Intensiv waren die acht Jahre seit seinem letzten Soloalbum: Ein trinationales
Kulturhauptstadtprojekt, Ausflüge vom Mekong über Uganda bis in die Old-Time Music mit dem
Klangweltenfestival, Tanztheaterproduktionen und die Rückbesinnung auf Minimalistisches bilden
nur einige der Stationen. Auf seiner neuen Doppel-CD The Winding Road fährt Rüdiger Oppermann also
eine reiche Ernte ein und sucht mit dem irischen Mönch Brendan zugleich neue Horizonte.
TEXT: STEFAN FRANZEN
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REICHE ERNTE NEUER AUFBRUCH
RÜDIGER OPPERMANN
WELTMUSIK ALS UNNÖTIGER TERMINUS
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AUSWAHLDISKOGRAFIE:
Reise nach Harfistan (Wundertüte, 1985)
Silberfluss (Wundertüte, 1986)
Same Sun, Same Moon (live; mit Malamini Jobarteh, Roland Schaeffer, Jatinder Thakur, Rainer Granzin; Shamrock Records, 1992)
Karawane (mit Solongo Damdin, Enkhjargal Dandarvaanchig, Jatinder Thakur, Rainer Granzin; Shamrock Records, 1997)
Fragile Balance (Shamrock Records, 1998)
Same Same, But Different (Klangwelten Records, 2004)
Klangwelten 25 Jahre Dialog der Kulturen. Zweiter Band, 2006-2011 (Buch mit 5 CDs plus DVD; Klangwelten Records, 2011)
The Winding Road (Do-CD; Klangwelten Records, 2012)
Rüdiger Oppermanns Harp Attack Changing Tide (Shamrock Records, 1991)
Rüdiger Oppermann, Park Stickney Harp Summit (Klangwelten Records, 2004)
Veronika Fuchs, Sally Clarke & Cynthia OppermannBlue Ayre (Klangwelten Classics, 2012)
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Die milde Herbstsonne sendet ihre letzten Strahlen auf die Terrasse hinter dem alten Fachwerkhaus. In der frühabendlichen
Luft des elsässischen Dorfes hängt der Duft von Äpfeln, Trauben und Nüssen. Es ist Erntezeit, auch für Rüdiger Oppermann.
Bei einer Tasse Schwarztee lässt er seine zurückliegende Lebensphase Revue passieren, bündelt im Geiste noch einmal all das,
was ihn seit seiner letzten Soloscheibe Same Same, But Different beschäftigt hat vor rund acht Jahren. Ein gewundener Weg war
es, der auch den Titel für das neue Werk The Winding Road liefert. Ein Titel, der unweigerlich an eine Schlussbilanz denken
lässt, zumindest wenn man sich die Beatles mit ihrem letzten großen Hit vergegenwärtigt. Nein, an die habe ich dabei nicht
gedacht, korrigiert der Befragte schmunzelnd. Trotzdem könnte es gut sein, dass das die letzte CD unter meinem Namen ist,
denn diese eigentlich sehr kurze Epoche der Tonträger, mit denen man Geld verdienen kann, neigt sich ja unweigerlich dem Ende
zu. Deshalb war es für mich wichtig, dass diese Veröffentlichung jetzt noch mal richtig aufwendig wird, ohne Rücksicht auf
die Kosten. Aber zum Titel: The Winding Road geht zurück auf das türkische Sufi-Lied Uzun Ince Bir Yoldayim, was sich
mit Ich bin auf einem langen verschlungenen Pfad übersetzen lässt. Und genauso fühle ich mich. Auf den Biegungen dieses
langen Pfades fand der Harfenist und Festivalchef von Klangwelten seit 2005 andere Akzente als zuvor, die nun alle als
auffällige oder auch als nuancierte Facetten aufleuchten in dem neuen Werk. Denn stand bis dahin eher die Soloharfe im
Mittelpunkt, wurden die letzten Jahre vor allem vom Zusammenspiel mit Musikern aus vielen Kulturen geprägt. Deshalb sind
auf der neuen Veröffentlichung auch weit über fünfzig Weggefährten zu hören.
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DIE KURZE EPOCHE DER
TONTRäGER, MIT DENEN
MAN GELD VERDIENEN
KANN, NEIGT SICH UNWEI-
GERLICH DEM ENDE ZU.
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Es ist eine Herausforderung, all die Linien dieses klingenden Netzwerks zu verfolgen. Doch ganz zentral ist in jedem
Fall die Karawane 2010: Als sich vor drei Jahren gleich drei europäische Standorte mit dem Prädikat Kulturhauptstadt
schmücken durften, nämlich Istanbul, das ungarische Pécs und das Ruhrgebiet, lieferte Oppermann das den Urstoff. Dieses
Projekt hat mir die Freiheit gegeben, relativ unbegrenzt meinen musikalischen Horizont zu erweitern und auch für den
Zuhörer etwas zusammenzubringen, was es vorher so noch nicht gab, eine Verbindung aus drei zufällig ausgewählten Städten
und Regionen, erinnert sich der Initiator. Die türkischen und die ungarischen Musiker aus diesem Brückenprojekt nehmen
denn auch einen zentralen Platz auf The Winding Road ein. Anknüpfen konnte Oppermann hier an Erfahrungen aus seiner Frühzeit.
Schon als junger Mann lebte er in Istanbul im Haus eines Sufimeisters des Mevlevi-Ordens, bekam den Alltag der Derwische
hautnah mit und war beeindruckt von ihrer Spiritualität. Wobei mich der islamische Hintergrund nie so stark interessiert
hat wie der musikalische Aspekt, betont er.
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Im Zuge der Recherchen hat er die Sänger und Instrumentalisten von damals am Bosporus wieder getroffen, sich aber dann
für eine Zusammenarbeit mit jungen Musikern entschieden. In der aktuellen brodelnden Szene in Istanbul steckt noch viel
mehr drin als bei den alteingesessenen Sufimusikern. Auch von den jungen sind noch zwei, drei im Sufiorden, aber die reden
da gar nicht drüber. Sie sind einfach fantastische Künstler auf der Basis klassischer türkischer Musik, sind aber auch
jazzig versiert und durch ihren sufistischen Einschlag nehmen sie jeden einzelnen Ton sehr ernst. Im epischen Titelstück
über den Sufi-Wanderer, der durch Täler, Berge und Wüsten geht, immer auf der Suche nach dem Höchsten, hat Oppermann die
türkischen und europäischen Skalen delikat austariert. Kavalflöte, verträumter Gesang, Oud und Bardenharfe entführen in eine
andere Welt. Ähnlich gelingt ihm das mit der Gruppe Zengö, den Musikern aus Pécs, die in zwei Volksliedvertonungen aus
Siebenbürgen an die Urschichten ungarischer Traditionen rühren. Das ist eine archaische Ausdrucksform, eine bestimmte
Art zu singen, die ich sowohl bei Lajos Bergics von Zengö entdecke als auch schon vor vielen Jahrzehnten bei Alan
Stivell gehört habe. Ich habe das intuitiv auf der Harfe mit einem Fünferrhythmus begleitet, doch das kannten sie gar
nicht. Dabei dachte ich, in der ungarischen Musik sind diese ungeraden Metren, wie man sie vom Balkan kennt, auch präsent!
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