HEIMSPIEL
Zum Zeitpunkt als dem Brandenburger Andreas Sommer 1996 auf einem Flohmarkt ein Akkordeon über den Weg lief, studierte er Geschichte und Religionswissenschaft an der Uni Potsdam. Sommer hatte bereits eine kleine Sammlung von Musikinstrumenten zu Hause herumliegen und nahm das Wrack, weil es ihm gefiel und preiswert war, zum Ausprobieren mit nicht ahnend, dass er damit seinem Berufsleben eine ganz andere Richtung geben würde. TEXT: KAY REINHARDT Schnell fand der Geschichtsstudent heraus, dass er eine zweireihige, diatonische Handharmonika erworben hatte, die etwa achtzig Jahre alt war. Gewohnt, Dingen auf den Grund zu gehen, zerlegte er sie in ihre Bestandteile. Daraus entwickelte sich schon bald eine Begeisterung für die Mechanik, für die unterschiedlichen Materialien und den Klang von Instrumenten dieser Art. Sommer faszinierte, wie aus dem Zusammenspiel aller Teile vom Blasebalg über Gestänge, Stimmzungen, Knöpfe und Tasten mehrstimmige Klänge erzeugt werden. Nach einigen weiteren Flohmarktfunden war ihm klar, dass er mehr über Akkordeonbau wissen wollte. Und bald schon träumte Andreas Sommer davon, eigene Instrumente zu bauen. Handzuginstrumentenmacher statt Historiker
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Was steckt hinter diesen drei Wörtern, die ohne Bindestrich aneinandergereiht den Namen einer Institution bilden, die 2014 ihr dreißigjähriges Jubiläum feierte: Frauen Musik Büro? TEXT:MICHAEL A. SCHMIEDEL
1983 fand in Wien die erste österreichische Frauen-Musik-Woche statt, bei der auch einige deutsche Teilnehmerinnen die schöne Erfahrung machten mal nicht vereinzelt und meistens als einzige Frau unter Männern Musik zu machen, wie Hildegard Bernasconi, die erste Vorsitzende des Frauen Musik Büros, und Mane Stelzer, Redakteurin der Zeitschrift Melodiva, es formulieren. Von Österreich über Norddeutschland nach Hessen Wieder daheim in Norddeutschland mündete diese Erfahrung 1984 in die Gründung des Vereins Frauen Machen Musik e. V. in Lüneburg, der noch im selben Jahr die erste Norddeutsche Frauen-Musik-Woche durchführte. 1985 folgte der erste regelmäßige Rundbrief, eine Zeitschrift für die Fördermitglieder des Vereins, die bald zu einem richtigen Heft wurde, seit 1996 unter dem Namen Melodiva geführt wird und seit 2000 nur noch online für jedermann lesbar ist. Neben dem bereits vorhandenen Kontakt nach Österreich wurde auch eine Verbindung zu der Schweizer Frauenmusikinitiative Fra-Ma-Mu aufgebaut, und in Hamburg wurde 1986/87 als Ableger das Frauenmusikzentrum gegründet. Nach sechs Norddeutschen Frauen-Musik-Wochen zogen neue Vorstandsmitglieder 1989 nach Frankfurt am Main um, wo sie 1990 das noch heute bestehende Frauen Musik Büro gründeten. Von dort aus veranstalten sie seitdem die Hessische Frauen Musik Woche, die 2014 zum siebzehnten Mal stattfand und die, wie die anderen Veranstaltungen, zwar regional benannt ist, aber allen Frauen Deutschlands und darüber hinaus offenstehen. Förderung von Mädchen und Frauen in der Popularmusik Worum geht es dem Verein? Nur darum, Frauen das Gefühl zu vermitteln, ohne Männer Musik machen zu können? Nein, es geht darum, Mädchen und Frauen darin zu unterstützen, sich im Geschäft der Popularmusik behaupten zu können. Unter Popularmusik verstehen die Macherinnen weder Klassik noch Alte Musik, sondern Pop, Rock, Jazz und eben auch Folk- und Weltmusik sowie Liedermacherei. Nur zu Schlager und zur volkstümlichen Musik gibt es keine Berührungspunkte. Die Abgrenzung zur Klassik rührt daher, dass sich ebenfalls vor etwa dreißig Jahren in Kassel der Verein Archiv Frau und Musik gründete, mit dem sich das Frauen Musik Büro gewissermaßen die Arbeit teilt. Zugleich gibt es eine Berührung mit der Klassik, da viele Jugendliche, die ein Instrument erlernen, mit klassischer Musik beginnen und sich besonders Mädchen danach nicht an das Instrumentalspiel von Popularmusik herantrauen. 51 Prozent der neun- bis dreizehnjährigen von ihnen und 37 Prozent der Jungen spielen ein Instrument. Bis zum achtzehnten Lebensjahr halbiert sich die Zahl bei den Mädchen und pendelt sich danach bei beiden Geschlechtern bei etwa 25 Prozent ein, wie die Studie des Deutschen Jugendinstituts und Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung Medien, Kultur und Sport bei jungen Menschen 2011/12 zeigt. ... mehr im Heft
