FOLKER – Rezensionen

Rezensionen EUROPA


CARA
Horizon

(Artes Records ARCD 4001/Skycap/Rough Trade, go! www.cara-music.com )
13 Tracks, 56:38, mit engl. Infos u. Texten

Nach Long Distance Love mit Jeanne Leslie von 2010 ist Horizon nun das erste Cara-Album in der neuen Besetzung mit Kim Edgar und Ryan Murphy. Es ist nicht besser, aber noch einmal etwas anders als der Vorgänger, vor allem jazziger. Dass Ryan Murphy auf Empfehlung von Beoga in die Band aufgenommen wurde, hört man vielen Tunes an, die aber zugleich auch an Davy Spillane erinnern. Für Traditionalisten dürften viele Stücke zu jazzig und poppig sein, Freunde einer entspannten Loungemusik werden eher ihre Freude haben, bis Cara dann doch wieder rasant reelig davongaloppieren. Kim Edgar unterbricht die Instrumentals immer wieder mit feinen, komplex gesungenen Balladen, die auch zwischen traditionellem und Jazzgesang pendeln. Und das Stammduo Gudrun Walter und Jürgen Treyz sowie Bodhránist Rolf Wagels lassen sich keineswegs an den Rand drängen, sondern geben Horizon letztlich doch wieder den für Cara ganz eigenen, unverwechselbaren Klang. Diese Band ist weder eine reine Trad-Formation noch biedert sie sich einem kommerziellen Massengeschmack an – sondern setzt durch ihre Fusion verschiedener Musikstile und -kulturen eigene Standards zwischen „Global“, „Urban“, „Celtic“ und „Trad“.

Michael A. Schmiedel

 

CARA – Horizon


GUARDIA NUEVA
Live In Concert

(Guardia Nueva GN-CD05, go! www.guardianueva.net )
9 Tracks, 35:50, mit engl. Infos

Im Wettstreit der beiden Tangonationen legt Finnland mit diesen Livemitschnitten ein in jeder Hinsicht überzeugendes Argument in die Waagschale – in großer Orchesterbesetzung mit acht Geigern, Bandoneon, Akkordeon, Piano, Kontrabass, Percussion und einer Sängerin, die jegliche Idee von unterkühlter nordischer Leidenschaft vom ersten Ton an Lügen straft. Das Ensemble besticht durch perfektes Handwerk und gekonnt eingesetzte Dynamik – satte Streicherflächen werden filigranen und transparenten Akzenten per Percussion oder Piano gegenübergestellt. Es überrascht aber vor allem durch erfrischend gute Arrangements bekannter Titel. Zu hören ist Musik von Richard Galliano, natürlich Astor Piazzolla und den Kollegen vom Gotan Project in Bearbeitungen von Mika Paasivaara, Petri Ikkelä und dem Dirigenten, Raimo Vertainen. Dabei hat man sogar den Mut, das Gotan Project, musikalisch sehr eigen interpretiert, ins Finnische zu übersetzen. „Musta Tango“, finnischer Tango pur (Musik: Joima Panula, Text: M. A. Numminen), komplettiert zusammen mit einer höchst originären Version von Astor Piazzollas „Libertango“ das kulturübergreifende Angebot – eine Herausforderung an alle Tänzer auf höherem Niveau.

Cathrin Alisch

 

GUARDIA NUEVA   – Live In Concert


LUKE JACKSON
More Than Boys

(Pipe Records PRCD021, go! www.lukepauljackson.com )
11 Tracks, 46:31, mit engl. Texten

