FOLKER – Rezensionen

Rezensionen BÜCHER


JENS ROSTECK
Édith Piaf : Hymne an das Leben.

Berlin : Propyläen-Verl., 2013.
462 S. : mit s/w-Fotos
ISBN 978-3-549-07419-0

Eine, die alles ins Bett zerrt, was nicht wie der junge Johnny Hallyday panisch von hinnen rast. Eine, die – zu jeder Tages- und Nachtzeit exaltiert, besoffen, zugedröhnt – das Leben und seine Schicksalsschläge in sich hineinfrisst. Eine, die, von Drogen und Schmerzen zerfressen, die höchste Intensität in der Musik erreicht, eine Rocklady avant la lettre: Édith Piaf. Ihre Geschichte wurde auf Deutsch nie wirklich erzählt. Unfassbar. Jetzt aber doch. Und zwar gleich so, dass es als Referenz gelten kann. Jens Rosteck lebt seit 1990 in Frankreich als Publizist, Musikwissenschaftler und Biograf (Bob Dylan, Hans Werner Henze, Lotte Lenya/Kurt Weill). Und hat alles richtig gemacht. Seine Piaf-Lebensgeschichte ist spannendst zu lesen, tausendfarbig, gut geschrieben und gleichzeitig fundiert, sauber recherchiert, mit teilweise erstmals zusammengetragenen bio- und bibliografischen sowie musikalischen und Filmlisten. Besonders bemerkenswert (und bisher durch das ganze Promifeuerwerk rund um „la môme“ oft vergessen): Rosteck erzählt und analysiert ein gutes Dutzend der wichtigsten Piaf-Chansons und beleuchtet damit das Interpretengenie dieses kleinen immensen Persönchens. Ein Standardwerk zum fünfzigsten Jahrestag des Todes von Édith Piaf im Oktober, in dem auch ein persönlicher Touch nicht fehlt: Da schreibt einer, dem Thema angemessen, mit Herzblut.

Gerd Heger

Bezug: go! www.propylaen.de

 

JENS ROSTECK   – Édith Piaf : Hymne an das Leben.


CHRISTOPH WELL / MICHAEL WELL
Biermösl Blosn :
Tokio, Kapstadt, Hausen

hrsg. v. Claudia Pichler. – Berlin : Kein & Aber, 2013.
287 S. : mit zahlr. Farb- u. s/w-Fotos
ISBN 978-3-0369-5680-0

On the road again, wie das Coverfoto hoffen lässt? Nein, die Zeiten sind, zumindest als Biermösl Blosn, vorbei. Zu tief sind die Gräben zwischen den entzweiten Brüdern. 35 Jahre lang waren sie als die einzig wahre Inkarnation einer bayerischen Volksmusikkapelle wie auch als gesamtdeutsche Kabarettgruppe unterwegs. Vor einem Jahr war alles aus. Hans, Michael und Stofferl Well gehen seither getrennte Wege, zu sehr hatte sich die Auffassung über Inhalte und Darreichungsform auseinanderentwickelt. Nun legen zwei der Brüder, Michael und Stofferl, eine Art buntes Roadbook über die Biermösln vor, das schöner nicht hätte ausfallen können. Michael Well, der seit Jahrzehnten akribisch alle Biermösl-Blosn-Artefakte sammelt und archiviert, hat einen tiefen Griff ins Schatzkästlein getan und viele rare Fotos, Plakate, Flugblätter, Zeitungsausschnitte und Faksimiles zusammengetragen, dazu statistische Daten, ein Instrumentenverzeichnis, eine Chronologie, Disko- und Bibliografie. Gut, dass die beiden Brüder sich als Autobiografen zurückgehalten und die Innensichten auf das außergewöhnliche Trio nicht selbst verfasst haben. Schreibstil und persönliche Erinnerungen könnten dabei unterschiedlicher nicht sein, darunter das Gedicht (!), das der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber zum Abschied eigens für die Süddeutsche Zeitung verfasste sowie Beiträge von Konstantin Wecker, Hans Söllner, Urs Widmer, Alfred Biolek, Gloria von Thurn und Taxis, Claus Peymann, um nur einige zu nennen. Schlaglichtartig beleuchtet das Buch nicht nur die Entwicklung der Band, sondern gibt gleichzeitig einen Einblick in das politische Klima in Bayern und im Rest der Republik. Die vielen unterschiedlichen Sichtweisen und die reiche Bebilderung machen das Roadbook für Fans der Gruppe unverzichtbar – immer wieder lädt es dazu ein, darin zu blättern, eine Biermösl-Blosn-CD einzulegen und in Erinnerungen zu schwelgen.

