Rezensionen EUROPA
|
LARA BELLO
Primero Amarillo Después Malva
(Ojo GR172-2012/Galileo MC, www.larabello.com
)
10 Tracks, 54:01, mit span. Texten und Infos
Nicht nur der Titel des Albums, Erst gelb, dann mauve, eine Metapher für die
Lebenszyklen und -veränderungen, atmet viel Poesie. Auch was uns die Sängerin
und Tänzerin aus New York da musikalisch kredenzt, ist von großer poetischer und
spiritueller Anmut. Die gebürtige Andalusierin ist hörbar in der Lage, in ihre
musikkulturellen Hintergründe wie den Flamenco, arabische Musik und Jazz, die
neuen, mannigfaltigsten Einflüsse ihrer multikulturellen Wahlheimat einzubinden.
Die zehn Songs, nahezu komplett aus der Feder ihrer Interpretin, lassen sich
Zeit, ihre Atmosphären und Klanglandschaften zu entfalten, in denen sich Bellos
anmutiger Gesang genüsslich ausbreitet. Mit Hilfe exzellenter Instrumentalisten
entstand eine charmante, panamerikanisch anmutende Liedersammlung, für die aus
Jazz und Latin Jazz geschöpft wird wie auch aus afroperuanischer und
kolumbianischer Musik, Tango, Samba oder Flamenco. Lara Bello schlägt eine neue
Brücke zwischen der Alten und der Neuen Welt. Mit Künstlern wie ihr verlängert
sich die sogenannte Ida y Vuelta – das historisch prägende Hin und Her
zwischen den Musikkulturen beider Territorien aufs Wohlklingendste und
Lebendigste in die Gegenwart.
Katrin Wilke
| |
|
KIRJAVA LINTU
Unilintu
(Kuu Records KUUREC002, www.kirjavalintu.com
)
13 Tracks, 51.34, mit finn. Texten
Kirjava Lintu – zu Deutsch: Bunter Vogel – ist ein finnisches
Sextett, dessen Mitglieder allesamt an der renommierten Sibelius-Akademie in
Helsinki studiert haben. Auf diesem, ihrer zweiten Album, finden wir
traditionelle Stücke, die zumeist von Bandmitglied Juha Kujanpaa arrangiert
wurden. Das erste Stück, Kaksi (Zwei) setzt sehr sakral ein, wie ein Choral,
dann kommt eine fast irische Fiddle-Einlage, darauf folgt Gesang in finnischer
Tradition, vorgetragen von Sängerin Minsku Tommala. Kirjava Lintu stützen sich
bei der Auswahl ihrer Texte auf die finnische Kalevala-Überlieferung und auf
moderne finnische Poesie. Die Bedeutung der Texte wird dabei oft durch eine Art
Sprechgesang hervorgehoben, der wenn man die Texte nicht versteht manchmal etwas
eintönig wirken kann. Instrumental sind Kirjava Lintu dagegen abwechslungsreich,
geradezu virtuos, auf todtraurige Geigenpassagen folgen lebhafteste Tanzstücke,
und dann wird es wieder sakral und das alles ist eine Freude fürs Ohr.
Gabriele Haefs
| |
|
LYY
Två
(Dimma DIS012, www.lyy.se
)
14 Tracks, 56:59, mit schwed. und engl. Texten und Infos
Seit 2006 bringt diese junge Gruppe frischen Wind in die schwedische Folkmusik
– und wird dabei immer besser: Emma Björling, Gesang – singt auch im
a-cappella Quartett Kongero; Anna Lindblad, Geige – erhielt 2003 den
ehrenvollen Titel Riksspelman und spielt unter anderem in der Folk All-in
Band; David Eriksson, Nyckelharpa – gehört zu den besten Spielern dieses
Instruments; Petrus Johansson, Gitarre – spielt auch Bass; Martin Norberg,
Schlagzeug – sein Hauptinstrument ist allerdings das Saxophon.
