FOLKER – Rezensionen

Rezensionen NORDAMERIKA/ KANADA


CYRIL NEVILLE
Magic Honey

(Ruf Records RUF 1192/In-akustik, go! www.cyrilneville.net )
12 Tracks, 54:08

Neville – zumindest in New Orleans bedeutet dieser Name pure Musik. Seit Jahrzehnten sind die Nevilles dort eine der ganz großen, wegbereitenden Musikerfamilien – und in dieser vor Talent überbordenden Stadt ist das durchaus ein Superlativ. So war der Percussionist und Sänger Cyril Neville Mitglied der legendären Band The Meters, die den New Orleans Funk prägte, gründete mit dreien seiner Brüder die Neville Brothers, in deren Musik Funk, Gospel und Rhythm’n’ Blues den Puls der Stadt New Orleans akustisch beschreiben, und sorgt seit einiger Zeit nun außerdem mit der Blues- und Southern-Rockband Royal Southern Brotherhood für Furore. Sein viertes Soloalbum Magic Honey klingt denn auch wie eine Melange aus diesen drei großen Stationen seines musikalischen Schaffens. Der Blues ist hier allgegenwärtig, allerdings nicht in seiner knorrigen, spröden Ausprägung, sondern unterlegt mit sattem Groove, gegenläufigen Rhythmen und vertrackten Tempowechseln. Die Musik ist unglaublich dicht, satt und schwer und erschließt sich nicht gleich beim oberflächlichen Hören. Taucht man jedoch tiefer ein, wird man mit brodelnden, magischen Momenten reich belohnt.

Achim Hennes

 

CYRIL NEVILLE – Magic Honey


ROD PICOTT
Hang Your Hopes On A Crooked Nail

(Welding Rod Records, go! www.rodpicott.com )
11 Tracks, 39:12, mit engl. Texten

Der erste Song könnte schon das ganze Album wert sein: „You’re Not Missing Anything“ zieht lakonisch die Bilanz einer mal wieder gescheiterten Beziehung. „And so it goes, just another end / Turn around and start all over again“, heißt es; dazu groovt die Band im trockenen Americana-Idiom mit deutlich vernehmbarer Mandoline. Glücklicherweise aber lohnen auch weitere Stücke das Hören von Hang Your Hopes On A Crooked Nail, wobei der Albumtitel tatsächlich programmatisch scheint. So lautet die Quintessenz von „I Might Be Broken Now“, dass sowieso keine Hilfe naht und jeder Ausweg nur neue Probleme bringt: „When you get Jesus you get the devil too / Open up your screen door they both walk on through.“ Der im US-Bundesstaat Maine aufgewachsene Rod Picott hängt seinen Gedanken nach, überlegt, was wohl nach dem Tod passiert, erinnert sich an seinen alten Ford Falcon oder fragt, warum Mobilhäuser so heißen, obwohl sie doch in der Regel nie bewegt werden. Musikalisch mäandert er zwischen Tom Petty, Steve Earle und John Hiatt, klingt auch mal nach schwerem Neil Young, kann Countryballaden, kann Bluesrock. Das Leben auf der Straße hat ihn geprägt – so wie dieses Album.

Volker Dick

 

ROD PICOTT  – Hang Your Hopes On A Crooked Nail


RED TAIL RING
The Heart’s Swift Foot

(Earth Work EW8503, go! www.redtailring.com )
12 Tracks, 48:24, mit engl. Texten

Der Zauber wirkt früh und lässt bis zum Ende des Albums nicht nach: Das Duo aus Michael Beauchamp und Laurel Premo beherrscht die Kunst musikalischer Magie, lässt Stimmen, Gitarre, Fiddle, Banjos, Mandoline und Dobro so ineinanderfließen, dass ein Klanggewebe entsteht, von dem man sich gern umhüllen lässt. Die Balladen und Tanzstücke der europäischen Auswanderer transformieren Beauchamp und Premo auf ihrem vierten Album in eine Musik ohne Zeitkolorit, die Bilder weckt – von karger Schneelandschaft, hartem Leben, kahlen Bäumen. Es mag an ihrer Heimat Michigan im äußersten Norden der USA liegen, dass vieles so düster und karg klingt, was den Reiz ihres Spiels jedoch weiter steigert. Cahalen Morrison und Ely West fallen einem ein, die beiden aus Seattle, die es auf ähnlichem Terrain ebenfalls verstehen, zu zweit mehr zu vollbringen als eine Horde seelenloser Virtuosen zusammen. Oder Gillian Welch und Dave Rawlings, ein Vergleich, der sich bei Red Tail Ring schon wegen der Mann/Frau-Kombination aufdrängt. Von dieser Qualität kann man nie genug bekommen. Seit 2009 machen Beauchamp und Premo gemeinsam Musik. Ab 27. November sind sie in Deutschland mit dem Bluegrass Jamboree unterwegs (siehe auch Kasten in der „Szene“, S. 14).

