FOLKER
präsentiert:
TFF Rudolstadt 2014
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Von den Armenhügeln in die Popcharts
Ausdruck brasilianischer Volksseele
Wenn in Rio zum Carnaval die gigantischen Wagen mit den kostümierten Tänzern auffahren, dann ist das Samba. Wenn Carmen Miranda, die Legende mit dem Fruchthut, auf alten Aufnahmen der 1940er schmettert, dann ist das ebenso Samba. Wenn Popstar Marisa Monte sich zu den alten Musikern der Portela-Schule begibt, um im Hinterhof feinsinnige Lieder über das bittersüße Schicksal anzustimmen auch das ist Samba. Nicht zu vergessen die weißgewandeten Tänzerinnen im eintausendfünfhundert Kilometer nördlich von Rio gelegenen Salvador da Bahia. Der Samba hat während seiner verzweigten Evolution viele Gesichter angenommen. Anlässlich des Tanzschwerpunkts beim TFF Rudolstadt stellt der Folker einen Querschnitt durch die vielen Facetten des brasilianischen Nationalgenres vor.
TEXT: STEFAN FRANZEN
Über den Ursprung des Wortes sind sich Musikethnologen bis heute nicht einig: Als plausibelste These gilt, dass samba aus der Bantu-Sprachfamilie kommt und aus dem in Angola gebräuchlichen Verb kusamba (hüpfen) durch den Sklavenhandel seinen Weg nach Brasilien fand.
TFF-Tanzschwerpunkt mit Samba de Roda de Nicinha
Beim TFF können die Besucher in eine der ältesten Formen des Samba eintauchen. Die eingeladene Formation Samba de Roda de Nicinha stammt aus Santo Amaro nahe der Allerheiligenbucht von Bahia. Die Gruppe um die Leiterin Dona Nicinha engagiert sich für die Bewahrung des afrobrasilianischen Erbes in der Region. In ihrem Repertoire finden sich viele Formen des Samba de Roda mit jeweils individuellen Tanzschritten: der festliche Samba Corrido, der von kleinen Gitarren dominierte Samba de Viola, der Samba Chula mit ironisch-pikanten Stegreif-Versen und außerdem Präsentationen des Kampftanzes Maculelê.
sambadenicinha.com
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Dort verselbständigte es sich offenbar als Bezeichnung innerhalb der afrobrasilianischen Tänze, die zunächst noch unter dem Sammelbegriff batuque gefasst wurden. Erstmals ist der Begriff samba im Jahr 1838 für Pernambuco belegt.
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Das Leben
ist einfach
besser mit
dem Samba.
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Im südlich davon gelegenen Staat Bahia bildet sich der Samba de Roda im Gebiet um die Metropole Salvador heraus: Eine tia, eine in der afrobrasilianischen Candomblé-Religion engagierte Priesterin, bewegt sich innerhalb eines Kreises von Sängern und Musikern, bis sie nach dem rotierenden Prinzip mit einer Bauchberührung (umbigada) einen der Außenstehenden auffordert, sie abzulösen. Einerseits spielt die Percussion in dieser frühen Sambaform eine herausragende Rolle: Das Geflecht der Beats (Batucada) setzt sich zusammen aus der Fasstrommel Atabaque, der konischen Trommel Timbal, der Rahmentrommel Pandeiro, der Glocke Agogô und dem Schrappinstrument Reco-reco. Andererseits gibt es auch Varianten, in denen ein Vorsänger mit vierzeiligen Strophen im Vordergrund steht.
Der Niedergang der Tabak- und Kakaoplantagen in Bahia und die Abschaffung der Sklaverei 1888 lässt viele Bahianer nach Rio strömen, wo sie sich als Hafenarbeiter oder Straßenverkäufer durchschlagen.
Sie siedeln sich auf den Hügeln oberhalb der Stadt an oder im Zentrum um die Praça Onze. Der Platz und die umliegenden Tanzhäuser der tias werden zur Wiege des Samba Carioca, des Sambas aus Rio.
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KLEINE EINSTIEGSDISKOGRAFIE:
Cartola, Divino Samba (Tropical Music, 1999)
Teresa Cristina & Grupo Semente, A Vida Me Fez Assim (Deckdisc, 2004)
Arlindo Cruz, Batuques E Romances (Sony, 2011)
Diverse, Brésil: Choro Samba Freco 1914-1945 (Do-CD; Frémeaux, 1998)
Diverse, Casa Da Mãe Joana (Blue Jackel, 1999)
Época de Ouro, Café Brasil (Teldec, 2001)
Carmen Miranda, The Extraordinary Girl (Cherry Red, 2006)
Marisa Monte, Universo Ao Meu Redor (EMI, 2006)
Clara Nunes, Com Vida (EMI/Hemisphere, 1996)
Pixinguinha, Raízes Do Samba (EMI, 1999)
Elza Soares, Elza, Carnaval & Samba (LP: Odeon, 1969; CD: EMI Brazil, 2005)
Martinho da Vila, Meu Samba Feliz (Tropical Music, 1992)
Paulinho da Viola, A Dança Da Solidão (LP: o. A., 1972; CD: EMI Brazil, 2006)
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Hier treffen bahianische Einflüsse auf koloniale Tänze wie Polka, Habanera und Tango-Frühformen oder ein Derivat der drei, den Maxixe. Das Stichdatum für das erstmalige ausdrückliche Erscheinen des Sambas beim Karneval ist der Januar 1917. Ein gewisser Donga lässt das Stück Pelo Telefone bei der Nationalbibliothek als samba carnavalesco registrieren. Dieser saisonale Schlager verankert Samba als Genrebegriff im alltäglichen Bewusstsein.
Der unbestrittene frühe Meister des komponierten Samba ist Pixinguinha. Als Flötist und Saxofonist führt er zur üblichen Instrumentation mit Gitarre, Ukulele und Percussion auch Blechbläser ein und erweitert die Harmonien.
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Der Bandleader reüssiert auch im Nachbargenre Choro, das im Vergleich zum Samba eine größere Nähe zu den kolonialen Tänzen aus Europa besitzt. Textlich sind diese frühen Sambas frech, tragen Titel wie Grausame Frau, Deine Eifersüchteleien oder Die Zukunft ist ein Totenschädel. Die Themen ranken sich um Saufgelage, Herzschmerz und das Katz- und Mausspiel mit der Polizei, die im Samba eine Bedrohung der städtischen Ordnung sieht.
In den 1920ern wird das Viertel Estácio der Nabel des frischgebackenen Genres. Sambistas wie Ismael Silva, Armando Marçal, Ataulfo Alves und Assis Valente verfeinern es in den kommenden beiden Dekaden mit verschlungener Melodieführung und Modulationen. Die genialen Kompositionen aus der Halbwelt der unteren Volksschichten gelangen immer mehr ins Radio. Deixa Falar, die erste Sambaschule wird im Jahr 1928 gegründet, Portela, Vila Isabel, Mangueira und andere folgen, haben schnell Tausende Mitglieder. Als aufwendige Choreografien zu bestimmten Themen präsentieren sich ab den 1930ern die Carnaval-Paraden (enredos), ziehen auch die Mittelschicht an und werden schließlich von der Praça Onze auf die Prachtstraßen verlegt. Die Percussionabteilung wächst mit der Basstrommel Surdo, dem Snare-Pendant Caixa und der kleinen Repique auf bis zu Hunderte von Trommlern an.
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FOLKER auf Papier
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