Kennengelernt haben sie sich während des Musik-Studiums an der Königlichen
Hochschule in Stockholm. Wie auf ihrem ersten Album von 2010 sind auch auf
diesem zweiten sorgfältig ausgewählte und bearbeitete traditionelle Stücke, aber
auch wieder ganz moderne Eigenkompositionen wie Kom Gör Världen Grön (Komm,
mach die Welt grün) und Gryningens Ljus (Licht der Morgendämmerung). Sehr
berührend Då Jag Var En Liten Pojk (Als ich ein kleiner Junge war), wo die
erste Strophe gesungen von der Komponistin Katarina Lundstedt als
Originalaufnahme von 1960 nahtlos eingebaut wurde. Schwedische Folkmusik in der
Tradition von Ranarim und Triakel, in höchster Qualität und mit Ausflügen in
Moderneres.
Bernd Künzer
| |
|
CALUM & RORY MACDONALD
The Band From Rockall
(Sony Music 88691978872, www.thebandfromrockall.co.uk
)
12 Tracks, 54:45, mit engl./gäl. Texten
Die MacDonald-Brüder grenzen sich mit The Band From Rockall bewußt
von Runrig ab – wie uns die Plattenfirma glauben machen will? Wie soll
denn das bitte gehen? Die beiden schreiben so gut wie alle Runrig-Songs, Rory
singt speziell die gälischen Lieder, Calum besorgt die prägnante Percussion
– Calum & Rory MacDonald sind Runrig! Das lässt sich auch solo
beziehungsweise im Duo nicht verheimlichen – und warum auch? Es ist eher
so: Alte Rockinstrumente und analoge Aufnahmetechnik erzeugen einen Sound
Richtung Retro-Rock-Runrig, der nicht von ungefähr dezent an deren erstes Album
Play Gaelic aus dem Jahre 1978 erinnert. Die Brüder haben sich noch einige
teils illustre Mitstreiter ins Studio geholt, etwa Andy Thorburn, Julie Fowlis,
B.J. Cole, und ein gälisch-englisches Album produziert, das ihnen hörbar Spaß
gemacht hat. Frisch, rockig, hymnisch – Fans von Calum & Rory
MacDonalds allseits bekannter Arbeit werden auch The Band From Rockall
lieben – völlig zu Recht.
Mike Kamp
| |
|
CARMELILLA MONTOYA
Homenaje
(Karonte KAR7729/Galileo MC, www.galileo-mc.de
)
11 Tracks, 42:56, mit span. Texten und Infos
Die Sängerin und Tänzerin aus Sevillas traditionsreichem Triana-Viertel gehört
der renommierten Flamenco-Familie Montoya an, durch die sie früh mit allen
Seiten dieser Kunst und ihren wichtigen Vertretern in Tuchfühlung kam und schon
als Dreijährige zu tanzen begann. Und doch dauerte es fast ein halbes
Lebensjahrhundert, bis die Künstlerin auf einem ersten Album unter eigenem Namen
ihr bemerkenswertes Gesangstalent präsentiert. Für Homenaje
wurde eine illustre Runde von Musikern zusammengerufen, Protagonisten des
modernen und traditionsnaheren Flamenco wie der Flamenco-Blues-Gitarrist
Raymundo Amador, der Flamenco-Jazzer Jorge Pardo oder der Cantaor Miguel Poveda
– alles Musiker, die dem Kenner dieser Musik das Herz höher schlagen
lassen. Doch gerade auch dem Unkundigeren, den die Intensität des Flamenco
womöglich befremdet, ermöglicht diese Sammlung überwiegend heiterer
substanzieller Rhythmen wie Bulerías, Tanguillos oder Rumbas, einen
wunderbareren Einstieg in ihre heutige Klangwelt. Der anmutige, etwas rauchige
Gesang der Montoya wird exzellent und frisch produziert und durch eine sehr
sublime, farbenfrohe Instrumentierung schließlich genau richtig ins Licht
gerückt.