Der Junge ist ein Phänomen! Ja – der Junge, für einen Achtzehnjährigen fällt das Wort Mann doch noch etwas schwer. Luke Jackson, Singer/Songwriter aus Canterbury, war nicht umsonst unter den Nominierten für zwei BBC Folk Awards. Er schreibt Lieder, die ihn doppelt so alt erscheinen lassen, etwa „Last Train“ über einen Soldaten, der den Tod seines Freundes dessen Frau übermitteln muss. „The Winning Goal“ über Jungs, die daran glauben, einmal so richtige Fußballstars zu werden, es dann doch nicht schaffen und nun Söhne haben, die dem gleichen Traum nachhängen. Oder „How Does It Feel?“, eine überaus erwachsene Betrachtung des Verhältnisses zwischen Teenagern und ihren Eltern. Der Gesang ist leicht schnoddrig, und die faszinierende Gitarrenarbeit ist die Krönung von allem. Produzent Joseph Martin hat das alles bis auf ganz wenige Ausnahmen einfach so stehen lassen – nur Luke Jackson, Gitarre und Gesang. Texte und Interpretation klingen manchmal etwas überengagiert, aber das wird sich mit den Jahren der Erfahrung legen. Ein enormes Talent, das live ebenso wie auf Tonträger bereits heute zu hundert Prozent überzeugt. Luke Jackson wird einmal ein ganz Großer, das ist jetzt schon deutlich zu hören.

Mike Kamp

 

LUKE JACKSON    – More Than Boys


LA CARAVANE PASSE
Gypsy For One Day

(Exil Musik EXIL 98038-2/Indigo, go! www.lacaravanepasse.com )
12 Tracks, 37:02

Eine prachtvolle Truppe! Die vor zwölf Jahren in Paris zusammengestellten mehrsprachigen Multi- und Spezialinstrumentalisten weit gestreuter Herkunft bilden den Kern. Zigeunermusik ist ohnehin global verwurzelt, hier kommen noch ein paar junge Triebe hinzu, nämlich Hip-Hop, Surf Rock, Disco, Elektro, Chanson, französischer Pop. Dazu kommen hochkarätige Gäste aus der Gypsyszene wie der preisgekrönte Gitarrist Stochelo Rosenberg und Sänger Sanseverino. So viel Herkunft braucht eine gemeinsame Heimat, man trifft sich am imaginären Ort Plechti, dem Utopia der Fahrenden. La Caravane Passe passiert ihn nun schon zum vierten Male, treibt das Gypsygenre virtuos und humorvoll auf die Spitze und nimmt sich auch selbst ironisch auf die Schippe, etwa in „I Wanna Be Your Slave“, das auf Iggy Pops Punkstück „I Wanna Be Your Dog“ anspielt. Alles andere als ruhig und langweilig ist die wilde Fahrt durch die Stile, dieselben Songs kommen in diversen Versionen vor. Ganz toll auch die ungarischstämmige Sängerin Erika Serre, die mit ungezwungener, kräftiger, aber mädchenhafter Stimme, den Titelsong „Gypsy For One Day“ singt – eine Aufforderung an jeden, einmal einen Tag als Obdachloser auszuprobieren.

Imke Staats

 

LA CARAVANE PASSE  – Gypsy For One Day


NORTH ATLANTIC TRIO
Some Part Of Something

(Bird Creek Records BCR002, go! www.northatlantictrio.com )
11 Track, 48:54, mit engl. Infos

Man muss den Covertext einfach wörtlich zitieren, weil er den Nagel auf den Kopf trifft und auch in Englisch höchst eindeutig ist: „American girl plays harp in mostly Scottish way with Scottish guy who plays dobro in mostly American way with Irish guy who plays percussion anyway“. So ist es, Punkt. Okay, ein paar zusätzliche Infos wären vielleicht hilfreich: Es kommt auch noch eine Gitarre zum Einsatz und – schottisch – gesungen wird auch ab und an. Cheyenne Brown, die hierzulande auch in Thomas Zöllers Band Homebound spielt, Dave Currie und Dave Boyd haben eine wunderbare Mixtur angerührt aus schottischen Tunes, Old-Time und Bluegrass, angereichert mit swingenden und bluesigen Untertönen. Noch nie schnippte der „Wayfairing Stranger“ so lässig mit den Fingern! Und Bill Monroe hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass sein „Cumberland Crossing“, eingeleitet von der Harfe, so träumerisch dahertaumeln könnte, Bluegrass minus das normale, halsbrecherische Tempo. All diese Musik hat eben im Prinzip dieselben europäischen Quellen. Das North Atlantic Trio demonstriert das eindrucksvoll. Danke dafür – und mehr davon!

