Rezensionen INTERNATIONAL

AL ANDALUZ PROJECT
Abuab Al Andalus – Live in München 2011

(Galileo-MC GMC 050,  www.alandaluzproject.de )
15 Tracks, 78:58, plus DVD, 130:00, Konzert, Interviews u. Infos

Wie sein Bruder im Geiste, Marco Ambrosini und dessen Ensemble Oni Wytars, so widmet sich auch der künstlerische Leiter des Al Andaluz Project, Michael Popp der reizvollen Aufgabe, die Parameter mittelalterlicher Musiktraditionen möglichst lebendig an die Hörer des 21. Jahrhunderts weiterzugeben. Doch anders als Ambrosini, dessen Musik so etwas wie ein Klangamalgam der Mittelmeeranrainer darstellt, widmet sich Popps Projekt schwerpunktmäßig der Musik der – ehemals in Andalusien ansässigen – sephardischen Juden und ihren Einflüssen auf die lokalen Musiktraditionen der Länder, in denen sie nach ihren Vertreibungen 1492 und 1513 Zuflucht fanden. In der Besetzung Mara Aranda, Iman Kandoussi und Sigrid Hausen (alle Gesang) und einem – Popp eingeschlossen – sechsköpfigen Ensemble mit überwiegend historischem Gerät (Drehleier, Ud, Fidel, Saz, Quanun und andere) gab das Project im Januar 2011 ein umjubeltes Konzert. Dankenswerterweise wurde dieses Ereignis mitgeschnitten, sodass nun auch Nichtanwesende miterleben können, wie man Musik mit mittelalterlichen Wurzeln auch jenseits historischer Aufführungspraxis oder Dezibelstärken wie in Wacken adäquat in die Jetztzeit transferieren kann.

Walter Bast

BADUME’S BAND & SELAMNESH ZEMENE
Ale Gena – Ethiopia

(Innacor Records INNA41112/L’Autre Distribution,  www.myspace.com/badumesband )
10 Tracks, 55:23, mit franz. und engl. Texten und Infos

Badume’s Band, das bretonische Rockseptett um die Saxofonisten Xavier Pusset und Stéphane Le Dro versteht es seit Jahren, afrikanisch-arabische Musik mit Soul und Funk zu verbinden und hat sich spätestens seit der Teilnahme an einem Festival in Addis Abeda 2007 der Musik Äthiopiens verschrieben. Mit Altstar Mahmoud Ahmed arbeitete die Gruppe bereits zusammen, für Ale Gena – Ethiopia hat sie sich nun die Sängerin Selamnesh Zemene ins Studio geholt, dazu weitere Chorsängerinnen und Gastmusiker. Gleich mit dem ersten Stück „Korahu“ („Stolz“) geht es in die Vollen: nervös und hektisch anmutender Riff Rock, der eine gewisse hypnotische Wirkung auslöst und zum Tanzen anregt. „Korahu“ ist eines von mehreren Liebesliedern des Albums und passt offenbar bestens zu Hochzeitsfeiern. Die meisten Stücke, zum Beispiel „Mela Mela“, stehen in der Tradition der Militär- und Polizei-Blasmusik, wie sie in Äthiopien bis zum Sturz Haile Selassies beliebt war. Eher jazzig kommt „Antchi Bizu“ daher, eine von der legendären Sängerin Bizunesh Bekele inspirierte Komposition des Schlagzeugers Antonin Volson. Selamnseh Zemene erweist mit starker Stimme ihrem Idol Asnaqetch Worqu ihre Reverenz.

Roland Schmitt

THE EARLY FOLK BAND
Northlands

(Ahalani-Records ar 0014,  www.early-folk-band.com )
14 Tracks, 63:05

Wenn, wie The Early Folk Band behauptet, Folkmusik Kunstmusik beeinflusst und umgekehrt, dann mögen bei Folkies wie Klassikfans die Alarmglocken läuten, doch Gemach – das vorliegende Ergebnis ist weder intellektuell verkopft noch tümelnd, sondern einfach nur begeisternd. Das international besetzte Quintett lädt zu einer musikalischen Reise durch den Norden, von den Britischen Inseln bis nach Skandinavien, gespielt auf mittelalterlichen Fiedeln, Whistles, Northumbrian Small Pipes, Barockgitarre und Cittern. Gleich das Eröffnungsstück schlägt eine Brücke von Schweden nach Northumberland, mit einer verwobenen Version der Ballade „The Two Sisters“, in beiden Ländern bekannt, hinreißend melancholisch gesungen von der schwedischen Harfenistin Miriam Andersén. „King Orfeo“, eine Ballade aus der Sammlung von William Child, wird im Dialekt der Shetlandinseln gesungen und hat Kehrverse in norwegischer Sprache. Aus England stammen neben bekannteren Tanzstücken Instrumentalstücke aus John Playfords Sammlung The English Dancing Master. Umwerfend frisch, lebendig, abwechslungsreich und geschmackvoll arrangiert und vor allem virtuos gespielt, bietet Northlands eine Stunde musikalischen Hochgenuss.

Ulrich Joosten