FOLKER – Rezensionen

Rezensionen DEUTSCHLAND


EARLY AUTUMN BREAK
Farewell To The Juvenile Heart Volume 1

(Eigenverlag, go! www.earlyautumnbreak.com )
Promo-CD, 10 Tracks, 40:11, mit Infos

Wer Folkrock à la Crosby, Stills & Nash liebt, kann zum Beispiel darauf warten, dass unveröffentlichte Aufnahmen von den Byrds oder John Sebastian auftauchen. Oder er richtet den Blick nach Düsseldorf. Dort nämlich – und nicht etwa in den USA – sitzen die wundervollen Early Autumn Break. Auf ihrem neuen Album machen die Rheinländer alles richtig. Das Songmaterial ist atemberaubend, die Arrangements ausgefeilt und die musikalische Darbietung außergewöhnlich ausdrucksvoll. Dazu eine saubere, professionelle Produktion –Folkerherz, was willst du mehr? Dabei ist Farewell To The Juvenile Heart Volume 1 vollständig selbst gemacht, inklusive eigenem Label. Musikalisch erinnert Early Autumn Break nicht nur an die Balladen der amerikanischen Folkrockbewegung, es besteht auch Verwandtschaft zu Krautrockern wie Gila oder den Songwritern der Siebziger. Der Gesang von Susan Bauszat und Chris Bauer, die die Songs auch komponierten, ruft Erinnerungen an vergangene Zeiten wach. Man möchte das Album am liebsten als Vinylausgabe in Händen halten und durch das Cover im Großformat blättern. Geplant ist für nächstes Jahr Volume 2 mit neuen Songs. Wir warten gespannt!

Chris Elstrodt

 

EARLY AUTUMN BREAK – Farewell To The Juvenile Heart Volume 1


ERDMÖBEL
Kung Fu Fighting

(Jippie! JIPPIE001CD/Rough Trade, go! www.erdmoebel.de )
Promo-CD, 11 Tracks, 35:19

Die übliche Reaktion der Hörer auf die Band aus Münster, jetzt Köln, trennt sich schön mittendurch in rasendes Entzücken wie in den Rezensionsteilen und Feuilletons und – wie bei diesen Jubelpersern längst nicht mehr opportun – heftigste Ablehnung. In ihren besten Momenten, und so ist es nun auch beim zehnten Album Kung Fu Fighting wieder, gelingen Autor, Sänger und Gitarrist Markus Berges und seinen Kumpanen regelrecht besoffen vollmelodische, rhythmusstarke, harmoniereiche Lieder zum Hineinspringen mit brillant assoziativen Texten – überraschend, lustig, exzentrisch, rätselhaft. Oder auch einmal nur ein schönes Liebeslied ohne jeglichen doppelten Boden. Aber wenn die Dinge nicht so gut laufen, können ihre immer hoch gelegten Latten auch mit krude verkopftem Humbug gerissen werden, dem jegliche Leichtigkeit jedenfalls vollkommen abgeht – daher dann auch die Ablehnung mancher Hörer, alles andere als unverständlich. In welche der beiden Schubladen zum Beispiel der diesmalige Gesangsgast Désirée Nosbusch passt, ob sie singen kann und jetzt auch noch hip sein soll oder was – wer auch nur halb so ambitioniert ist wie Erdmöbel, der möge gern darüber schlaumeiern bis die Band einen Remix davon macht.

Christian Beck

 

ERDMÖBEL  – Kung Fu Fighting


KAI OLAF
Wenn ich groß bin ... live

(Timezone TZ982, go! www.kai-olaf.com )
Do-CD, 39 Tracks, 105:20

Kai-Olaf Stehrenberg aus dem Raum Hannover zieht seit einigen Jahren mit seiner Gitarre durchs Land, spielt auf Kleinkunstbühnen seine Lieder und hat dabei auch schon einige Preise bei diversen Slam-Wettbewerben gewonnen. Als Junge stand er wohl mal mit Rolf Zuckowski auf der Bühne, das weckte bei ihm den Wunsch mit eigenen Liedern aufzutreten. Die Liedermacherei hierzulande ist tendenziell von Comedy durchwebt, und so sind auch Stehrenbergs Lieder eher dem Komischen zugewandt, aber nicht nur. Es mischen sich auch immer wieder leisere und ernstere Töne hinein. Thematisch bewegt er sich im Privaten, Liebesleid und Einsamkeit, und seine 1,65 Meter Körpergröße spielen ebenfalls öfter eine Rolle. Fragen der Zeit, des Landes, der Gesellschaft werden nicht weiter angesprochen. Stehrenberg macht seine Sache nett, seine Texte und Melodien haben etwas Solides, ein bisschen mehr Frechheit und Pfiff täte ihnen gut. Zur Liveaufnahme seines Debütalbums in der Kofferfabrik in Fürth hatte er auch Atze Bauer, Philipp Stenger und André Katawazi als Gäste eingeladen, die mit ihm kurz auf der Bühne standen.