Ulrich Joosten

Bezug: go! www.keinundaber.ch

 

CHRISTOPH WELL / MICHAEL WELL  – Biermösl Blosn


KATHRYN DAVIDSON (Hrsg.)
The Language of Folk 1 :
elementary to intermediate ; 20 folk songs from around the British Isles, with background notes, practice tips and CD

London : Faber Music Ltd., 2013. – 56 S. : überw. Noten + CD
ISBN 978-0-571-53732-7
selected and ed. by Katrhyn Davidson ; arr. by Nathan Armstrong


The Language of Folk 2 :
intermediate to advanced ; 16 folk songs from around the British Isles, with background notes, practice tips and CD

London : Faber Music Ltd., 2013. – 54 S. : überw. Noten + CD
ISBN 978-0-571-53733-4
selected and ed. by Katrhyn Davidson ; arr. by Nathan Armstrong.

Die beiden studierten Musiker aus Northumberland und Lehrer am renommierten Musikzentrum The Sage Gateshead Kathryn Davidson und Nathan Armstrong versammeln hier eine exquisite Auswahl an Volksliedern vornehmlich der Britischen Inseln, die deren inhaltliche und musikalische Bandbreite andeuten soll. Das Repertoire besteht jeweils zur Hälfte aus A-cappella-Stücken sowie aus Liedern mit Klaviernotation. Zusätzlich sind Akkorde angegeben, um das Nachspielen mit Gitarre oder Band zu erleichtern. Die Notationen sowie die Interpretationsbeispiele junger Vertreter des Genres auf der jeweils beigefügten CD sind bewusst einfach gehalten, um eigenen Versionen nicht im Weg zu stehen. Weiterhin finden sich darauf separate Spuren unter anderem mit Übungsanleitungen zu den typischen Verzierungen. In den Heften selbst gibt es zu jedem Lied nützliche Hintergrundinformationen sowie praktische Tipps für die Umsetzung. Beide Bücher sind notgedrungen selektiv, regen aber zum Selbststudium an, indem sie weiterführende Quellen angeben, Namen von wichtigen Vertretern des Genres nennen oder Beispiele für hörenswerte Alben geben. The Language of Folk 1 + 2 sind geeignet für Menschen, die tiefer in die Materie einsteigen wollen. Sie bewahren aber auch Tradition in dem Sinne, dass sie einmal typische Muster des Volksliedes einfangen und zum anderen neueren Kompositionen die Chance geben, zu echten Volksliedern zu werden.

Stefan Backes

Bezug: go! www.fabermusic.com

 

KATHRYN DAVIDSON (Hrsg.)   – The Language of Folk 1 KATHRYN DAVIDSON (Hrsg.)   – The Language of Folk 2


DAVID CAMPBELL
A Traveller in Two Worlds Vol. 1 :
The Early Life of Scotland’s Wandering Bard ; David Campbell and Duncan Williamson in Conversation.

Edinburgh : Luath Press, 2011.
253 S. : mit Fotos
ISBN 978-1-906817-88-6

A Traveller in Two Worlds Vol. 2 :
The Tinker and the Student.

