5 Minuten mit...Kali MutsaImaginäre Turbofolklore aus Chile
Musikalisch Schrilleres aus dem südlichen Amerika kommt uns meistens aus Ländern wie Brasilien, Mexiko oder Argentinien zu Ohren. Chile hingegen wird eher mit seinen gedankenschweren Liedermachern und traditionsnaher Folklore assoziiert, denn die Nation scheint auch musikkulturell noch immer schwer an der Militärdiktatur zu tragen. Aus deren langem Schatten treten Musiker der jüngeren Generation jedoch mehr und mehr heraus, ohne dabei jene düstere Zeit zu vergessen. Es werden stilistisch andere, oft auch elektronische Register gezogen, wie etwa Kali Mutsa es tun Paradiesvögel in Chiles aktueller Musikszene. TEXT: KATRIN WILKE Dafür, dass das junge Quartett aus Santiago de Chile seine Musik und Bandgeschichte mit viel Mythen, einem Schuss Glamour und Partylaune versetzt, ist unser Gesprächseinstieg kurz nach Ankunft der Gruppe auf unserem Kontinent geradezu geerdet: politisch wach statt Jetlag-müde. Angesprochen auf die heutige Stimmung in ihrem Heimatland, kommt Celine Reymond, Frontfrau und von Haus aus Schauspielerin, auf das Problem der politischen Immunität im Land zu sprechen, auf die Leute, die nie für ihre Taten während der Diktatur bezahlten: Geheimpolizeichefs, Pinochet selbst, Folterer. Die bekleideten später Bürgermeister- und andere hohe Posten. Oder kamen in Luxusgefängnisse mit Tennisplatz und anderen Annehmlichkeiten. Ich denke, all dies verpasst dem Land seine Depression. Man tat so, als sei nichts passiert, ging über alles hinweg.
Klarinettist und Komponist Juan Francisco Obando, der auch als Anwalt arbeitet, erinnert hierbei an die extrem militarisierte Struktur der Schulen Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre. Heute sei dies etwas aufgebrochen, die Leute äußerten sich anders als früher kritischer über die Diktatur. Reymond betont, dass jedoch noch immer eine Art Angst herrsche: Ich als Telenovela-Schauspielerin muss zum Beispiel sehr moderat antworten, wenn man mich im Interview um meine Meinung bittet. Ansonsten bekomme ich Probleme bei der Arbeit und schade meinem Image. Es funktioniert so, dass man sich besser mit niemandem anlegt, sich nicht auf die eine oder andere Seite schlägt. So empfinde ich das Dasein einer öffentlichen Person. ... mehr im Heft |
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