Mike Kamp

 

NORTH ATLANTIC TRIO  &ndash ;Some Part Of Something


HARALD PETERSTORFER
Königskinder

(Eigenverlag, go! www.haraldpeterstorfer.com )
14 Tracks, 50:58, mit engl. Infos

Königskinder – da vermutet man Märchenhaftes. Und richtig, der österreichische Gitarrist Harald Peterstorfer entführt uns ins Reich von Elfen und Feen. Das gelingt ihm ganz vorzüglich. Kindheitserinnerungen verbinden sich mit einem Gemälde über dem Bett der Großmutter. Aber keine Sorge, das Album ist kitschfrei. Fein gewebte lyrische Kompositionen, die neben folkloristischen Themen aus dem zeitgenössischen Großraum keltischer Kultur immer wieder kleine Überraschungen bereithalten; der durchgehend balladenhafte Duktus, mittlere Tempi und die warme Tongebung sorgen von Anfang für die richtige „Temperatur“. Ganz vorzüglich passt sich die Adaption eines Stückes des norwegischen Saxofonisten Jan Garbarek („The Survivor“) in die völlig homogene Klangwelt des Albums ein. Das auf einer Harfengitarre vorgetragene „Faery Ring“ verzaubert alleine durch den Klang des ausgefallenen Instrumentes. Peterstorfer weiß zu erzählen, wie es eben ein guter Märchenerzähler vermag, und nimmt sich dabei alle Zeit der Welt. Ein ausgereiftes Werk, das nicht durch spieltechnische Mätzchen glänzt, sondern sich ganz auf musikalische Substanz stützt – es schimmert und funkelt und leuchtet in diesem Märchenwald.

Rolf Beydemüller

 

HARALD PETERSTORFER   – Königskinder


ANDERS THUNELL & OLAV L. MJELVA
Uppspelt

(Dimma DIS021, go! www.dimmaswe.com )
24 Tracks, 50:37, mit schwed. u. dt. Infos

Traditionelle Musik hat sich im Norden oft landschaftsbezogen entwickelt, auch über die Nationalgrenzen hinaus. Auf Uppspelt geht es um die mittelschwedische Landschaft Härjedalen und um die Heimatorte der beiden Musiker, Røros in Norwegen und Linsell in Schweden, die nur 180 Kilometer auseinanderliegen. In diesem historisch lange isolierten Gebiet entstand ein lokaler Spielstil, und so haben sich die beiden jungen Geiger zusammengefunden. Anders Thunell spielt eine fünfsaitige Violine und begann zunächst, Melodien aus Dalarna zu spielen, die er von seinem Lehrer Börje Olpers lernte. Auf Anregung seines Freundes, des Riksspelmans Greger Brandström, beschäftigte er sich dann mit der Musik aus Härjedalen. Olav L. Mjelva, der professioneller Musiker ist, gibt den harmonischen Hintergrund auf der Viola und der Violine. Er spielt zusammen mit zwei anderen Fiddlern im Trio The Nordic Fiddlers Bloc modernisierte traditionelle Musik und mit Sver Folkrock. Auf dem vorliegenden Album führen Thunell und Mjelva meist mit Polskas des Spielmanns Per Myhr (1843-1927), der unweit von Linsell lebte, in gewissenhafter und engagierter Weise die Tradition der zahlreichen Fiddler fort, die es früher gab.

Bernd Künzer

 

ANDERS THUNELL & OLAV L. MJELVA – Uppspelt


WE BANJO 3
Roots Of The Banjo Tree

(Eigenverlag WB3CD001, go! www.webanjo3.com )
13 Tracks, 40:39, mit engl. Infos

Irland und Nordamerika sind alleine schon durch die Auswanderung zigtausender Iren eng miteinander verbunden. Musikalisch steckt der irische Einfluss in vielen amerikanischen Stilrichtungen, in der Old-Time-Musik wie im Bluegrass, und daher ist es auch kein Wunder, dass diese Musikarten auch wiederum in Irland populär sind. Wenige Bands jedoch verbinden Irisches und Old-Time und Bluegrass so erfolgreich und mitreißend wie die zwei mal zwei Brüder von We Banjo 3 aus Galway. Dem Namen entsprechend bedienen die Brüder Scahill und Howley neben drei Banjos auch noch Gitarre, Fiddle und Mandoline. Gerade die Instrumentals sind grandios. Wenn drei Banjos „Over The Waterfall/Liberty Polka“ interpretieren, dann erscheint es völlig rätselhaft, warum dieses Instrument in gewissen Kreisen einen solch schlechten Ruf hat. Im Gegenteil, man möchte David Howley zustimmen, wenn er – in Abwandlung des fast gleichnamigen Guy-Davis-Klassikers – singt „We all need more banjos in this world“. Stimmt, solange sie so genial gespielt werden wie bei We Banjo 3. Und wer bringt die Jungs jetzt auf Tour nach Deutschland?

