Rezensionen EUROPA
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ANGELIKA BLUM
Na Servus – Legendäre Kabarettklassiker aus Wien
(Merkton 08258/ www.merkton.de
)
14 Tracks, 52:51
Wie lassen sich Kabarettschmankerl aus einer vergangenen Epoche, die längst
keinen Gegenwartsbezug mehr haben, so singen, dass sie vollends antiquiert
klingen? Angelika Blum probiert es aus, an Titeln von Friedrich Hollaender bis
Georg Kreisler – und ihr gelingts. Mit genretypischer Pianobegleitung
gibt die ansonsten unter anderem auf Kreuzfahrtschiffen singende Wienerin dank
ihrer klassischen Gesangsausbildung den Liedern den Gnadenschuss: Frei von allem
Wiener Schmäh, dafür mit glasklarem, an Operetten und Musicals geschultem,
leicht kreischendem Kommandoton, treibt sie den sowieso nicht mehr sonderlich
vergnüglichen Liedern aus Großvaters Witzrepertoire den letzten Rest von
Volksnähe und Charme aus. So kann man eben gerade keine Tauben vergiften im
Park (Songtitel), sondern gibt ihnen noch Futter. Wo bleiben die
Vergnügungsdampfer eigentlich, wenn man sie braucht?
Harald Justin
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DANJAL
The Bubble
(Peregrina Music PM50642/In-akustik, www.danjal.net
)
10 Tracks, 37:58, mit Texten
Auf den Färöerinseln scheinen nur Musiker zu leben. Anders ist nicht zu
erklären, dass 50.000 Einwohner Perlen um Perlen wie Yggdrasil, Teitur oder
Danjal hervorbringen. Letztere sind ein Projekt um Mastermind Danjal a Neystabo.
Auch die nordische Note ist in ihrer Musik unverkennbar, Hauptmerkmal von Danjal
aber ist der osteuropäische Einschlag, der geschickt mit Tango- und
Klezmerelementen verbunden wird. Das Ergebnis ist eine Mixtur, die zwar
melancholisch stimmt, aber trotzdem die Beine zum Tanzen zwingt. Passenderweise
war Danjal deshalb auch bereits Vorgruppe von La Brass Banda. Die Stimme des
Namensgebers Danjal klingt wie aus einem alten Röhrenradio und sorgt für ein
altmodisches Ambiente. Die eigenwillige Mischung kommt an, davon zeugen erste
Chartplatzierungen in Dänemark. Man kann sich The Bubble zum Beispiel
gut als Bühnenmusik für ein alternatives Theater oder Kleinkunstbühnen
vorstellen, aber auch auf traditionellen Folkfesten oder
Independent-Rock-Festivals. Und definitiv in den eigenen Filmen in den Köpfen
der Hörer.
Chris Elstrodt
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DIVERSE
The Rough Guide To Fado
(Rough Guides RGNET1260/World Music Network/Harmonia Mundi, www.worldmusic.net
)
Do-CD, 20 Tracks, 98:38, mit Infos
Der Fado, der portugiesische Blues, scheint in der restlichen Welt vor allem als
Sampler vermarktet zu werden. Wo vergleichbare Zusammenstellungen gern
verschweigen, dass auch Männer den Fado singen, macht auf The Rough Guide To Fado
Duarte den Auftakt – und beeindruckt mit seinem hellen Tenor. Neun der
sechzehn Stücke werden denn auch von Männern gesungen. Sie kontrastieren schön
mit Mariza, Ana Moura oder Joana Amendoeira, den weiblichen Stars der Szene. Wo
aus Kosten- und Lizenzgründen oft zu obskuren Archivaufnahmen und zweitklassigen
Interpreten gegriffen wird, präsentiert der Rough Guide aktuelles Material.
Das Zuckerchen liegt, wie bei allen Neuerscheinungen der Reihe, in Form einer
Bonus-CD bei. Hier ist es Murmúrios, Cristina Brancos 1998 erschienenes
erstes Studioalbum. Die Fadista zelebriert darin den Fado in einer reinen Form,
unterstützt von den portugiesischen Saitengroßmeistern Custódio Castelo an der
portugiesischen Gitarre und Jorge Fernando. Einziger Schwachpunkt des
Doppelalbums: Die Infos zu den Interpreten sind ein wenig gar zu knapp, und die
Anmerkungen zur Musik beschränken sich auf die Erwähnung der Alben, auf welchen
die Stücke herausgebracht wurden.