Katrin Wilke
| |
|
MORFE ACOUSTIC BAND
Ziziaq
(Eigenverlag, www.morfemedia.com
)
7 Tracks, 44:47
Von der Band Morfe hat hierzulande vermutlich noch kaum jemand gehört. Kein
Wunder – es ist mit Ziziaq gerade erst ihr Debütalbum erschienen
ohne Label, Bestellnummer oder Kontaktdaten, von einem Labelcode ganz zu
schweigen. Also Achtung! Hier gibt es noch Neuland zu entdecken: Morfe kommen
aus Minsk, Weißrussland. Ihren Stil beschreiben sie auf ihrer Website sehr
treffend als Mischung aus Folk, Jazz und Avantgarde. Was der Kopf der Band, ein
Armenier, an Klängen und Kompositionen hervorzaubert, ist wirklich ungewöhnlich.
Musikalisch liegen Wegbereiter wie die Warsaw Village Band nahe, aber
Trance-Freunde werden an den tanzbaren Nummern ebenfalls Freude finden.
Vielleicht passt ein Vergleich zu Hidria Spacefolk ganz gut. Überhaupt passen
Morfe definitiv auf jedes Hippie- oder Elektrofestival, aber eben auch zu den
Folkies. Hauptinstrumente sind nämlich nicht etwa Synthesizer, sondern
Klarinette und Akkordeon. Ein eigenwilliger Sound, den man so tatsächlich noch
nie gehört hat. Das finden auch die bekannteren osteuropäischen Festivals, auf
denen Morfe mittlerweile abgefeiert wird. Wollen wir hoffen, dass sich in
Deutschland ein Vertrieb, und noch wichtiger, ein Käuferkreis findet.
Chris Elstrodt
| |
|
FRANCO MORONE
Back To My Best
(Acoustic Guitar Records, www.francomorone.com
)
15 Tracks, 51:15
Ein Best-of-Album. Aber was für eines! Der umtriebige italienische Fingerstylist
Franco Morone hat eine Auswahl an Stücken getroffen, die seinem Herzen besonders
nahe stehen. Doch im Gegensatz zu den vielen anderen, die dann schlicht alte
Aufnahmen neu zusammenstellen, hat er gleich alles noch einmal neu eingespielt.
Denn mit den Jahren sind die Werke mit dem Künstler gereift, wie ein guter Wein.
Und so erzählt Morone neu, was seine Fans bereits kennen – aber so
entspannt und großartig gespielt noch nicht gehört haben. Es sei denn in einem
seiner zahlreichen Konzerte, die ihn ja auch schon häufig nach Deutschland
geführt haben. Die unbändige Spielfreude Morones, Drive und Eleganz, sein
kunstvolles polyphones Spiel – all das ist hier auf einem sehr
persönlichen künstlerischen Rückblick versammelt. Italienische Weisen,
Keltisches, Blues und poetische Balladen – in welchem Genre ist er
eigentlich nicht zuhause? Und wer auf den verwegenen Gedanken kommt, das eine
oder andere Glanzstück nachspielen zu wollen, kann auch gleich das Buch mit
Noten und Tablaturen zum Album ordern.
Rolf Beydemüller
| |
|
SILLY WIZARD
Live Again
(Birnam CD BCD619, www.sillywizard.co.uk
)
15 Tracks, 76:14, mit engl Infos
Auch vergessen, wie genial diese schottische Band war? Dieses Live-Album, 1983
in den USA aufgenommen, erinnert nachdrücklich daran. Zum Zeitpunkt der Aufnahme
war Fiddler John Cunningham schon nicht mehr dabei, aber da die Tour durch seine
neue Heimat USA ging, konnte ihn die Band für dieses eine Konzert zu einem
Silly-Wizard-Comeback bewegen. Und was für ein Konzert die 1200 im Sanders
Theatre in Cambridge, Massachussetts da erlebt haben! Instrumentals, die die
mitreißende Schönheit der schottischen Tunes perfekt treffen. Der präzise Genius
der Gebrüder Cunningham – Phil als Lichtgeschwindigkeitsakkordeonist.