Mike Kamp

 

WE BANJO 3 – Roots Of The Banjo Tree


JULIUS WINGER
Under Linden – Viser Av Robert Levin

(Grappa GRCD4427/Galileo MC, go! www.myspace.com/juliuswinger )
9 Tracks, 35:29, mit norw. Texten

Julius Winger ist ein norwegischer Sänger und Liedermacher. Dass er 2009 am Eurovision Song Contest teilgenommen hat, wollen wir nicht verschweigen, aber auch nicht ewig gegen ihn verwenden. Sein neues Album enthält Lieder, die Robert Levin komponiert hat – leider gibt es in Norwegen mehrere Robert Levine, die in Frage kämen, das Beiheft verrät nichts Genaueres. Der Robert Levin welcher hat die Texte von einer Vielzahl von Dichtern entlehnt – es geht gleich los mit Walther von der Vogelweide, in Übersetzung, „Tandaradei“ heißt auch auf Norwegisch so. Es folgen Gunnar Reiss-Andersen und Arnulf Øverland, Dichter, die man in Norwegen im Schulunterricht kennenlernt, dazu ein Kinderreim/Abzählvers, der natürlich sehr lebhaft in Musik umgesetzt worden ist. Sänger Winger wird von allerlei fähigen Hilfskräften begleitet, etwa Ine Hoem, die im Walther-von-der-Vogelweide-Lied die zweite Stimme singt, Akkordeonspieler Alfred Janson und Trygve Sem, der sein Saxofon sehr zurücknimmt und wunderschön harmonische Begleitungen spielt. Ein hinreißendes Album – aber ein Tipp an die Hersteller: Wenn man im Booklet auf grauem Papier keine grauen Buchstaben nimmt, kann man es am Ende sogar lesen!

Gabriele Haefs

 

JULIUS WINGER – Under Linden – Viser Av Robert Levin


MARCO ZAPPA, RENATA STAVRAKAKIS, GINGER POGGI & GUESTS?
Polenta E Péss

(Zytglogge Zyt 4947, go! www.zytglogge.ch )
15 Tracks, 54:53, mit Texten

Marco Zappa ist der wohl produktivste Liedermacher des Tessins und ein großer Bewunderer der Beatles. Sie scheinen ihm nicht nur ihre Schaffenskraft, sondern auch das Gespür für eingängige, einfallsreich arrangierte Songs vermacht zu haben. Darüber hinaus ist der Multiinstrumentalist ein Bewahrer der vom Aussterben bedrohten Tessiner Dialekte und ein unermüdlicher Beobachter und Chronist seiner Umwelt. Mit seiner Partnerin Renata Stavrakakis (Flöten, Gesang), Ginger Poggi (Percussion, Mountain Dulcimer) und einer Vielzahl von Gästen sind fünfzehn Lieder über die Traditionen und Veränderungen seiner Heimat entstanden. In „Balabiòtt“ beschreibt Zappa etwa, wie 1926 die Künstler und Freidenker auf dem Monte Verità dem Geldadel weichen mussten, in „Il Piccolo Chiosco Antico“ wie in Mailand ein alter Kiosk und Quartierstreffpunkt geschleift wird, um einem gesichtslosen Neubau zu weichen. Von den Beatles hat Marca Zappa auch gelernt, wie wichtig es ist, jedes Lied mit viel Liebe zum Detail zu produzieren. Auch für das Beiheft, das neben den Texten eine deutschsprachige Erklärung zu jedem Titel mit der Angabe des jeweiligen Dialekts enthält, hat er keinen Aufwand gescheut.

Martin Steiner

 

MARCO ZAPPA, RENATA STAVRAKAKIS, GINGER POGGI & GUESTS?  – Polenta E Péss

Update vom
09.02.2023
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