FOLKER – Mor Karbasi

Das Land der Träume

Mor Karbasi

Von Granatapfeldiebinnen und
männermordenden Blondinen


Die Kultur der Sepharden, der vor fünfhundert Jahren aus Spanien nach Nordafrika und weite Teile Europas vertriebenen Juden, war bis vor einigen Jahren noch oft von musealem Muff umgeben. Das änderte sich schlagartig, als Yasmin Levy den Liederschatz in eine zeitgenössische Klangsprache übersetzte. Sie ist nicht mehr allein: Mor Karbasi heißt der neue Star dieser Szene, und mit ihrem dritten Album La Tsadika will die Achtundzwanzigjährige jetzt auch in Deutschland bekannt werden.

TEXT: STEFAN FRANZEN

MOR KARBASI



Mor Karbasi ist eine Schönheit. Sie gehört zu jenen Frauen, die Dichterseelen seit Jahrtausenden beflügeln, und bei ihr bewahrheitet sich die These, dass die genealogische Mischung besonders wohlgeformte Gesichtszüge hervorbringt. 1986 wird sie in Nazareth geboren, ihre Mutter ist sephardisch-marokkanischer Abstammung, ihr Vater kommt aus Jerusalem, hat jedoch iranische Vorfahren.
go! www.morkarbasi.com

DISKOGRAFIE:
The Beauty And The Sea (Mintaka Music, 2008)
Daughter Of The Spring (Le Chant Du Monde, 2011)
La Tsadika (Gibraltar Productions, 2013)

COVER LA TSADIKA

Von klein auf kann sie also auf die Schätze diverser Kulturräume zurückgreifen, von Spanien über den Maghreb und Israel bis nach Persien. Die engere musikalische Bindung aber hatte sie immer an die Familie ihrer Mutter. Der Urgroßvater war ein berühmter Rabbi, die Großmutter auf Beerdigungen für die Klagegesänge zuständig, und Mama Shoshana übermittelte ihr das reiche Erbe der sephardischen Musik. „Als ich ein Teenager war“, erinnert sie sich im Interview, „entschied ich mich, sorgfältig die Piyutim zu studieren, das sind die Gedichte und Lieder, die im Zusammenhang mit der jüdischen Liturgie stehen. Hebräische Gebete, die meine Vorfahren zu marokkanischen Melodien gesetzt haben. Durch dieses Studium hat meine Stimme mehr Dimensionen bekommen, denn diese Lieder sind sehr komplex und erfordern ein hohes Maß an vokalem Geschick.“

Die Piyutim sind für das junge Mädchen aber nur der Startpunkt ins Universum der Musik. Von Beginn an öffnet sie sich anderen Einflüssen wie Flamenco und Fado, begeistert sich für die portugiesische Kammerfolkgruppe Madredeus, den Cantaor Pepe Marchena, die ägyptische Diva Uum Kulthum.
» Das sephardische
Repertoire ist sehr
feminin. «
„Als ich achtzehn war, hatte ich Gesangsunterricht bei Ofer Kalaf [wichtiger Interpret sephardischer Lieder; Anm. d. Red.]. Er gab mir das Verständnis dafür auf den Weg, dass es kein klassisches Training braucht. Er sagte: ‚Mach dir keine Sorgen um den Sauerstoff, davon ist immer genügend da! Du kannst atmen, so oft du willst.‘ Für mich ist diese Einstellung beim Singen auch symbolisch für das Leben überhaupt.“

Mor Karbasi beginnt zu diesem Zeitpunkt, ihr eigenes Repertoire im Geiste der sephardischen Tradition zu schreiben, besucht dafür auch Archive. Was sie findet, sowohl dort als auch in ihrer eigenen Seele, möchte sie zu neuen Songs auf Ladino, der Spanischvariante der Sepharden formen. Auf der Sinaihalbinsel geschieht die folgenschwere Begegnung mit dem Engländer Joe Taylor. Romantischer kann ein Zufallsrendezvous nicht sein: Im Schein einer Kerze singt sie in einem Strandcafé spontan zu den Klängen seiner Gitarre. Sie bleiben in Verbindung, schreiben buchstäblich über die Telefonleitung etliche Songs. Schließlich zieht Karbasi nach London, und Taylor wird sowohl ihr privater wie auch künstlerischer Partner. Er ist verantwortlich für viele Arrangements der beiden in England entstehenden Alben The Beauty And The Sea und Daughter Of The Spring. Die Sehnsucht nach der alten Heimat Jerusalem befeuert Karbasis Kreativität. „Das Gewicht der Mauern dieser Stadt und ihre besondere Geschichte lastet schwer auf den Schultern“, bekennt sie, „auch wenn man schon Jahre im Ausland gelebt hast. Das verbindet mich mit Yasmin Levy, die ja auch von dort stammt.“

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Update vom
09.02.2023
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Dieser Text ist nur ein Auszug des Original-Artikels der Print-Ausgabe!

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