Edinburgh : Luath Press, 2012.
185 S. : mit Fotos
ISBN 978-1-908373-32-8

Wer war Duncan Williamson? Ein schottischer Gypsy/Roma/Traveller, geboren 1928, gestorben 2007. In diesen 79 Jahren wurde er zu einem der einflussreichsten und anerkanntesten authentischen Vermittler schottischer Balladen und Storys. Buch eins deckt die Jahre von seiner Geburt über das unmittelbare Erlernen der Lieder und Geschichten von Familie und Freunden bis zum Tod seiner ersten Frau 1969 ab, Buch zwei den Rest seines Lebens. Für einiges Aufsehen sorgte Williamson in den Siebzigerjahren durch seine Ehe mit einer zwanzig Jahre jüngeren amerikanischen Folkloristin.
Und wer ist David Campbell? Ein schottischer Akademiker/BBC-Produzent/Geschichtenerzähler, den eine ganz enge Freundschaft mit Williamson verband, eine Freundschaft mit allen offengelegten gewaltigen Höhen und abgründigen Tiefen. Campbell nahm im Auftrag Williamsons dessen erzählte Lebensgeschichte auf und gibt sie wenig editiert, aber häufig kommentiert und durch Zeitgenossen und Familie ergänzt wieder. Das macht die Bücher zu einer ungemein lebendigen, manchmal leicht chaotischen, aber durchgehend spannenden, teils dramatischen Lektüre. Wenn zum Beispiel seine amerikanische Frau (mit der er zwei Kinder hatte) Williamson nach siebzehn Jahren verlässt, aber nie auf Scheidung drängt und gegen Ende seines Lebens auf seinen Wunsch wieder zu ihm zieht. Und die Bücher lesen sich wie eine grundehrliche Dokumentation, wie ein Beweis für Campbells Hochachtung und Zuneigung zu Williamson und dessen Schwankungen zwischen Storyteller/Sänger-Genie, dem Kommunikator schlechthin (meistens) und dem Menschen mit primadonnenhaften und launischen Verhaltensweisen (seltener, aber wenn, dann richtig!). Dass sich hier zwei Menschen aus dem Umfeld der schottischen Traditionen scheinbar so offen und ehrlich mit ihren Schwächen und Stärken präsentieren, das sorgt für einen riesigen Gewinn an faktischem und menschlichem Wissen. Was will man mehr?

Mike Kamp

go! www.luath.co.uk

 

DAVID CAMPBELL – A Traveller in Two Worlds Vol. 1 DAVID CAMPBELL – A Traveller in Two Worlds Vol. 2


HANS PLATZGUMER / DIDI NEIDHART
Musik ist Müll / Musik = Müll :
Essay.

Innsbruck : Limbus-Verl., 2012.
124 S.
ISBN 978-3-902534-65-1

Zugegeben, es fällt nicht immer leicht, den oft stark assoziativen Gedankengängen des Autorenpaares zu folgen. Dennoch wird die Kernaussage der beiden österreichischen Musiker und Autoren unmissverständlich klar: Heutzutage ist konsumierte Musik – aus rein wirtschaftlichem Kalkül millionenfach über die unterschiedlichsten (digitalen) Kanäle auf den Markt geworfen und vor allem von der heranwachsenden Generation nur noch in Ausschnitten über fragwürdige Klangquellen (Smartphone etc.) gehört – letzten Endes nicht mehr als stark komprimierter, schnell im Ordner vergessener (Daten-)Müll. Damit teilt Musik, wie die Autoren treffend erkennen, das Schicksal von nahezu allem, was in der heutigen globalisierten Welt produziert wird und sich geradezu fatalistisch den Gesetzen des freien Marktes unterwirft. Seine analytische Stärke entwickelt das Buch, wenn es in der zweiten Hälfte den an der Digitalisierung gescheiterten Musikmarkt schonungslos in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang stellt und dessen Situation als ein Symptom für den unaufhaltsamen Verfall der modernen westlichen Kultur wahrnimmt. Der bewusst polemisch gehaltene Essay ist in seiner Überzeichnung eine rasiermesserscharfe Analyse der aktuellen Verhältnisse und jedem zu empfehlen, für den Musik noch einen Wert an sich besitzt und der sich ernsthaft Gedanken über die Zukunft dieser Welt macht.

Stefan Backes

go! www.limbusverlag.at

 

HANS PLATZGUMER / DIDI NEIDHART  – Musik ist Müll / Musik = Müll


HELMUT GOTSCHY
Der geschenkte Traum :
Roman.

