FOLKER – Gastspiel

GASTSPIEL

Das Fremde und das Eigene

Deutsche Folkmusik

Von Ralf Gehler*

RALF GEHLER 2010 * FOTO: DORIS JOOSTEN

Folkmusik ist in Deutschland, genau wie in allen anderen Teilen der Welt, eine Form des Umgangs mit der Überlieferung der Volksmusik. Sie schöpft sich daraus. Folkmusik ist wohl auch die Form der Aneignung dieser Traditionen, die dem Wesen der Volkskultur am Nächsten kommt – nämlich als kreative, oft persönliche Auseinandersetzung mit historischen Quellen im Jetzt und Hier. Das war schon immer ein Charakteristikum von Volksmusik, die nicht konservierend sagen wollte: „Jetzt zeigen wir Euch mal, wie man damals musiziert hat!“
» Ein Miteinander
verschiedener Kulturen und
Musiken ist nämlich nur
möglich, wenn man auch das
Eigene kennt. «
Als sich Folkmusik in Deutschland vor allem in den Siebzigerjahren verbreitete, waren es zunächst Bands und Solisten, die erlebten, welche Kraft diese Musik aus Nordamerika und immer mehr aus Irland mit sich brachte. Man sang nun in Deutschland die irischen Balladen und spielte die irischen Melodien mit Inbrunst. Sie wurden Bestandteil einer linken Jugendkultur in der Bundesrepublik. Folkmusik schaffte es, ein Wir-Gefühl zu erwecken und konnte mentale Waffe der Politik sein.
Autoreninfo:

*RALF GEHLER, 1963 in Schwerin in Mecklenburg geboren, lebt in Hagenow und ist dort als Mitarbeiter des Museums für Alltagskultur der Griesen Gegend tätig. Er studierte Europäische Ethnologie und Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt-Universität Berlin und promovierte an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zur mecklenburgischen Volksmusikgeschichte. Mehrere Jahre war er als freiberuflicher Volksmusikant tätig, als Lehrer für Sackpfeifen und Mitglied der Gruppen Clasen und Consorten, Kwart und Malbrook. Der zweimalige Preisträger des Deutschen Weltmusikpreises ist seit vergangenem Jahr Vorstandsmitglied von Profolk.

Diese Funktion ließ die Verwendung deutscher Texte und das Erforschen deutscher Lieder fast zwangsläufig folgen. Man stand mit progressiven Soldatenliedern, Gesellenliedern und Liedern der Arbeiterbewegung auf der Bühne. „Was die Iren mit ihrer Musik können, das können wir auch!“, hieß es – und es funktionierte. Deutsche Volksmusik wurde vom Klischee des „Es war einmal…“ befreit, wurde zum Bestandteil der Jugendkultur und der Reflexion politischer Ansichten – in Ost und West. Seit den Neunzigerjahren veränderte sich Folkmusik in Deutschland. Sie wurde Bestandteil einer Freizeitkultur mit Wochenendseminaren und Treffen von Leuten, die sich einer speziellen Musik verschrieben hatten – zentralfranzösischer Tanzmusik, irischem Dudelsack, schwedischem Geigenspiel, bretonischem Gesang, Balkantanz. Mit diesen Spezialisierungen versehen, verlor Folkmusik in Deutschland einerseits an Profil, andererseits erreichten die technischen Fertigkeiten der Musikanten ein recht großes Niveau. International wirkende Bands inspirierten das Spiel und die Arrangements deutscher Kapellen und bald standen auch deutsche Gruppen auf internationalem Parkett – mit Stücken aus England, Frankreich, Schweden oder Irland. Dieses ganze Spektrum umfasst Folkmusik in Deutschland – aber auch „deutsche Folkmusik“?

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