Schwerpunkt Norwegen
Aus der Natur und vom Tanzboden auf die Bühne
Norwegische Traditionsmusik früher und heute
Norwegen ist eine junge Nation mit langen und starken Traditionen in der ländlichen Kultur. Die Einwohnerzahl erreichte erst vor Kurzem fünf Millionen, und bis weit ins zwanzigste Jahrhundert wohnte der größte Teil der Bevölkerung auf dem Land. Die Hauptstadt Oslo wuchs erst in den letzten hundert Jahren zur Großstadt, und die zweitgrößte Stadt, Bergen, ist gerade einmal so groß wie Kiel. Heute ist Norwegen hochmodern und die alten Industrien weichen dem Hightech, aber der Ausspruch des Sängers und Journalisten Erik Bye gilt eigentlich immer noch: Wenn man lange genug an einem Norweger kratzt, kommt irgendwann ein Bauer oder ein Fischer zum Vorschein. Heute repräsentieren junge, professionelle Bühnenkünstler die norwegische Volksmusik international. Sie komponieren selbst, machen Musik für Theater und Fernsehen, kreieren neue Formen von Tanz, die auf traditionellem Tanz aufbauen, und sie schreiben auch eigene Texte oder vertonen Lyrik.
Text: Hans-Hinrich Thedens
Fast ausnahmslos sind diese modernen Künstler aber in der Spielmannsbewegung aufgewachsen, die seit gut hundert Jahren die traditionelle Musik Norwegens verwaltet hat. Hier fanden sich vor allem Geiger zusammen, gründeten Vereine und arrangierten ab 1888 Wettbewerbe, die Kappleiker, bei denen die Spielleute mit ihren Versionen meist alter Geigenstücke konkurrierten. Zuerst waren es Musiker aus dem Süden (Telemark, Valdres, Hallingdal, Setesdal) und Westen (Hardanger, Voss, Sogn), die das Nationalinstrument Hardangerfiedel (norwegisch hardingfele) spielten. Diese kunstvoll verzierten Instrumente haben neben den vier Melodiesaiten noch vier bis fünf Resonanzsaiten, die unter dem Griffbrett verlaufen. Der Steg ist sehr flach, sodass es möglich ist, ständig mehrere Saiten gleichzeitig zu spielen. Ihre Kollegen im Osten (Østerdalen, Gudbrandsdalen, Trøndelag mit Røros) und Norden, die die gewöhnliche, meist aus Deutschland importierte Geige spielten, eiferten ihnen bald nach. 1923 schloss man sich zum Landesverband der Spielleute zusammen (heute Folk Org), und seitdem trifft sich die Volksmusikgemeinde jeden Sommer zum Landskappleik, bei dem mehrere tausend Volksmusikenthusiasten aus großen Teilen des Landes eine Stadt oder Gemeinde regelrecht überlaufen.
Die Musik, die diese Bewegung pflegt, stammt aus dem achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert, als es in jedem Dorf mindestens einen Tanzgeiger gab, der für die Gemeinde aufspielen konnte. Die besten von ihnen konnten davon leben, aber die meisten waren Bauern, Landarbeiter und Tagelöhner und spielten einfach für ihre Freunde und Nachbarn.
»
Fast ausnahmslos sind diese modernen Künstler in der Spielmannsbewegung aufgewachsen.
|
Alle Dorfbewohner tanzten die lokalen Paartänze, meist den schnelleren Springar, einen Lauftanz, in einigen Regionen aber auch noch den älteren Schreittanz Gangar. Manchmal maßen sich die jungen Männer auch im akrobatischen Solotanz Halling. Die Musikstücke nennt man Slåtter, was Geschlagene bedeutet und wohl von der Harfe stammt, die schon in den alten Sagas erwähnt wurde.
Auch als die Geige das wichtigste Instrument für die Tanzmusik wurde, war ein einzelner Spielmann genug für die kleinen Räume in den Blockhäusern der Täler. Die Tänzer bewegten sich alle mit der Musik, aber selten genau gleich. Sie reihten Figuren aneinander, ohne sich darum zu kümmern, was die anderen Tänzer taten. Und die Musik kümmerte sich nicht um vorhersagbare Phrasen, sondern spann die Melodien genauso frei weiter. Es wurde nicht über Akkorde, sondern über die Zeit improvisiert.
... mehr im Heft
| |
FOLKER auf Papier
|
---|
Dieser Artikel ist nur ein Auszug des Original-Artikel der Print-Ausgabe!
Bestelle sie Dir! Einfach das Schnupper-Abo!
bestellen und
drei Ausgaben preiswert testen. Ohne weitere Verpflichtung!
Oder gleich das Abo
?
|
|