Martin Steiner
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DIVERSE
Voices In Scotland – Folktales, Music & Ballads
(Brechin All Records CDBAR014, www.brechin-all-records.com
)
Do-CD, 11 Tracks, 143:57, mit engl. Infos
Folkmärchen zu musikalischer Begleitung erzählen – funktioniert das? Hier
versuchen es neun Erzählerinnen und Erzähler aus Schottland – mit Erfolg.
Ihre Geschichten sind nicht auf ihren Wohnsitz beschränkt, denn die Wurzeln
liegen in ihren Herkunftsländern wie Irland, Kenia, Japan oder bei den Indianern
Kanadas. Das sorgt für stimmliche, stilistische und thematische Vielfalt. Auch
die 16 Musiker sind Meister ihres Fachs – Namen wie Mary Macmaster, Mairi
Campbell, Eddie McGuire oder Sandy Wright bürgen für Qualität. Die Musik soll
die jeweiligen Geschichten begleiten und untermalen. Das geschieht in den
meisten Fällen sehr passend und evokativ. Melodiebögen werden möglichst
vermieden, wenn gesprochen wird. Das Laustärkeverhältnis zwischen Musik und
Sprache ist ebenfalls angemessen. Nur kann es manchmal passieren, dass die Wahl
schwerfällt: Konzentriere ich mich auf die Musik, verliere ich den Faden der
Geschichte. Das ist aber womöglich auch eine Frage der persönlichen Tagesform.
Voices In Scotland ist ein ungewöhnliches Projekt, das auf jeden Fall
Aufmerksamkeit verdient.
Mike Kamp
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DOWNTOWN RAMBLERS
On The Other Side Of The City
(DTR Music Production, www.downtownramblers.com
)
11 Tracks, 36:05
Bei sechs Stücken seines zweiten Albums hat sich das junge preisgekrönte
Bluegrassquintett aus Göteborg Fiddleverstärkung geholt. Nicht, dass das
erforderlich gewesen wäre, aber irgendwie gehört das Instrument zu dieser Musik.
Besonders, wenn es von Größen wie Brittany Haas und Tim OBrien gespielt wird,
bereichert es den Klang sehr. Wenn man bei den Downtown Ramblers überhaupt von
schwedischen Einflüssen sprechen kann, dann bei dem Hauch von Melancholie, der
in fast allen Songs zu spüren ist. Zu verdanken ist er besonders der
ungekünstelten, berührenden Stimme Emelie Junstens und dem Backgroundgesang,
aber auch den Instrumenten, etwa in Take Your Eyes Away From Me, wo das
zurückhaltend eingesetzte Streichquartett die getragene Stimmung noch verstärkt.
Die meisten Songs stammen aus der Feder Oskar Reuters (Mandoline), so auch das
besonders schöne Be My Baby Still, wo Junsten mit Tim OBrien im Duett singt,
oder I Will Follow, nur mit Junstens Sologesang und Reuters Tenorgitarre.
Instrumente und dynamische Spielweise beherrschen alle Downtown Ramblers
perfekt, neben Emilie Junsten und Oskar Reuter Pär Öjerot (Gitarre), Martin
Blomberg (5-String-Banjo) und Karl Annerhult (Kontrabass).
Bernd Künzer
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DAVID FERRARD
Journeyman
(Alter Road Records ARRCD002, www.davidferrard.com
)
12 Tracks, 42:25, mit engl. Texten
David Ferrards Lockenkopf und seine Stimme wirken irgendwie süß, aber seine
Texte und seine Themen sind das genaue Gegenteil. Mit Ausnahme von Pete Seegers
Turn, Turn, Turn, kehrt der Edinburghian nach dem Ausflug in die amerikanische
und schottische Tradition der Eltern auf seinem dritten Album zurück zu eigenen
Liedern, bleibt aber auf familiärem Territorium, und das kann man sogar wörtlich
nehmen. Familie in allen möglichen Facetten ist der Schwerpunkt auf Journeyman:
Abwesende Väter, gespaltene Kindheit, die Heilung von Beziehungswunden oder das
Leiden an Alzheimer – all das findet in Familien statt. Und Ferrard spannt
via der Familie auch den Bogen zu seinem Herzensthema: Wenn er im
beeindruckenden I Am An Immigrant (Im From Here) über die Behandlung von
Einwanderern singt, dann orientiert er sich an seinen eigenen
italienisch-amerikanischen Wurzeln und findet packende Bilder: I am a cocktail
/ A masterless race / A coat of many colours / A nightmare to trace. Und in
Wildflowers sind es dann sogar Nachbarn, die Nachbarn erschießen. Nein, das
Engelsgesicht auf dem Cover täuscht: Der Mann singt vom Leben – und das
ist leider allzu häufig alles andere als himmlisch.