Rainer Katlewski

 

KAI OLAF  – Wenn ich groß bin ... live


PAO
Alles im Kasten

(Eigenproduktion, go! www.paomusic.de )
11 Tracks, 46:40, mit dt. Texten u. Infos

Die Sängerin und Songwriterin Petra Scheeser aus München, die als Dozentin an der Popakademie Mannheim tätig ist, und der Pianist und Komponist Oliver Hahn, der bereits so unterschiedliche Künstlerinnen und Künstler wie Monserrat Caballé, Yehudi Menuhin, Georg Ringsgwandl und Bonnie Tyler als Keyboarder begleitete, bilden zusammen Pao. Sie schreiben ihre jazzorientierten Songs immer gemeinsam. Das reduzierte musikalische Konzept – hauptsächlich Stimme und Tasten sowie ein paar perkussive Einsprengsel – ermöglicht dem Duo, das bereits seit mehr als fünfzehn Jahren besteht, die größtmögliche künstlerische Freiheit, die Scheeser und Hahn auch ausgiebig nutzen. Die gefühlsbetonten Songtexte handeln unter anderem von Stimmungsschwankungen („Mit mir ist heut nichts anzufangen“), Enttäuschungen („Wie gestern“), Zweifeln („Leuchten“), Hoffnungen („Herz“) und auch von der Musik („Musik muss neu sein“). Ein wirklich gut gemeinter Rat: Man kann auch niveauvolle Songlyrik ohne das Personalpronomen „ich“ schreiben. Auf alle Fälle ist Alles im Kasten eine nicht alltägliches Album zum bewussten Zuhören.

Kai Engelke

 

PAO – Alles im Kasten


PENSION VOLKMANN
Nass wie Fische – Volkmanns Beste

(Amiga 88883705322/Sony, go! www.pensionvolkmann.de )
22 Tracks, 76:50, mit Infos

Auch wenn Pension Volkmann eigentlich ein Duo war, sahen sich die beiden Musiker Peter Butschke und Reinhard Buchholz doch eher als Trio – nämlich indem sie den kongenialen Lyriker und Songtexter Werner Karma als vollwertiges Mitglied des Projekts anerkannten. Karma hatte sich bereits als Texter der erfolgreichen Band Silly in der DDR einen Namen gemacht, als die Zusammenarbeit mit Pension Volkmann begann. Musikalisch bewegen sich die drei zwischen Blues, Folk und Chanson, angereichert mit einer guten Portion Rock und gewürzt mit einer kleinen Prise Pop. Werner Karmas intelligente Texte beleuchten scheinbar Banales aus ungewohnter Perspektive, die Musik kommt virtuos und filigran daher. Auch für sanft-kluge Systemkritik war Karma gut: „Satt zu essen und ’nen Ausweis inner Tasche, der was gilt / Satt zu essen und ’ne Heimat, die dich nicht für Fernweh schilt“. Immerhin drei Jahre vor der sogenannten Wende bei Amiga veröffentlicht. Musik für Hirn und Herz – nicht unbedingt alltäglich. Seit Reinhard Buchholz Tod im Jahr 2007 nennt Peter Butschke die Band nur noch Volkmann, ohne Pension. Die vorliegende Rückschau erschien anlässlich des dreißigjährigen Bandjubiläums.

Kai Engelke

 

PENSION VOLKMANN – Nass wie Fische – Volkmanns Beste


MANFRED POHLMANN
Gguggugg

(Eigenverlag MP0713, go! www.manfred-pohlmann.de )
18 Titel, 52:02, mit Texten u. Infos