Bad Schussenried : Hess, 2013
55 S.
ISBN 978-3-87336-417-2

Als Student gescheitert, wird Wilhelm Meerbusch, Held der Geschichte, zunächst zum Gitarrenbauer, ehe er die Drehleier für sich entdeckt, aus Süddeutschland nach Berlin zieht und dort seine erste Drehleierwerkstatt eröffnet, später eine Midi-Drehleier entwickelt und gar für Ritchie Blackmore Instrumente baut. Klingt bekannt? Na sicher, denn der zweite Roman von Helmut Gotschy (nach Papaya mit Rosinen und einem Band mit Kurzgeschichten) ist ein autobiografischer Roman, in dem der Autor mehr oder weniger sein eigenes Leben beschreibt, das so, wie er es mit seiner Behinderung als Folge einer Polio-Erkrankung gelebt hat, eigentlich eher nicht möglich gewesen wäre. Doch mit eisernem Willen und Selbstdisziplin hat es der Autor – wie auch sein Alter Ego im Roman – geschafft, zu einem renommierten Drehleierbauer zu werden. Er schildert seinen Weg in zupackender, kraftvoller Prosa, mit eigenwilligem Sprachgebrauch, an den man sich zunächst genauso gewöhnen wie auf die abrupten Zeit- und Schauplatzwechsel einlassen muss. Belohnt wird man dann mit einem höchst kurzweiligen Schlüsselroman, und Eingeweihte werden natürlich sofort wissen, wer mit „der Frankfurter“ oder „der Wiener“ gemeint ist, werden sich an das präzise geschilderte Milieu in Saint-Chartier oder im Rudolstadt der frühen Jahre erinnern und durchaus nostalgisch auf die ein oder andere Folk- oder Bordunband aus jener Zeit besinnen, als die CDs noch groß und aus Vinyl waren und der Folker noch A5-klein und Folk-Michel hieß. So ganz klar wird in der Geschichte nie, wo Fakt aufhört und Fiktion beginnt, aber das macht auch einen guten Teil des Reizes aus. Einem geschenkten Traum schaut man eben nicht hinter den Schaum.

Ulrich Joosten

go! www.gerhard-hess.verlag.de

 

HELMUT GOTSCHY  – Der geschenkte Traum


JUSTIN SANDERCOE
justinguitar.com – Das Anfänger-Songbook :
100 Klassiker, speziell f. Gitarren-Anfänger arrangiert.

Dt. Erstausg. – o. O. : Bosworth, 2013.
223 S. : mit zahlr. Abb. + TAB. – (BOE ; 7609)
ISBN 978-3-86543-706-8

Justin Sandercoe ist ein Mann mit großer Mission: Gitarre lernen für alle und das kostenlos. Auf seiner Website finden sich dann auch gleich mehr als fünfhundert Lektionen aus beinahe allen musikalischen Sparten. Die grundlegenden musikalischen Themen, Skalen, Akkorde, Rhythmus, Arpeggien etc. greift er auf, und meist gibt es auch noch ein Video dazu. Auch in dem gerade erschienenen Lehrbuch für den absoluten Anfänger findet sich, gut und übersichtlich aufbereitet, das Rüstzeug für den angehenden Begleitgitarristen. Anhand von gut hundert Songs aus Rock, Pop, Folk und Blues erschließt Mister Sandercoe dem Neuling auf erstaunlich klare und pragmatische Weise die absoluten Essentials. Und was noch besser ist: Es klingt vom ersten Moment an. Wer sich durch die gut zweihundert Seiten gearbeitet hat, kennt die gängigen Akkordverbindungen, weiß, was Powerchords sind, hat die alltäglichen Rhythmuspatterns drauf, und ein wenig Fingerstyle hat man quasi nebenher auch gleich mitgelernt. Das Buch im praktischen Mitnehmformat und in Ringbuchbindung ist gespickt mit Tipps, Ideen und Anregungen rund ums Spiel und das Instrument. Ein echter Allrounder. Die Auswahl der Songs ist sehr weit gefächert. Da wird jeder fündig. Im Gegensatz zur eingangs geschilderten Mission ist das Buch zwar nicht umsonst, aber jeden Cent wert.

Rolf Beydemüller

go! www.bosworth.de

 

JUSTIN SANDERCOE  – justinguitar.com – Das Anfänger-Songbook

Update vom
09.02.2023
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