FOLKER – Michael Sez

MICHAEL SEZ

Als Folker-Chefredakteur habe ich mich immer über das meist unterirdische Niveau von Waschzetteln geärgert – jene von Musiklabels als „Presseinformation“ für ihre aktuellen Veröffentlichungen herausgegebenen Mitteilungen für Journalisten, die nur so von Superlativen strotzen. Von ärgerlichen Anglizismen der ansonsten häufig nicht von Duden-Festigkeit zeugenden Ergüsse ganz zu schweigen. Dass es inhaltlich auch anders geht, zeigt ein Rundbrief der Hamburger Firma Hanseplatte, der mich nach der diesjährigen Oscar-Verleihung unter der Überschrift „Aufhören, wir haben genug!“ erreichte.
MICHAEL KLEFF * FOTO: INGO NORDHOFEN
Besser hätte ich diese Hollywood-Schau der Eitelkeiten auch nicht kommentieren können: „Genug von Veranstaltungen, bei denen das Spießerpublikum einer Lady Gaga huldigt, weil die ja doch amazing singen könne, das hätte man ja gar nicht gedacht bei der crazy Nudel, und bei denen dann Weiße Schwarzen Preise verleihen für Filme, in denen Schwarze pittoresk-kritisch ihre Unterdrückung von Weißen ästhetisieren, und bei denen es auch gerne mal amüsant kommentiert einen Preis für einen Film über einen Vaterlandsverräter gibt in einem Land, in dem dieser sicher, sollte er jemals zurückreisen, umgehend sein Restleben eingesperrt werden dürfte, und bei denen Frauengleichberechtigung fordernde Reden von Preisträgerinnen folgenlos, aber umso engagierter bejubelt werden, also genug von dieser ganzen hanebüchenen BIGOTTEN SCHEISSE, die wir uns Sonntagnacht fiebergezwungen reingezogen haben. Besser hauen wir kurz mal vier linkische Kurzmeldungen mit Hamburgmusikbezug raus, da bleibt man wenigstens geistig hier, und unsere Welt ist simpler gestrickt.“
Der Appell „Aufhören, wir haben genug!“ passt auch gut zur aktuellen Politik – weltweit, versteht sich. Wobei besondere Chuzpe dazu gehört, als Regierungsmitglied erst Edward Snowden politisches Asyl in Deutschland zu verweigern und sich für die Vorratsdatenspeicherung auszusprechen und dann bei der Verleihung des Siebenpfeiffer-Preises an den amerikanischen Journalisten und Snowden-Vertrauten Glenn Greenwald die Laudatio zu halten. Was an der Mission der Preisverleiher, die Journalisten auszeichnen, die sich für freiheitliche Grundrechte und demokratische Grundwerte engagieren, ohne auf ihre Karriere Rücksicht zu nehmen, hat der SPD-Vorsitzende Gabriel nicht verstanden?

Zeichnung: Woody Guthrie
Mit freundlicher Genehmigung von Woody Guthrie Publications

... mehr im Heft  

Update vom
09.02.2023
Links
go! Home
go! Voriger Artikel
go! Nächster Artikel

Dieser Text ist nur ein Auszug des Original-Artikels der Print-Ausgabe!

FOLKER auf Papier
Dieser Artikel ist nur ein Auszug des Original-Artikel der Print-Ausgabe!
Bestelle sie Dir! Einfach das
go! Schnupper-Abo! bestellen und drei Ausgaben preiswert testen. Ohne weitere Verpflichtung!
Oder gleich das
go! Abo ?