Mike Kamp
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RENAUD GARCÍA-FONS
Solo – The Marcevol Concert
(Enja ENJ-9581 2/Soulfood Music, www.renaudgarciafons.com
)
11 Tracks, 56:11 + materialgleiche DVD, mit franz. und engl. Infos
Der frankospanische Paganini des Kontrabass erfüllte sich mit Solo
den lang gehegten Wunsch, wieder einmal ein Soloalbum einzuspielen. Dem
virtuosen wie spirituellen Musiker – in dieser Liveaufnahme besonders gut
zu hören und zu sehen – gelang im personellen Alleingang ein klanglich
multiples Werk. Sein ohnehin farbenprächtiges Spiel wird bereichert durch
Loops, allesamt mit seinem Bass verfertigt. Diese elektronische Erweiterung ist
keine Spielerei wie bei manch anderem Musiker, tut dem Essenziellen der
dynamischen musikalischen Darbietung weitestgehend keinen Abbruch. Man wäre
gerne dabei gewesen am dokumentierten atmosphärischen Septembertag im kleinen
Kloster von Marcevol nahe der französisch-spanischen Grenze. Immerhin gewährt
die DVD teils luxuriös nahe Einblicke in das magische Tun, die man nicht einmal
als Konzertbesucher bekommen hätte. Wie schon zuvor in seiner Arbeit zu
beobachten, eröffnet Renaud García-Fons Instrument die Welt eines ganzen
Orchesters, das mittels aller nur denkbaren Klangfarben und perkussiven
Elemente eine Art imaginäre Folklore kreiert. Beeindruckend etwa der nur durch
ein Papier verfremdete Klang des Basses im afrikanisch anmutenden Stück
Kalimbass.
Katrin Wilke
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GWENNYN
Kann An Tevenn
(Seniprod/Keltia Musique/New Music Distribution, www.gwennyn.com
)
11 Tracks, 40:18, mit franz., bret. und engl. Texten und franz. Infos
Die bretonische Sängerin Gewnnyn ist keine Traditionalistin. Ihre Musik hat zwar
ein paar traditionell bretonische Elemente, aber im Großen und Ganzen ist sie
eher modern, poppig, jazzig und allgemein keltisch-folkig. Außer von ihrem
Duopartner Patrice Marzin auf Gitarre, Klavier und als Programmierer, lässt sie
sich auf ihrem neuen Album von David Starosta und Soig Sibéril auf Gitarren,
Kevin Camus auf Uilleann Pipes, Low und Tin Whistle, Manu Leroy am Bass, Hoppy
Hopkins mit Percussion, Patrick Boileau auf dem Schlagzeug, Jean-Luc Aimé als
Programmierer, Philippe Turbin auf dem Klavier und Pierre Bloch auf der Viola
begleiten. Ihr Spiel ähnelt zum Teil dem moderner irischer Bands, hat aber auch
viel von zeitgenössischer französischer Musik, etwa von der Musique Minimale.
Sehr apart fällt dabei immer wieder Patrice Marzins Gitarrenspiel auf. Die
allesamt von Gwennyn und Marzin komponierten und bis auf vier von Gwennyn
gedichteten Lieder haben oft mit bretonischer Identität und Mythologie zu tun,
was ihnen neben dem Gebrauch von Gwennyns Muttersprache Bretonisch in vier
Texten, darunter auch einem mit einem argentinischen Thema, dann doch einen
bretonischen Anstrich verleiht.