Gordon Jones' zuverlässige akustische Rhythmusgitarre. Der erdige Bass von
Martin Hadden, ohne dessen Firma und Label Birnam es diese Veröffentlichung
nicht gäbe. Die unglaubliche Stimme von Andy M. Stewart – warm, variabel
und packend, der Beste seinerzeit. Tja, und Stewarts unvergessliche
Kompositionen: The Ramblin Rover, Golden Golden, The Blackbird –
und vor allem das emotionale Auswanderer-Epos The Valley Of Strathmore –
Silly Wizard spielten damals tatsächlich in einer ganz, ganz eigenen Liga.
Dieses Album muss man haben, wenn man schottische Folkmusik liebt.
Mike Kamp
| |
|
BIBI TANGA & THE SELENITES
40° Of Sunshine
(LInlassable/Nat Geo Music NGM 018/National Geographic/Warner, www.bibitanga.com
)
12 Tracks, 40:40, mit knappen engl. Infos
Gebunden wird alles von Bibi Tangas unaufgeregtem präsenten Gesang in Englisch
und Sango – und darunter verschmelzen afrikanische Musik und der Sound der
Chillout-Oasen moderner Großstädte wie Paris in verschwenderischem Luxus und
vollendeter Harmonie. An der Seine als Kind zentralafrikanischer Eltern mit
Diplomatenhintergrund geboren, soll Bienvenue Tanga viel herumgekommen sein
zwischen Paris, Afrika, Moskau und den USA – obs stimmt? Presseprosa
dieser Art gehört spätestens seit 3 Mustapha 3 zum Geschäft wie nichts Gutes.
Wie dem aber auch sei – alles wieder mit drin im Mix, wie beim Vorgänger:
subtile Rhythmen und Grooves mit einem ausgeprägt afrikanischen Touch, die das
gesamte Spektrum von Rock und muskulöser Tanzmusik bis zu federleichtem
Mbiratröpfeln abdecken; die moderne, an der internationalen Popmusik geschulte
Produktion mit Hang zum entspannten Lounge-Loop mit Trance-Aspekt; und der
geradezu unfassbare Eklektizismus, der alte Schallplatten ebenso zu sampeln und
benutzen weiß, wie er Stilelemente von weiß Gott was allem integriert, seien es
Jazz oder klassische Filmmusikatmosphären. Ein Spagat, der die Welten, zwischen
denen er sich spreizt wie mit links integriert.
Christian Beck
| |
|
THE TOY HEARTS
Whiskey
(Woodville Music WVR004, www.thetoyhearts.com
)
12 Tracks, 45:22
Der Titel ihres vierten Albums spricht Bände, Dämon Alkohol zieht sich wie eine
endlose Reihe Kurzer durch die Songs von Whiskey. Nun gehören die Schwestern
Hannah (lead v) und Sophia Johnson (g) aus dem englischen Birmingham nicht zu
den Aktivisten des Blauen Kreuzes, und auch Vater Stewart (bj, pedal steel,
dobro) mag schon mal einen gehoben haben. Aber es geht The Toy Hearts nicht
ausschließlich um eigene Erfahrungen mit Spirituosen, wie sie ganz nach dem
Motto Saufen ist auch keine Lösung im traurigen, aber schönen Titelsong des
Albums anklingen: Whiskey won't take the taste of heartbreak from my mouth.
Nein, es scheint sie auch ein historisches Interesse anzutreiben, weswegen sie
zurückschauen auf die 1920er- bis -40erjahre und Songs von Wayne Hancock, Bob
Wills & His Texas Playboys und Bessy Smith mit ihrem Me And My Gin
interpretieren. Das passt zu ihrer schon aus dem Vorgängeralbum
Femme Fatale hervorlugenden Liebe zu Western Swing und Blues. Diese
Stile dominieren die Platte, Bluegrass scheint dagegen nur noch zwischen den
Tönen auf. Was, wenn das jetzt ihre wahre Zuneigung spiegelt? The Toy Hearts
müssen sich damit jedenfalls nicht verstecken.
Volker Dick
| |
| |
FOLKER auf Papier
|
---|
Dieser Artikel ist ein Beispiel aus der Print-Ausgabe!
Bestelle sie Dir! Einfach das Schnupper-Abo!
bestellen und
drei Ausgaben preiswert testen. Ohne weitere Verpflichtung!
Oder gleich das Abo
?
|
|