Seit er im Turm über dem alten Stadttor seine Schreibstube hat, besitzt auch Hechingen einen Dichterturm, wenn auch keinen ganz so idyllischen wie die Nachbarstadt Tübingen mit dem Hölderlin-Turm am Neckar. Christof Stählin lebt seit zwanzig Jahren in dem Städtchen zwischen Stuttgart und Bodensee, und wenn er hier ab und zu in der Stadthalle oder in der Rotunde der Villa Eugenia ein Konzert gibt, könnte er auch zu Fuß zum Auftritt gehen. TEXT: CHRISTOPH WAGNER Christof Stählin wirkt ein bisschen wie aus der Zeit gefallen, oder besser: als ob er aus einer früheren Epoche unversehens in der Gegenwart gelandet wäre. Er hält Tugenden wie Höflichkeit, Zurückhaltung und Takt in Ehren und kennt den Wert geistreicher Konversation. Stählin ist ein unzeitgemäßer Zeitgenosse und erweist sich nicht nur in seinen Liedern als Ästhet.
Der Liedpoet gehört zum Urgestein der deutschen Liedermacherszene. Schon 1965 war er beim Festival auf der Burg Waldeck dabei. Damals führte er als Gitarrist im Duo mit dem Sänger Michael Wachsmann englische Lautenlieder aus der Shakespeare-Zeit auf. Seit den Siebzigerjahren lebt er von seinen eigenen Liedern. 1981 entstand im Auftrag der Berliner Festspiele ein Programm über Preußen. Das war das erste in einer Reihe von Sprachprogrammen mit literarischen und kulturgeschichtlichen Themen wie der Französischen Revolution oder Giacomo Casanova. Das Liederschreiben litt darunter nicht. Am bekanntesten wurde sein Titel Kaiserquartett und Deutschlandlied, worin er die zarte Schönheit des Streichquartetts von Joseph Haydn gegen eine zu derbe Interpretation als Nationalhymne in Schutz nahm. Deutschland ward zum Blasorchester, gedacht wärs gewesen als Streichquartett. Das Lied ist in den Schulunterricht eingegangen. ... mehr im Heft |
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