Michael A. Schmiedel
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THE HENRY GIRLS
December Moon
(Eigenverlag, www.thehenrygirls.com
)
14 Tracks, 46:22, mit engl. Infos
Zusehends wird der Begriff Transatlantisches Musizieren zu einem beliebigen
Verkaufsetikett. Ein tatsächliches Verweben von Traditionen diesseits und
jenseits des Meeres findet längst nicht immer statt. Die drei Schwestern
McLaughlin aus dem irischen Nord-Donegal bieten dagegen wahres Crossover: Karen
(v), Lorna (acc) und Joleen (harp) nehmen sich auf ihrem vierten Album, was
ihnen zusteht und was sie mögen. Ihre Songs bedienen sich irischer Traditionen,
Pop, Bluegrass, bei den perfekten Gesangsharmonien auch schon mal
Barbershop-Vorbildern. Ihre Grenzüberschreitungen gehen so weit, dass sie in
zwei kleinen Instrumentalstücken bis Afrika und Japan reisen. Kein Problem haben
die Girls damit, diesen zarten Klängen ein schweres, verhalltes Schlagzeug und
eine böse Stromgitarre folgen zu lassen, wie sie im Klassiker Rain And Snow zu
hören sind. Manchmal meint man, die Schwestern alte Spirituals singen zu hören,
etwa in The Long Road, wo Band plus Mandoline plus Bläser eine bestechende
Kombi bilden. Und mit dem Elvis-Costello-Cover Watching The Detectives gelingt
den Henrys noch eine Überraschung. Keine Frage: Die Dixie Chicks bekommen
Konkurrenz von der anderen Seite des Atlantiks.
Volker Dick
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KRENIJENN
Peseurt Mood?
(Krenijenn KR2011/1/Coop Breizh, www.krenijenn.wordpress.com
)
12 Tracks, 51:43, mit frz., engl. und bret. Infos
Ein Meilenstein der modernen bretonischen Fest-Noz-Musik. Krenijenn ist ein Trio
aus Erwan Burban (Trompete), Lina Bellard (Elektroharfe) und Vincent Raude
(Elektronik). Die Stücke sind traditionell tanzbar, die Melodien klingen
zutiefst bretonisch, aber das Klangbild ist ungewohnt. Schon die Trompete ist
kein traditionelles Fest-Noz-Instrument, doch die elaborierte Elektronik
zwischen Trip-Hop und Ambient unterscheidet Krenijenn endgültig von
konventionellen Tanzgruppen. Zwar ist die Verbindung von bretonischem Folk und
Elektronik nicht mehr neu, allerdings hat es eine derartig niveauvolle und
gelungene Synthese zuletzt beim Sänger Denez Prigent Ende der Neunzigerjahre
gegeben. Der künstlerische Erfolg ist auch hart erarbeitet, Erwan Burban hat
bereits mit den beiden Vorläuferprojekten Jerry Cornic und Skolkozh Erfahrungen
gesammelt. Herausragend auf dem Debütalbum von Krenijenn ist auch das einzige
Hip-Hop-Stück mit dem bretonischen Rapper Krismenn.
Christian Rath
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NOLWENN LEROY
Bretonne
(B1*/Mercury/Universal 0602527578392, www.nolwenn.org
)
15 Tracks, 51:53, mit Texten
Die Franzosen machten dieses Album im Vorjahr zur Nummer zwei ihrer
Jahresverkaufscharts. Und die Franzosen mögen auch Nolwenn Leroy. 2002 siegte
sie bei der Casting-Show Star Academy – und wurde anschließend
tatsächlich ein Star mit mehreren Hits und Topalben. Auf ihrem vierten Album
Bretonne probierte die Popsängerin etwas Neues: ein Folkalbum, na ja,
ein Popalbum mit Folkanleihen. Es enthält bretonische Folkklassiker wie Tri
Martelod und Prisons De Nantes, zeitgenössische Chansons mit Bezug zur
Bretagne und – etwas unmotiviert wirkend – auch Ohrwürmer wie
Greensleeves und Scarborough Fair. Damit ist der gebürtigen
Bretonne ein gefälliges Album gelungen, das auch in Deutschland
Platz 13 der Charts erreichte. Leroy hat eine gute Stimme, die Arrangements sind
nur leicht verpoppt, von vielen Stücken hat man allerdings schon mitreißendere
Interpretationen gehört, etwa durch Alan Stivell und Tri Yann. Aber es gehört
wohl zum kommerziellen Konzept dieses Albums, dass alles gemäßigt bleibt.
Aufgenommen wurde es in London mit Musikern von der Insel wie Michael McGoldrick
und John McCusker. Und so klingt selbst die folkige Färbung oft eher irisch oder
schottisch als bretonisch.
Christian Rath
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ORCHESTRE INTERNATIONAL DU VETEX
Total Tajine
(Via Lactea VLR 008/Broken Silence, www.vetex.org
)
Do-CD, 28 Tracks, 100:19
Setzt sich die Balkanisierung in Richtung Frankreich fort? Im
französischsprachigen Raum hat der Komponist und Arrangeur Thomas Morzewski 19
Musiker um sich versammelt und das Orchestre International du Vetex gegründet.
