FOLKER – Vorbildliche Musikförderung in Norwegen
Schwerpunkt Norwegen
Majorstuen

Konsequenz, Kompetenz, Transparenz

Vorbildliche Musikförderung in Norwegen

Sind die Norweger bessere Musiker als ihre Kolleginnen und Kollegen anderswo auf der Welt? Das mag man sich manchmal fragen angesichts der Fülle von großartigen CD-Produktionen, die die norwegische Szene immer wieder hervorbringt. Was Klang, Kreativität, Qualität und Intensität angeht, ist das Land im Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation weltweit absolute Spitze. Dennoch würde ein Norweger die Frage selbstverständlich mit „Nein!“ beantworten. Man ist, nach grundlegendem, skandinavischem Selbstverständnis, Gleicher unter Gleichen. Aber Norwegen ist reich. Reich an atemberaubender Natur und lebendigen Traditionen, die kostbare Inspirationsquellen darstellen, und durch das Nordseeöl verfügt es auch über enorme finanzielle Mittel.

Text: Jens-Peter Müller

Bis Ende der Sechzigerjahre war Norwegen ein armes Land. Dann wurde das Öl entdeckt. Zu diesem Zeitpunkt saßen einige kluge, aufrichtige Personen an entscheidenden Stellen in der regierenden Arbeiterpartei, die die Weichen dafür stellten, dass die Ölförderung vom Staat betrieben wird und nicht von privaten Investoren.
» Kultur und kulturelle Identität haben für dieses Land, das jahrhundertelang unter Fremdherrschaft stand, eine enorme Wichtigkeit. «
Mit anderen Worten: Der Einsatz, also ein möglicher Verlust, aber auch die eingetretenen erwirtschafteten Gewinne wurden und werden sozialisiert und gehen in so starkem Maße wie in keinem anderen Staat der Erde auch an die Kulturszene. Kultur und kulturelle Identität haben für dieses Land mit fünf Millionen Einwohnern, das jahrhundertelang unter Fremdherrschaft stand, eine enorme Wichtigkeit. Von den finanziellen Förderungen profitieren diejenigen, die sich um das kulturelle Erbe kümmern – und dazu gehören, anders als in Deutschland, ganz wesentlich auch die Volksmusiker und die gesamte zeitgenössische Musikszene, also nicht nur die Klassiksparte.
Fasziniert vom norwegischen Jazz, zog der deutsche Musiker und Musikwissenschaftler Alex Gunia Mitte der Nullerjahre mit Frau und Kind nach Oslo und unterrichtete sechs Jahre an der dortigen Musikhochschule. In einem Feature des Deutschlandfunks aus dem Jahr 2014 mit dem Titel Wohin mit der ganzen Musik? erzählt er von seinen Erfahrungen: „Mir ist aufgefallen, dass die komplette Branche subventioniert ist. Da gibt es verschiedenste Töpfe, aus denen du deine neuen Gitarrensaiten subventioniert bekommen kannst. Du kannst Unterstützung beantragen für ein neues Laptop, für die Proberaummiete, für alles kannst du Zuschüsse beantragen. Ich hatte fertige vierundzwanzigjährige Musikstudenten, die alle konkrete Karrierevorstellungen hatten wie zum Beispiel, ein Jazztrio zu gründen, auf Welttour zu gehen und anschließend Platten im eigenen Studio zu machen. Ich hab das am Anfang gar nicht verstanden: Du bist Musikstudent, du bist nach deinem Abschluss natürlich erst mal arbeitslos. Du musst unterrichten, in einer Galaband spielen oder großes Glück haben, dass du von deiner Musik leben kannst … Aber in Norwegen ist es eher die Ausnahme, dass ein Musikstudent nach seinem Studium nicht sofort eine professionelle Karriere beginnt. Und es gibt einen hohen Output, sehr viele sehr gute Musiker mit einer ganz eigenen Identität.“

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(Høgskulen i Telemark, Abt. Rauland)


Gehen wir ein bisschen ins Detail und lassen auch konkrete Zahlen sprechen, denn auch das gehört zum norwegischen Selbstverständnis: hundertprozentige Transparenz. Wer sich auf den Websites des Kulturradet, der Organisation Folk Org oder des norwegischen Musikexportbüros Music Norway durch die unglaubliche Vielfalt an Fördertöpfen (norwegisch støtte) arbeitet, findet überall lückenlose Listen, wie viel Geld welche Künstler wofür bekommen haben. Für die ausländischen Musiknutzer sind die Credits auf den Covern norwegischer CDs ein augenfälliger Hinweis auf diese Unterstützung. Der vom Kulturrat verwaltete Fond for lyd og bilde („Fonds für Klang und Bild“) fördert die Produktion und Vermarktung innovativer CDs mit durchschnittlich 3.000 bis 5.000 Euro. Diese Mittel, die es in ähnlicher Form auch in den anderen nordischen Ländern gibt, sollen vor allem eine Kompensation für das erlaubte Kopieren von Bild- und Tonträgern zum privaten Gebrauch darstellen. Weiterhin können Gelder für besondere Projekte beantragt werden. So erhielt das Label Kirkelig Kulturverksted für seine Aktivitäten zum vierzigjährigen Jubiläum (siehe auch Labelporträt, Seite 58ff.) um die 35.000 Euro. Der Norwegische Kulturrat verwaltet ebenfalls die Mittel des Norsk Kulturfond, der unter anderem Ensemble-Støtte bewilligt. Diese Gelder können ausgewählte Ensembles frei für alle Aspekte ihrer Arbeit ausgeben. In den aktuellen Listen tauchen die Band des Hardangerfiedlers Nils Økland mit einem Jahresbetrag von etwa 25.000 Euro und die Folkgruppe Majorstuen mit 35.000 Euro auf. Die Band des Folk-Jazz-Saxofonisten Karl Seglem erhält sogar für den Zeitraum 2015 bis 2017 durchschnittlich 35.000 Euro pro Jahr. Der Norsk Kulturfond vergibt auch staatliche Künstlerstipendien. In der Rubrik „Nyutdannede kunstnere“ („neu ausgebildete Künstler“) wird zum Beispiel der Weg der Folksängerin Liv Ulvik von der Gruppe Eplemøya Songlag (siehe Porträt auf Seite 21) in eine professionelle Karriere mit etwa 11.000 Euro erleichtert.

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Update vom
09.02.2023
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Dieser Text ist nur ein Auszug des Original-Artikels der Print-Ausgabe!

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