FOLKER – Labelporträt (60)

LABELPORTRÄT 60

Kundschaft trotz Exodus des Handels

Lusafrica

Gewinner des Womex Label Award 2012

TEXT: MARTIN STEINER


José da Silva, der Gründer von Lusafrica, ist ein Weichensteller. Er bringt mit einem untrüglichen Gespür Menschen auf den richtigen Weg. Erst tat er dies für die SNCF, die französischen Staatsbahnen. Dann entdeckte der kapverdische Hobbymusiker in einem Restaurant in Lissabon Cesária Évora. Die barfüßige Diva bereiste danach die ganze Welt und verkaufte sechs Millionen Tonträger. Dieser Erfolg ermöglichte es da Silva, die kapverdische Musik in ihrer ganzen Breite populär zu machen. Parallel dazu weitete er seinen Aktivitätsradius aus und produzierte Alben von Künstlern aus Kuba und ganz Afrika. Manche haben das Zeug, Musikgeschichte zu schreiben, wie etwa die junge Sängerin Sia Tolno aus Sierra Leone, die bereits mit Miriam Makeba verglichen wird. Lusafrica wurde mit dem Womex Label Award des Jahres 2012 ausgezeichnet.

José da Silva
Auswanderer haben Mühe, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden, so die gängige Meinung. Einige haben aber gerade aufgrund ihrer Herkunft Erfolg in ihrer neuen Heimat. Einer von ihnen ist José Da Silva, 1959 in Praia, der Hauptstadt der Kapverden geboren. Acht Tage nach seiner Geburt zieht seine Mutter mit ihm nach Dakar, Senegal. 1973 landet sie mit ihm in Paris, wo sie als Haushalthilfe bei einem Zahnarzt arbeitet. Während sie spät abends von der Arbeit zurückkehrt, hängt ihr Teenagersohn mit seinen Kumpels rum. Trotz allem schafft er ein Buchhalterdiplom. Nach vielen Aushilfejobs findet er als Weichensteller bei den französischen Staatsbahnen eine Festanstellung. Nebenbei erinnert er sich seiner Wurzeln, tritt
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einer kapverdischen Jugendorganisation bei und gründet zusammen mit seinen Freunden eine Band. „Ich war gleichzeitig deren Bassist, Produzent und Manager.“
1987 ändert sich José da Silvas Leben schlagartig. Auf einer Reise nach Lissabon nimmt er an einem Abendessen im Restaurant von Bana, einem kapverdischen Musiker, teil. Dort tritt eine unscheinbare barfüßige Frau auf. Die 47-Jährige hatte lange
» ICH HABE SPONTAN
KÜNSTLER PRODUZIERT,
WENN IHRE MUSIK FÜR MICH
STIMMTE. DAS HAT VIEL GELD
VERSCHLUNGEN.«

José da Silva
Jahre kaum mehr gesungen und war dem Alkohol verfallen, bevor sie von Bana nach Portugal geholt wurde. José da Silva ist fasziniert von der Stimme von Cesária Évora und überzeugt sie, nach Paris zu kommen, wo sie für ihre Landsleute auftritt – das erste und letzte Mal in Schuhen. Dank seinen Überredungskünsten erhält José da Silva bei einer Bank zwanzigtausend Francs Kredit, um Cesária Évoras europäisches Debutalbum La Diva Aux Pieds Nus zu produzieren – die erste Produktion für das neue Label Lusafrica. Das Album verkauft sich in der Folge 3.000 Mal. Angestachelt von diesem Erfolg klopft José da Silva an die Türen der Schallplattenmultis, die den Vertrieb seiner Produktionen übernehmen sollen. Diese stellen ihn jedoch vor die Tür, sobald sie das Foto der Sängerin sehen. So was
SIATOLNO * FOTO: N'KRUMAH LAWSON-DAKU
lässt sich in den Augen der PR-Leute kaum verkaufen. Anders bei Mélodie[Distribution], einem Pariser Label und Vertrieb, das sich auf afrikanische Musik spezialisiert. Gilbert Castro, der Chef des Labels, will mit der Sängerin einen Sommerhit landen. Destino Di Belita heisst das Album und richtet sich mit Mornas und Elektrocoladeiras an die kapverdische Gemeinde. François Post, der PR-Mann des Unternehmens, spürt jedoch von Anfang an, dass die Stärken von Cesária Évora in der Interpretation akustischer Musik liegen. 1991 verhilft er ihr zu einem Konzert beim Festival in Angoulème, wo sie erstmals vor einem nichtkapverdischen Publikum auftritt. Dieses ist sofort hingerissen von ihrer Stimme. Daraufhin produziert José da Silva sein erstes akustisches Album der Sängerin. „Ich habe sie gebeten, das zu singen, was ihr gefällt, wie früher in den Bars von Mindelo.“ Mar Azul, das Resultat der Aufnahmesessions, geht 50.000 Mal über die Ladentheke.

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