Morzewski ist ein versierter Künstler mit klassischer Ausbildung, das hört man
den Stücken an. So geht es ihm nicht allein darum, die Blasmusik des Balkans so
authentisch wie möglich zu reinterpretieren, sondern auch darum, sie zu
erweitern und mit anderen Musikformen zu vermischen. So schleichen sich Salsa
und Musette in seine Kompositionen ein, und auch Erik Satie blickt manchmal
verstohlen um die Ecke. Das funktioniert an vielen Stellen recht gut. Beim
ersten Hören klingt Total Tajine recht wild und ungezügelt, doch wirkt
diese Mischung später eher kalkuliert. Als würde Morzewski mit seinem Orchestre
International du Vetex die Balkanmusik bändigen und zivilisieren wollen, um ihr
damit einen Weg in die bürgerlichen Wohnzimmer zu ebnen.
Michael Freerix
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DEAN OWENS
New York Hummingbird
(Songboy Records SBOY001CD, www.deanowens.com
)
10 Tracks, 36:53
Der Singer/Songwriter aus Edinburgh wartet mit seinem vierten, etwas kurz
geratenem Opus auf. Erneut reiste Dean Owens nach Amerika und spielte nach vier
Jahren Pause neue Songs ein. Um es vorwegzunehmen: Herausragende, eindringliche
Balladen wie Raining In Glasgow und besonders Man From Leith von seinem
letzten Album Whisky Hearts sind auf New York Hummingbird
nicht vertreten. Am nächsten kommt solchen Klassikern noch das fast schon
hitparadentaugliche Baby Fireworks oder das hymnische Wander On, aber auch
die acht restlichen Songs sind von hoher Klasse ohne qualitative Ausreißer nach
unten, und das ist definitiv auch eine Leistung. Owens großzügig und
radiotauglich produzierte Lieder überzeugen nicht nur durch seine nicht
unbedingt schöne, aber einprägsame Stimme, sondern auch durch eingängige und
griffige Melodien sowie durch lyrische Qualität – wobei ein Abdruck der
Texte sehr willkommen gewesen wäre.
Mike Kamp
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PUST
Femkant
(Pust Records prc 001, www.pust.org
)
14 Tracks, 46:49
Kry
(Pust Records prc 002, www.pust.org
)
12 Tracks, 43:05, mit norw. Texten
Julero
(Kirkelig Kulturverksted FXCD 374, www.pust.org
)
15 Tracks, 49:49, mit norw. Texten
Pust – Hauch – sind ein stimmgewaltiges norwegisches Sextett,
beziehungsweise waren zu Zeiten ihres Debüts ein Septett, das Album aber hieß
Fünfeck, Femkant, und das verstehe, wer kann. Wer es nicht kann,
braucht sich nicht zu grämen, das hat sich bei Auftritten der Gruppe in Berlin
im November 2011 gezeigt. Die je drei Damen und Herren singen auf Norwegisch,
ein seltenes Mal auf Englisch, sie singen vielstimmig, mit verteilten Rollen,
führen gesungene Dramolette auf, spielen auf jede erdenkliche Weise mit Sprache,
Wörtern und Lauten, es ist die wahre Wonne. Immer wieder ertappt man sich dabei,
nach dem Begleitinstrument Ausschau zu halten, und kann nicht fassen, dass
offenbar keines da ist, denn auch die Instrumentalbegleitung liefern sie rein
stimmlich mit. Sie mischen traditionelle Dinge – wie einen Echten
Halling (En Reell Halling) auf Kry (2009) oder den Brautmarsch
von Sørfold (Bruremarsj Fra Sørfold) auf Femkant (2007) –
mit moderneren Songs wie Stings Moon Over Bourbon Street (Femkant),
sie singen Vertonungen von Gedichten, die man in Norwegen in der Schule lernt,
wie André Bjerkes Farao På Ferie (Kry), aber gesungen klingt es so viel
witziger. Auf Julero (2011) gibt es Weihnachtslieder, bekannte und
unbekannte, ins Norwegische übersetzte von Martin Luthers In Dulci Jubilo
(Jeg Synger Julekvad) bis Stille Nacht (Stille Natt) und in Norwegen
entstandene, eines schöner als das andere. Unbedingt vormerken, denn gar bald
weihnachtet es wieder. Und die beiden anderen Alben am besten gleich anschaffen,
Genuss garantiert.