Die Idee für die Konzertreihe Listen, Lüstern, Lauschen entstand aus einer Verlegenheit heraus. Sibylle und Herrmann Wessels hatten bereits in den Vorjahren vereinzelt Folkkonzerte auf Norderney ausgerichtet. Da die entsprechende Lokalität, in der diese stattfanden, nicht mehr zur Verfügung stand, musste etwas Neues her. Der Gedanke war auch, eine kleine Konzertreihe ins Leben zu rufen, die in der Herbst- und Winterzeit stattfindet, in der Zeit, in der die Insulaner nach der langen Touristensaison wieder Zeit für sich haben. Konzerte, organisiert von Norderneyern für Norderneyer und natürlich auch für interessierte Gäste, die in dieser ruhigeren Phase die Insel besuchen, sollten es sein. Nach inzwischen vier Jahren und fünfundzwanzig gut besuchten Veranstaltungen hat sich Listen, Lüstern, Lauschen auf der Insel etabliert. TEXT: ANTJE KÖSER Da wurden wir einfach überrannt!, erzählen die beiden musikinteressierten Norderneyer Sibylle und Hermann Wessels lachend über das erste Konzert im Oktober 2010. Das Zwischenmenschliche zählt
Ohne dieses Angebot der Reederei wären die Konzerte auf der Insel kaum möglich, denn die Einnahmen halten sich mit den übrigen Kosten der Veranstaltungen gerade die Waage. Wird dennoch ein Erlös erwirtschaftet, kommt dieser direkt wieder dem evangelischen Gemeindehaus zugute. Für uns zählt nicht der finanzielle Gewinn, sondern das Zwischenmenschliche, sagt Hermann Wessels. Das Gemeindehaus hat sich mit seiner hervorragenden Akustik inzwischen als idealer Ort für die Konzerte bewährt, und die Atmosphäre des Saals lässt zwischen Künstler und Zuschauer eine nahe und gemütliche Stimmung entstehen. Viele Musiker waren in den vergangenen vier Jahren schon auf der kleinen Bühne zu Gast. Es begann mit der Irish-Folk-Band An Rinn, dann folgten Show of Hands, Laway, Bardic, Viviane Kudo, Paul OBrien, Ben Sands, Hafennacht, um nur einige zu nennen. Das Jubiläumskonzert fand im Oktober 2014 mit dem Singer/Songwriter Allan Taylor statt.
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Geht es um Veranstaltungsorte für Folker-kompatible Musik in Berlin, fällt ziemlich schnell der Name Die Wabe. Das Haus im Prenzlauer Berg, das seinen Namen dem entsprechend geformten Grundriss verdankt, steht auf dem Gelände eines ehemaligen Gaswerkes, das von 1873 bis 1981 in Betrieb war. Die drei riesigen Gasbehälter wurden ungeachtet zahlreicher Proteste 1984 gesprengt. Auf dem freigewordenen Grundstück entstand die Plattenbausiedlung Ernst-Thälmann-Park und mit ihr 1986 als Teil eines größeren Kulturzentrums die Wabe. Den überregionalen Ruf verdankt das Haus seiner langjährigen Leiterin Uschi Kleinert. TEXT:WOLFGANG KÖNIG Eigene künstlerische Erfahrungen sammelt Uschi Kleinert zu DDR-Zeiten vor allem im legendären wenn auch bei manchen geradezu verhassten Oktoberklub. Künstler aus aller Welt Die lange Liste derjenigen, die bislang auf der Bühne der Wabe standen, umfasst Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt, Gerhard Schöne, Billy Bragg oder Luka Bloom, von der Folk- und Klezmerfraktion zum Beispiel Aufwind, Wacholder, Brave New World aus den USA und The Whisky Priests aus dem nordenglischen Durham. Den Bereich Weltmusik vertraten unter anderem Inti-Illimani aus Chile, Mezcla aus Kuba und die Radio-Multikulti-Hausband Los Multikultis. Jazz gab es mit Bajazzo und Dekadance, der Hannes Zerbe Blech Band, dem südafrikanischen Pianisten Paul Hanmer oder dem Saxofonisten Willem Breuker, Pop mit Rosenstolz und Ina Deter. Selbst das Kammerensemble Neue Musik Berlin war schon in dem Haus an der Danziger Straße zu hören. Getragen wird die Wabe vom Fachbereich Kunst und Kultur, dem früheren Kulturamt des Berliner Großbezirks Pankow, zu dem auch der Stadtteil Prenzlauer Berg gehört. In meine Programmgestaltung hat sich bisher niemand eingemischt, erzählt Uschi Kleinert, aber um die Finanzierung muss ich natürlich immer wieder kämpfen. Das Budget deckt dabei gerade einmal die Fixkosten, es kann also damit der Betrieb des Hauses an sich bezahlt werden, aber für Festgagen reicht es nicht. Folglich treten alle Künstler bei uns für einen Anteil an den Einnahmen auf, was zumindest in Berlin inzwischen generell durchaus üblich ist. Trotz unserer knappen Finanzausstattung sind wir aber immer noch privilegiert gegenüber privaten Veranstaltern, die jeden Monat auch noch den eigenen Lebensunterhalt erwirtschaften müssen. Daraus leite ich nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zu gelegentlichen Experimenten ab. Dadurch bewegt sich etwas, und anders als die Privaten können wir eben auch mal scheitern, ohne dass gleich die Welt untergeht. Dass sich ständig Künstler um Auftritte in der Wabe bewerben, liegt nicht zuletzt an dem achteckigen Saal selbst, der bis zu vierhundert Zuschauer fassen kann, und dem eingespielten Technikteam, das dem akustisch nicht ganz unkomplizierten Haus immer wieder einen hervorragenden Sound abtrotzt. So etwas spricht sich in Musikerkreisen herum. ... mehr im Heft |
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