Volker Dick

 

RED TAIL RING  – The Heart’s Swift Foot


BEN TAYLOR
Listening

(Sun Pedal Recordings/V2 Records Benelux VVNL24712/H’Art, go! www.bentaylormusic.com )
11 Tracks, 44:50, mit engl. Texten

Assoziationen mit hohem Déjà-vu-Potenzial. Der jüngst verstorbene J. J. Cale etwa, wie er Stücke von Jack Johnson singt. Und natürlich James Taylor – denn es ist sein Sohn Ben, dem diese Stimme gehört. Listening, in den USA bereits im August 2012 erschienen, ist seine erste Veröffentlichung seit 2008 – eine Pause, die dem Künstler offenbar gut getan hat. Das Album geht über den entspannten Singer/Songwriter-Surf-Pop, mit dem er auf der Szene erschien, hinaus. Hier Leben Folk, Pop, Soul, Reggae, elektronische Rhythmen, selbst Country & Western in unmittelbarer Nachbarschaft und bilden in wechselnden Kombinationen das Grundgerüst für sonnendurchflutete Stücke. Eine versiert gespielte, perlende Akustikgitarre und exquisiter mehrstimmiger Gesang sind das hörbare Erbe, das Sohn Ben von seinem Vater und Mutter Charly Simon mitgegeben wurde – davon, dass die stilprägenden Eltern etwa eine Bürde wären, ist nichts zu spüren. Der Klang ist überwiegend akustisch, die Produktion hat dieses unangestrengt aufreizend Lässige gerade vieler amerikanischer Produktionen. Die Arrangements sind komplex, aber nicht überfrachtet, songdienlich und angenehm unprätentiös. Ein sehr gutes, ausgereiftes Album.

Dirk Trageser

 

BEN TAYLOR    – Listening


RANDY SHARP, JACK WESLEY ROUTH, SHARON BAYS, MAIA SHARP
Dreams Of The San Joaquin

(Blix Street Records G2-10102/Rough Trade, go! www.blixstreet.com )
11 Tracks, 44:25, mit engl. Texten

Als intensiv genutzte Agrarfläche zieht das San-Joaquin-Tal südöstlich von San Francisco seit Generationen Migranten an, die sich dort neue Lebensperspektiven erarbeiten wollen. Ein Großteil der Bevölkerung ist heute mexikanischer Abstammung und lebt unter der Armutsgrenze. Gemeinsam mit ihrem Gatten Randy Sharp, Tochter Maia und Freund Jack Wesley Routh erarbeitete die Anthropologin und Musikerin Sharon Bays mit Dreams Of The San Joaquin ein Konzeptalbum zu Migration und Entwurzelung. In erster Linie erzählen die Musiker Geschichten um das authentische Lebensgefühl der Wanderarbeiter. In den Songs nehmen sie die Stilmittel aus deren musikalischen Traditionen auf und schaffen – wie Roy Rodgers’ und seine Sons of the Pioneers es in den Dreißigerjahren begannen – aus Songs mit Gitarrenbegleitung eine Art Panoptikum zu Themen wie Hoffnung und Enttäuschung, Identität und Entfremdung. Mit bitteren Texten übertragen Bays, Routh, Sharp und Sharp die emotionale Seite dieser Themen in überschaubare Arrangements, bei denen Geige, Akkordeon und Vibrafon wichtige Rollen übernehmen. Die melodische Schönheit der entstandenen Songs kontrastiert die entworfenen Seelenlandschaften erheblich.

Michael Freerix

 

RANDY SHARP, JACK WESLEY ROUTH, SHARON BAYS, MAIA SHARP – Dreams Of The San Joaquin

Update vom
09.02.2023
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