www.africavenir.org zur Verfügung stehen. Ich kann diese Kampagne nur befürworten, denn es ist längst an der Zeit, die unrechtmäßig nach Deutschland verbrachten Kulturgegenstände zurückzugeben oder – wenn das von den Partnerländern akzeptiert wird – eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Nur auf dieser Basis kann im Humboldtforum eine Begegnung der Kulturen auf Augenhöhe ermöglicht werden.

Dass und wie man interkulturell gemeinsam weiterkommt, illustrierte Ende März die Abschlussaktion der Berlin Bicycle Week, als unter dem Motto „Radfahren verbindet“ Imame und Rabbiner für den Frieden zwischen den Religionen auf gemischten Tandems durch die Stadt radelten. „Ein Tandem ist doch das beste Symbol für Zusammenarbeit“, kommentierte der teilnehmende Rabbiner Daniel Alter.

Auch der Folker trägt mit seiner Themenauswahl ja ein wenig zur Pflege des interkulturellen Dialogs bei. Diese Ausgabe führt Sie dabei mit ihrem Schwerpunktthema nach Norwegen, wo aus unserer Sicht paradiesische Zustände für Folkmusiker herrschen, denn das Land betreibt eine großzügige Förderungspolitik, die unser Autor Jens-Peter Müller ausführlich ab Seite 31 beschreibt. In der Titelgeschichte über den Meistergeiger Gjermund Larsen zeichnet er zudem ein sehr persönliches Porträt dieses Ausnahmemusikers. Außerdem stellen wir Ihnen das norwegische Frauen-A-cappella-Trio Eplemøya Songlag und den samischen Sänger Torgeir Vassvik vor. Außerhalb unseres Schwerpunkts erzählt Stefan Sell die bewegende Geschichte der Liedermacherin Katja Werker, deren neuestes Album gerade erscheint, und Martina Zimmermann berichtet von ihrer Begegnung mit dem Sänger und Multiinstrumentalisten Aziz Sahmaoui, den sie für uns in Paris und Marokko traf.

Worüber ich mich besonders freue, ist, dass sich ab dieser Ausgabe die Mitglieder des Folker-Beirats öffentlich einmischen und mit schriftlicher Post zu Wort melden. Den Anfang macht Rainer Prüß, an den ich jetzt gewissermaßen übergebe – natürlich nicht, ohne Ihnen vorher noch eine anregende Lektüre mit diesen und anderen Themen unserer Mai/Juni-Ausgabe zu wünschen.



Ihre Folker-Chefredakteurin
Sabine Froese

Update vom
09.02.2023
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