FOLKER – Ethio Jazz
MULATU ASTATKE * FOTO: ALEXIS MARYON

Wie das sanfte Wogen des indischen Ozeans

Sahara Swing

Die Wiederentdeckung des Ethio Jazz

Ein Trend macht Furore: Ethio Jazz, ein Mix aus Jazz, Funk und traditionellen Melodien aus Äthiopien. Beyond Addis heißt das erste Album, das den Stil in seinen internationalen Verästelungen nachzeichnet.
TEXT: CHRISTOPH WAGNER

„2001 kam mir zum ersten Mal äthiopische Musik zu Ohren, als ich in New York im Studio ein Album abmischte“, erzählt der Münchner Gitarrist Jan Weissenfeldt alias J. J. Whitefield. „Die Musik stammte von einem Album von Mulatu Astatke aus dem Jahr 1972. Kurz darauf stieß ich auf weitere frühe Platten von ihm und war angefixt.“
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ALBUMTIPPS:
Diverse, Beyond Addis – Contemporary Jazz & Funk Inspired By Ethiopian Sounds From The 70’s (Trikont, 2014)
Diverse, Éthiopiques, Vol. 1-29 (Buda Musique, 1997-2014)
Karl Hector & The Malcouns, Unstraight Ahead (Now-Again Records, 2014)
Woima Collective, Frou Frou Rokko (Kindred Spirits, 2014)
Kazanchis + 1, Dinkenesh (Mental Groove, 2014)

» Wir leben in einer globalen Zivilisation. Diese Situation spiegelt sich in meiner Musik wider. «
Jan Weissenfeldt

Weissenfeldt grub weiter und entdeckte einen ganzen Planeten wundersamer Klänge. Sie waren unter dem Titel Éthiopiques beim französischen Label Buda erschienen und dokumentierten die Musikszene von Addis Abeba in den frühen Siebzigerjahren. „Ethio Jazz“ oder „Sahara Swing“ sagte man damals dazu.

Inzwischen sind achtundzwanzig Alben in der Éthiopiques-Serie erschienen, und auf einigen ist auch Mulatu Astatke mit von der Partie. Weil die Wiederveröffentlichungen vor allem bei einem jungen Publikum auf offene Ohren stießen, rückten sie den Veteranen wieder ins Rampenlicht, und Ethio Jazz erlebte ein unerwartetes Comeback. Das Revival erhielt einen zusätzlichen Schub durch Jim Jarmusch und seinen Film Broken Flowers von 2005, in dem etliche Stücke von Astatke im Soundtrack zu hören waren.

Als der inzwischen ältere Herr mit grau meliertem Haarkranz und silbernem Oberlippenbart diese Aufnahmen machte, war er ein junger Mann und in Äthiopien ein kleiner Star. Damals – Anfang der Siebzigerjahre – trat er regelmäßig in den Clubs von „Swinging Addis“ auf und erregte mit einem Sound Aufsehen, der Jazz und Funk mit den arabisch-klingenden Melodien seines Heimatlands zu einem afropsychedelischen Mix verband.

Bereits mit zwanzig Jahren war der 1943 geborene Astatke weit herumgekommen. Zuerst hatte er am Trinity College in London ein Studium absolviert und nebenbei in den Clubs der englischen Hauptstadt gejammt. Dann wechselte er ans Berklee College of Music ins amerikanische Boston, um 1963 nach New York zu ziehen, wo er mit amerikanischen und puerto-ricanischen Musikern das Ethiopian Quintet gründete. Die Combo spielte zwei Platten unter dem Titel Afro-Latin Soul mit markanten Klavierriffs, dichten Latinrhythmen und schwebenden Vibrafontönen ein.

Ende der Sechzigerjahre kehrte Astatke nach Äthiopien zurück und wurde eine treibende Kraft in den Clubs von Addis Abeba. Als 1974 eine sozialistische Junta Kaiser Haile Selassie stürzte, trocknete die Szene aus. Viele Musiker flohen ins Ausland, wo sie rasch in Vergessenheit gerieten. So erging es auch Mulatu Astatke.

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Update vom
09.02.2023
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