FOLKER
präsentiert:
Fünfzig Jahre Liederfeste, Burg Waldeck 2014
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INS LEBEN DESERTIEREN!
Festivaljubiläum auf Burg Waldeck
Im Hunsrück begann das westdeutsche Folkrevival
Nun haben wir also 2014 schon wieder ein Jubiläumsjahr. Hundert Jahre Erster Weltkrieg (ausgebrochen sei er am 28. Juli 1914 wie ein Vulkan oder eine Seuche, ganz ohne menschliches Zutun offenbar). Und vor einem halben Jahrhundert, an Pfingsten 1964, ereignete sich das eher pazifistisch gestimmte erste Festival Chanson Folklore International auf Burg Waldeck.
TEXT:
WALTER MOSSMANN
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Zuvor hatte es in Deutschland durchaus schon mehrere bedeutende Folkrevivals gegeben, die waren allerdings ideologisch etwas anders eingefärbt und schrieben Folk noch mit V wie Volksgemeinschaft.
Vor dem großen Krieg beispielsweise der Wandervogel mit seiner berühmten Liedersammlung Zupfgeigenhansl (1909).
Der Herausgeber Hans Breuer hatte im Vorwort zur ersten Auflage noch betont, dass man in diesem Büchlein keinen Ruf wie Donnerhall finden werde, also keine martialischen Kriegslieder, aber zur Neuauflage 1915 schrieb er: Der Krieg hat dem Wandervogel recht gegeben, hat seine tiefe nationale Grundidee los von allem Beiwerk stark und licht in unsere Mitte gestellt
wir müssen immer deutscher werden
Hans Breuer starb 1918 in einem Lazarett bei Verdun. Und auch das allererste deutsche Revival, das der Romantiker Achim von Arnim und Clemens Brentano mit Des Knaben Wunderhorn (1805-1808), war der nationalen Grundidee verpflichtet.
Besonders von Arnim vergewisserte sich seines fragilen Deutschtums gern, indem er die festgemauerten Feindbilder der Undeutschen beschwor dazu taugte ihm das Bild der Franzosen außerhalb und das der Juden innerhalb der deutschen Länder.
Und so richtig populär wurden in jener Epoche schließlich die Kriegsliedermacher Theodor Körner und Ernst Moritz Arndt. Das ist dann auch die deutsche Liedtradition, an der seit 1989 der gesamtdeutsche Rechtsrock andockt. Wenn die Division Wiking grölt Der Gott, der Eisen wachsen ließ, klingt das einigermaßen kongenial.
Ganz anders das weltweite Folkrevival um 1964. Die Grundstimmung damals war nirgendwo waffenklirrend oder völkisch, sondern erklärtermaßen internationalistisch und antimilitaristisch, und als Schlüssellied dafür kann wohl Le Déserteur gelten.
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Die Grundstimmung damals
war nirgendwo waffenklirrend oder völkisch,
sondern erklärtermaßen internationalistisch
und antimilitaristisch.
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Boris Vian hatte es 1954 während des Indochinakrieges geschrieben, und schon kurz danach übernahmen es die französischen Verweigerer, die nicht nach Algerien wollten und stattdessen in den Knast gingen. Das Lied verursachte einen Riesenskandal, wurde vom Präsidenten René Coty sofort verboten (also nicht im Radio gesendet und nur noch unter der Ladentheke gehandelt) und vor allem überall gesungen oder gesummt oder gepfiffen schon die Melodie war ein unmissverständliches Signal. Beim ersten Waldeck-Festival spielte Dieter Süverkrüp Le Déserteur in einer deutschen Version auf der Bühne, und Oskar Kröher (der Oss von den legendären Kröher-Zwillingen) sang es nachts solo am Lagerfeuer, und zwar im französischen Original. Exakt zur selben Zeit brachte es an der Ostküste der Vereinigten Staaten Peter Yarrow (der Peter des ebenfalls legendären Folktrios Peter, Paul and Mary) auf In Concert heraus, erstaunlicherweise ebenfalls solo und in französischer Sprache. In Amiland ging es 1964 natürlich nicht mehr um Algerien, sondern wieder um Indochina, das damals in den Nachrichten schon Vietnam hieß. Und genau genommen stand Vietnam als Chiffre für le tiers-monde (frz. für Dritte Welt), also für die drei Kontinente Asien, Afrika und Lateinamerika, wo die Menschen gerade unterwegs waren vom Status der kolonialisierten Objekte zum Status gleichberechtigter Subjekte der Weltgesellschaft, ähnlich wie 1789 in Paris le tiers état (frz. für der Dritte Stand).
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