Gabriele Haefs
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NICO WAYNE TOUSSAINT
Lonely Number
(DixieFrog DFGCD 8716/Fenn Music, www.nwtoussaint.com
)
16 Tracks, 59:58
Im Alter von 15 Jahren infizierte sich der Franzose Nico Toussaint an Muddy
Waters LP Hard Again mit dem Blues. Vor allem James Cottons
Mundharmonikaspiel hatte es ihm angetan. Ihm eiferte er nach, und spätestens mit
18 legte er die Harp nur noch selten aus der Hand. Zusammen mit seinem Vater am
Piano tourte er durch die südfranzösische Provinz, später folgten halbjährliche
Aufenthalte in den USA, immer in den Hotspots des Blues. In Chicago, Minneapolis
und New Orleans war er in der lokalen Musikszene aktiv, knüpfte Kontakte,
schloss Freundschaften und sog alles an musikalischen Einflüssen in sich auf.
Auf Lonely Number zeigt sich Nico Wayne Toussaint als gereifter Musiker,
der alle Spielarten des klassischen Blues beherrscht. Zusammen mit einer tollen
Band und illustren Gästen – David Maxwell, Rod Piazza, Guy Davies, JP
Soars, Mike Welch, Tommy Schneller und anderen – kommt zu keinem Moment
Langeweile auf. Das Album strotzt vor Spielwitz und deutlich vernehmbarer
Spielfreude, es ist tief im traditionellen Chicago Blues verhaftet, klingt
jedoch so frisch und engagiert, als wäre dieses Genre gerade erst erfunden
worden.
Achim Hennes
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TREACHEROUS ORCHESTRA
Origins
(Navigator Records NAVIGATOR062, www.treacherousorchstra.com)
9 Tracks, 55:48
Doch, doch, 12 Musiker dürfen sich Orchester nennen. Besonders, wenn ihre
Konzerte von einer Qualität sind, dass sie prestigeträchtige Auftritte wie bei
den Celtic Connections oder beim TFF Rudolstadt bereits erfolgreich
absolvierten, bevor sie dem Publikum noch von Tonträgern bekannt waren. Das
Debüt des Treacherous Orchestra startet etwas pathetisch, bevor die Herren den
Schalter bei Stück drei radikal umlegen und die Post abgehen lassen. Instrumente
wie Percussion, Pipes, Flöte oder Fiddle sind gleich doppelt besetzt.
Entsprechend breit ist der Klang des reinen Instrumentalalbums angelegt, zumal
die Arrangements vom Feinsten und Modernsten sind. Die Melodien haben sie fast
ausschließlich selbst geschrieben – alles andere wäre bei dynamischen
Musikern wie Piper Ross Ainslie, dem Flötisten Kevin ONeill oder dem
Akkordeonisten John Somerville auch eine Unterlassungssünde. Glücklicherweise
weiß das Treacherous Orcherstra auch genau, dass es ab und zu einmal einen Gang
tiefer schalten muss. Insgesamt eine erfreuliche Produktion einer Band, die live
aus logistischen Gründen wohl ein reines Festivalprojekt bleiben wird. Umso
wertvoller ist dieses Album.
Mike Kamp
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RANDI TYTINGVÅG
Grounding
(Ozella OZ040CD/Galileo MC, www.tytingvaag.no
)
11 Tracks, 46:35, mit Texten
Die norwegische Sängerin betritt neue Pfade. Nachdem ihre beiden ersten Alben
Let Go und Red eher die Jazzer unter den Weltmusikliebhabern
angesprochen haben, wird Grounding die Popliebhaber in Entzücken versetzen.
Dass auch auf ihrem dritten Album Randi Tytingvågs Stimme wieder für
Begeisterung sorgen wird, daran besteht ohnehin kein Zweifel. Ihr kraftvoller
Gesang klingt gleichzeitig filigran und zerbrechlich. So wirkt die Künstlerin
wie eine nordische Version von Suzanne Vega. Die Songs, im klassischen
Bandarrangement Gitarre, Bass, Schlagzeug dargeboten, sind stark und persönlich,
umfassen mit Inside sogar einen charttauglichen potenziellen Hit. Dabei bleibt
Tytingvåg auch bei ihrem Ausflug in den Mainstream eine Folksängerin von Fleisch
und Blut, wie Gänsehauttitel wie All That Is Not Free beweisen. Ihr
Lieblingsthema, wie man Partnerschaft in unserer Zeit gestaltet, zieht sich auch
durch dieses Album. Alles zusammen sorgt für eine Mischung zwischen Melancholie
und Leichtigkeit, der man sich nur schwer entziehen kann. Grounding ist
die Landung einer großen Künstlerin.
Chris Elstrodt
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FOLKER auf Papier
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