Zum vierzigjährigen Bühnenjubiläum gönnt sich der moselfränkische Liedermacher Manfred Pohlmann nach vielen Veröffentlichungen ein Album mit Liedern, die ihm am Herzen liegen und die er schon immer einmal aufnehmen wollte. Dementsprechend ist Guggugg eine sehr persönliche, eher ruhig-beschauliche Veröffentlichung geworden, die vergangene Dekaden reflektiert und einige lang gehegte Wünsche erfüllt. Die Zusammenarbeit mit einem Streichquartett gehört dazu und das Wiedersehen mit Musikern, mit denen Pohlmann über die Jahre immer wieder zusammengearbeitet hat. So Dirko Juchem an Saxofon und Querflöte und Yannick Monot, der Gesang, Gitarren, Bass und Bouzouki beisteuert sowie die meisten der Arrangements, die in seinem Studio eingespielt wurden. Kernstück des Albums sind vier Lieder über den Kuckuck, der laut Pohlmann schon viele Sommer nicht mehr zu hören ist. Dazu gibt es Hommagen, wie die an Pohlmanns verstorbene langjährige Bühnenpartnerin Ursula Klee, an Roger Siffer, seinen Freund und Kollegen aus Straßburg, und an das Wienerlied, das sein Vater sehr liebte. Auf Moselfränkisch, versteht sich, und zwar vollkommen ohne Schmäh, trotz stilechter Heurigenbegleitung. Ein gelungenes Album!

Ulrich Joosten

 

MANFRED POHLMANN  – Gguggugg


SHIREGREEN
The Stories I Could Tell

(DMG 54.218139.2/Broken Silence, go! www.shiregreen.de )
13 Tracks, 59:02, mit Texten u. Infos

Liegen hier unveröffentlichte Aufnahmen Johnny Cashs vor? Oder handelt es sich um Neues von Kris Kristofferson? Wer The Stories I Could Tell im Vorbeigehen hört, könnte leicht vermuten, dass es sich dabei um das Album eines großen amerikanischen Klassikers handelt. Der Name an Shiregreens Türklingel lautet jedoch Klaus Adamaschek, und seine Band ist eine deutsche mit europäischem Einschlag. Das hat Folgen. Trotz aller amerikanischen Vorbilder ist The Stories I Could Tell nämlich ein deutsches Album. Genauer: ein brillantes deutsches Album. Shiregreen schafft es, die amerikanischen Vorbilder musikalisch in Klangfarbe, Arrangement und Songmaterial typisch abzubilden – aber in seinen Texten zu germanisieren. Zwar sind sie englisch und handeln, wie erwartet, von Straßen, Zügen und weiten Landschaften. Doch beim Wiederhören dämmert es einem: Der Künstler singt nicht von der amerikanischen Westküste, er singt von zu Hause! Die Küste ist vielleicht die Ostsee, der Zug vermutlich ein ICE. Die Geschichten, die Shiregreen erzählen kann, stammen direkt aus dem bewegten Leben eines deutschen Musikers, die Musik ist Herzensmusik aus der hessischen Heimat. Wie amerikanisch auch immer sie klingt.

Chris Elstrodt

 

SHIREGREEN  – The Stories I Could Tell


YOUNG CHINESE DOGS
Farewell To Fate

(Rent a Record Company RAR 21852/Motor Music/H’Art, go! www.youngchinesedogs.com )
Promo-CD, 12 Tracks, 41:49

Die Münchener Band macht akustischen Folkpop. Man sollte das gleich vorwegschicken, bevor der Bandname Young Chinese Dogs womöglich in die Irre führt. Die Band weiß selbst nicht mehr, wo der seltsame Name herkommt. Bandgründer Nick Reitmeier findet ihn aber offensichtlich gut, denn er hält seit 2009 an ihm fest, trotz völligem Austausch der Musiker und einem Wandel vom Britpop zum poppigen Folk. Jetzt bestehen die Dogs neben Reitmeier, der singt, Gitarre spielt und alle Stücke schrieb, aus Kosängerin Birte Hanusrichter und dem Gitarristen Oliver Anders Hendrikssson. Die Stimmen von Reitmeier und Hanusrichter harmonieren perfekt, weshalb sie auch fast immer zweistimmig singen und etwas nach Country klingen. Die Musik ist leicht, aber auch leicht melancholisch, nach einem fröhlichen „Uh-la-la-la“ folgt der dann doch traurige Refrain „Can’t find love in the Summertime“. Als Einfluss nennen sie listig „die Isar“, weil ihre Musik „mitten in der Stadt, aber naturnah“ entstanden sei. Die Single „Sweet Little Lies“ hat Hitpotenzial, und zwar nicht aus Versehen. Die drei Münchener spielen zwar gerne in kleinen Clubs, aber zum großen Erfolg würden sie nicht Nein sagen.

Christian Rath

 

YOUNG CHINESE DOGS – Farewell To Fate

Update vom
09.02.2023
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